Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich
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Название: Handbuch des Strafrechts

Автор: Bernd Heinrich

Издательство: Bookwire

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isbn: 9783811456655

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СКАЧАТЬ (§ 19 GÜG) sowie des Gesetzes über das Verbot neuer psychoaktiver Substanzen (§§ 4, 5 NpSG) hierunter fassen. Das Arzneimittelrecht erfasst prima vista ebenfalls Stoffe, die zu Rauschzwecken missbraucht werden können; nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des EuGH sollen allerdings unter den Begriff des Arzneimittels nur Stoffe fallen, die dem Körper zuträglich sind und die nicht lediglich konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, was die strafrechtliche Bedeutung des Arzneimittelrechts im Drogenstrafrecht erheblich marginalisiert (→ BT Bd. 6: Oğlakcıoğlu, § 55 Rn. 3 ff.).

B. Grundlagen

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      Das umfassende Verbot des Umgangs mit ausgewählten Stoffen hat seinen Ursprung in der Single Convention 1961.[35] Die eingangs beschriebene – aus der Innenperspektive des Rechts maßgebliche – Klassifizierung von Drogen nach legalen Stoffen und illegalen Betäubungsmitteln geht also auf einen völkerrechtlichen Vertrag zurück. Doch existierten bereits zuvor Gesetze, die den Umgang mit einzelnen Rauschsubstanzen zum Gegenstand hatten. Die Regulierung von Produktionsprozessen und des Warenverkehrs zum Schutze des Verbrauchers beginnt mit der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts, die jedoch den Genuss- bzw. problematischen Konsum noch nicht betrifft und damit auch nicht darauf ausgelegt ist, die Verfügbarkeit spezieller Stoffe bzw. Drogen zu unterbinden. Erst als in den Kriegsjahren das Problem des Missbrauchs von Rauschsubstanzen – insbesondere Opium und Morphin – realisiert und als grenzüberschreitendes Phänomen auf internationalen Kongressen thematisiert wird, geht man dazu über, spezifische (also auf ganz konkrete Wirkstoffe bzw. Rohstoffe sowie beschränkte) Regulierungs- bzw. Verbotsgesetze zu erlassen.

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      Den ersten Schritt bildet hierbei die Haager Opiumkonvention von 1912, in der sich die Partner auf die Begrenzung der Opiumproduktion, den Vertrieb und Gebrauch ausschließlich zu medizinischen Zwecken einigen.[36] Die deutsche Gesetzgebung ist – angesichts der weltweit führenden Position deutscher Pharmakonzerne zu jenem Zeitpunkt– zögerlich hinsichtlich etwaiger Ratifizierungsmaßnahmen und beschränkt sich zunächst auf den Erlass der OpiumV vom 15. Dezember 1918,[37] welche den Umgang mit den Bezugsstoffen „bürokratisiert“, aber nicht verbietet. Erst mit dem Ende des ersten Weltkriegs und der Unterzeichnung des Versailler Vertrags (vom 26. Juni 1919, Art. 295) sieht sich die Regierung gezwungen, das Abkommen von 1912 zu ratifizieren. Das OpiumG 1920 tritt in Kraft:[38] es verbietet den Verkehr mit Rauchopium und knüpft die Abgabe von Rohopium bzw. Opium zu medizinischen Zwecken an strenge Voraussetzungen. Mit der Zeit werden auch weitere Stoffe in das Verbot einbezogen (Kokain, Ekgonin).

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      Der letzte große Schritt vor der Single Convention 1961 ist das Zweite Genfer Abkommen vom 19. Februar 1925 (Übk. 1925/II),[39] in dem sich die Vertragsstaaten zu nochmals schärferen Kontrollen und Überwachung des Handels mit Opium, Kokain etc. einigen und sich eine wirksamere Bekämpfung des Schmuggels und des Missbrauchs von Rauschdrogen durch eine Einschränkung der Gewinnung und Herstellung versprechen. USA und China verlassen die Konferenz unter Protest, weil die in Angriff genommen Beschränkungen im Hinblick auf die zahlreichen Ausnahmeregelungen, auf die sich die übrigen Teilnehmer verständigt haben, ihnen nicht rigoros genug sind. Erstmals wird der indische Hanf als zu regulierende Ware durch Ägypten ins Spiel gebracht. Zwar haben die Vertreter des deutschen Reiches kein Interesse an einem Cannabisverbot, lassen sich aber nach einem drohenden Patt darauf ein, das „Pro“ für die Einbeziehung abzugeben, da die Ägypter im Gegenzug versprechen, den Import der deutschen Pharma-Bestseller „Heroin“ (Bayer) und „Kokain“ (Merk) zuzulassen.[40] Ergebnis der Konferenz ist das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (OpiumG 1929) vom 10. Dezember 1929,[41] das in Erfüllung der Verpflichtung zur Umsetzung des Genfer Opiumabkommens vom 19. Februar 1925 ausdrücklich auch den indischen Hanf in das Verbot einbezieht.

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      Im Dritten Reich kommt es interessanterweise zu keinen entscheidenden Änderungen des Opiumgesetzes 1929,[42] doch wird eine – in das Leitbild der Rassenhygiene passende – „Drogenpolitik“ propagiert,[43] die eine radikale Rauschgiftbekämpfung im Sinne einer kompromisslosen Repression zum Gegenstand hat. Die mit dem Begriff „Gift“ hervorgerufenen Assoziationen lassen sich bestens in das antisemitische Gedankengut der Reichsführung implementieren. Drogen als reale Bedrohung und Metapher zugleich bilden so die Schnittstelle zwischen Drogenpolitik und Hetze gegen Juden.[44] Es werden selbstständige Institutionen eingerichtet (etwa die Reichszentrale zur Bekämpfung von Rauschgiftvergehen), und zahlreiche Verfahren (vor allem gegen missbräuchlich verschreibende Ärzte) eingeleitet.[45] Zugleich wird der Konsum bereits „etablierter“ Suchtmittel (Alkohol, Zigaretten) geduldet[46] und Methamphetamin verkommt unter dem Markennamen Pervitin zur „Volksdroge“.[47]

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      Parallel hierzu legt der erste Präsident des Federal Bureau of Narcotics, Harry Anslinger, der später auch Leiter des Drogenbüros der neu gegründeten UNO wird, ein umfassendes Verbot des Cannabis in den Vereinigten Staaten auf die Tagesordnung. Unter seiner Federführung beginnt eine Kampagne, welche die Akzeptanz eines Verbots von Cannabis herstellen und aufrechterhalten soll. Mittels Falschinformationen in Aufklärungsvideos und publikumswirksamen Berichten von der „Killerdroge“ läuft die Verabschiedung US Marihuana tax act im Jahre 1937 reibungslos von Statten.[48]

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      Eben jener Anslinger ist es, der die im Jahre 1961 von 180 Vertragsstaaten ratifizierte Single Convention[49] vorbereitet, welche bis heute noch als Grundlage der globalen Rauschgiftkontrolle dient. Ausgehend von der Erkenntnis, „dass die Betäubungsmittelsucht für den Einzelnen ein Übel und für die Menschheit eine wirtschaftliche und soziale Gefahr darstellt“, werden die Vertragsstaaten dazu angehalten, zahlreiche Umgangsformen (u.a. Anbauen, Gewinnen, Herstellen, Kaufen, Verkaufen, Liefern, Vermitteln, Versenden, Durchführen) in Bezug auf die in der Anlage der Convention genannten Stoffe (neben Opium, Kokain und Hanf auch synthetische Stoffe wie Methadon) zu beschränken. Schon zum Zeitpunkt seiner Ratifizierung wird Kritik im Hinblick auf die Einordnung und Rangfolge der in den vier Listen aufgeführten Substanzen laut, insbesondere, weil unklar bleibt, wie diese entstanden sind bzw. welchen Kriterien die Einordnung folgt (vgl. noch Rn. 34).

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      Es folgen weitere internationale Abkommen, die allesamt auf die Convention 1961 Bezug nehmen. Während der Gesetzgeber noch mit der Umsetzung der Single Convention beschäftigt ist, wird mit dem Übereinkommen 1971[50] das Spektrum verbotener Substanzen erweitert (und könnte auch als „Woodstock“- bzw. „FlowerPower“-Convention bezeichnet werden, da es nur darauf ausgerichtet war, die neu auftretenden synthetischen Drogen und Halluzinogene, insbesondere LSD zu erfassen). Kurze Zeit später tritt das BtMG 1972 in Kraft, СКАЧАТЬ