Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich
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Название: Handbuch des Strafrechts

Автор: Bernd Heinrich

Издательство: Bookwire

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isbn: 9783811456655

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СКАЧАТЬ Medikament einerseits, bloßes Freizeitgenussmittel andererseits – und die ihn betreffende Rechtsmaterie eine Sonderstellung einnimmt. Bekanntermaßen ist der Umgang mit bestimmten Drogen weltweit überwiegend verboten und kriminalisiert (wobei diese Einheit trotz kulturell-geschichtlicher Differenzen mittels suprainternationaler Abkommen hergestellt werden konnte, vgl. noch Rn. 14 ff.), im Volksmunde als „Prohibition“ bezeichnet. Bestimmt deswegen, weil nur einzelne Drogen vom Verbot umfasst sind, was technisch entweder mittels expliziter Benennung in der Verbotsnorm, oder durch Bezugnahme auf Anlagen des regulierenden Gesetzes bzw. Listen internationaler Übereinkommen außerhalb des Regelwerks funktioniert (speziell zu dem im deutschen Recht geltenden Positivlistensystem vgl. noch ausführlich Rn. 32 ff.). Insofern lassen sich die illegalen Substanzen in Abgrenzung zum allgemeineren Begriff der Droge als „Betäubungsmittel“ bzw. „illegale Drogen“ bezeichnen, genauso wie es dasjenige Gesetz tut, das den Umgang mit diesen Substanzen verbietet (Betäubungsmittelgesetz).

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      Die Zuordnung basiert augenscheinlich auf einer besonderen Gefährlichkeitsprognose (die sich u.a. auf die Toxizität oder das Abhängigkeitspotential der Substanz stützen müsste). Damit will der Gesetzgeber bei bestimmten Stoffgruppen den Umlauf und Konsum per se verhindern, die Stoffe also unter Verschluss halten und der Disposition des Konsumenten entziehen. Freilich darf auch die umgangssprachliche Bezeichnung der Betäubungsmittel als „Rauschgift“ nicht den Blick dafür trüben, dass die meisten verbotenen Substanzen nicht stärker toxisch sind als andere Arzneien oder legale Genussmittel (vgl. noch Rn. 35).[26] Nichtsdestotrotz werden bei ausgewählten Substanzen alle denkbaren Umgangsformen mit der Droge unter einen präventiven Erlaubnisvorbehalt (§ 3 BtMG) gestellt, für deren Erteilung eine staatliche Institution zuständig ist (in Deutschland die Bundesopiumstelle als Teilgeschäftsbereich des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM).

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      Hier soll der Verbraucher also nicht vor verseuchter, unter unzureichenden Bedingungen hergestellter oder gefälschter Ware geschützt werden, sondern ihm wird die natürliche oder auch synthetisch herstellbare (Rein-) Substanz vorenthalten. Etwas zynisch könnte man die entsprechenden Regelwerke – insbesondere BtMG und GÜG – als Verbraucherschutz in seiner schärfsten Form bezeichnen, da dem Konsumenten der Verbrauch bzw. der Zugriff überhaupt unmöglich gemacht werden soll. Dass man sich hierzu nicht immer mit der notwendigen Deutlichkeit bekennt (indem etwa auf die Straflosigkeit des Konsums als solches verwiesen wird,[27] obwohl alle Handlungen im Kontext, welche dem Konsum vorausgehen müssen, verboten und strafbewehrt sind, insbesondere der Erwerb und Besitz der fraglichen Substanz), kaschiert lediglich den insofern paternalistischen Normbefehl. Dieser stellt den Verbraucherschutz auf den Kopf, indem er den Konsumenten selbst in die Pflicht nimmt und diesem abverlangt, sich hinsichtlich bestimmter Stoffe zu „beherrschen“. Der Normadressat soll also von dem Konsum absehen, damit er nicht „süchtig werde“[28] und seinen Mitmenschen als mittelbar Leid- und Kostentragende zur Last fällt (dies ist der Hauptpfeiler des brüchigen Legitimationskonzepts solch einer Prohibition, vgl. noch Rn. 101 ff.). Abgesichert wird dies durch die Nichtverfügbarkeit der entsprechenden Substanzen und durch ein Verbot, mit diesen Stoffen umzugehen.

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      Ökonomisch gesehen handelt es sich bei der Prohibition um eine ultima-ratio-Maßnahme, welche Angebot und Nachfrage des wirtschaftlichen Guts beeinflusst. Der potentielle Konsument hat nämlich nun die Möglichkeit, auf einen (meist sich unmittelbar entwickelnden) Schwarzmarkt zurückzugreifen, sich also – unbeeindruckt von der Strafandrohung – dem Totalverbot zu widersetzen.[29] Alternativ kann er ggf. auf andere legale Stoffe ausweichen (selten aus Angst vor Strafe, mehr aufgrund des Vertrauens in den Gesetzgeber, dem man Fachkunde und Empathie für den Bürger unterstellt und daher davon ausgeht, dass auch wirklich nur „äußerst gefährliche“ Stoffe unter Verschluss gehalten werden[30]). Soweit man sich das Ausweichprodukt „ausrechnen“ und in Relation zur wirtschaftlichen Bedeutung des verbotenen Guts stellen kann, läuft man stets Gefahr, die Zuordnung des Stoffes nicht am Gesundheitsschutz, sondern an wirtschaftlichen Interessen auszurichten. Es sollte daher auch nicht überraschen, dass das Verbot einzelner Konsumgüter in Zeiten der Globalisierung eine weltwirtschaftliche Frage ist (jedenfalls im Falle ihrer kontrollierten Freigabe[31] und nicht bloßer Entkriminalisierung), und das Paradigma universell zu kippen droht, wenn die „Zentralgestalten“ des Wirtschaftsverkehrs am Umsatz der Ware Interesse zeigen.[32]

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      Betäubungsmittelstrafrecht ist daher – anders als das Lebensmittel-, Wein- oder Chemikalienstrafrecht – auch praktisch im Wesentlichen „strafrechtliche“ Materie. In einem freien Markt treten die aufgestellten Verstöße gegen die präventiven Verhaltensnormen, seltener zu Tage, das Strafrecht als Mittel der Verhaltensregulierung spielt praktisch keine, allenfalls eine symbolische Rolle.[33] Zudem kommen die Nachfragenden, also die Konsumenten als potentielle Straftäter kaum in Betracht. Hingegen hat die Ausgestaltung des Betäubungsmittelrechts, insbesondere das allumfassende Verbot, welches auch die Erwerberseite kriminalisiert, zur Folge, dass häufiger gegen dieses Gesetzeswerk (in strafrechtlich verfolgbarer Weise) verstoßen wird. Auch der Nachweis der Straftat bereitet dann keine Schwierigkeiten, da die per se verbotene Handlung (anders als „interne“ Verstöße gegen Produktionsvorschriften) sichtbar ist. Dies spiegelt sich in dem seit Jahren kontinuierlich zwischen 6,5–7,8 % pendelnden Anteil der Betäubungsmittelkriminalität an der Gesamtkriminalität in der amtlichen PKS wider, was das Betäubungsmittelstrafrecht zum forensisch bedeutsamsten Nebenstrafrechtsgebiet macht (wobei das Gros der verfolgten Straftaten sog. „Konsumdelikte“ betrifft, zur Statistik und weiteren wichtigen Zahlenquellen vgl. noch Rn. 29 ff.).[34]

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      Mit diesen Vorüberlegungen dürfte auch deutlich geworden sein, welches Verständnis von Betäubungsmittelstrafrecht auf den folgenden Seiten Grunde gelegt wird. Behandelt wird kein „Drogenstrafrecht“ im weiteren Sinn (dem in Anlehnung an die Begriffsdefinition der WHO „jede Substanz, die in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag“ zugrunde liegt und damit alle Substanzen – unabhängig von ihrem rechtlichen Status – und damit auch die eingangs genannten Regelwerke des Verbraucherschutzstrafrechts erfasst), sondern ein ausschließlich auf das deutsche Betäubungsmittelrecht Bezug nehmendes Begriffsverständnis. Jedoch sollen auch solche Stoffe in den Blick genommen werden, die zumindest potentiell in den Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes fallen könnten bzw. sich im „Dunstkreis“ der Prohibition befinden. Hierzu zählen Grundstoffe, die der Herstellung von Rauschmittel dienen sowie Stoffe, die wegen ihrer starken psychoaktiven/stimulierenden/sedativen Wirkung das Potential aufweisen, als Rauschmittel missbraucht zu werden, aber noch nicht dem Betäubungsmittelgesetz, dafür womöglich einem neu geschaffenen Regelwerk, dem NpSG unterliegen (angesprochen sind damit sog. „legal highs“, vgl. noch Rn. 40).

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      Das Betäubungsmittelstrafrecht im engeren Sinn umfasst damit die Vorschriften der § 29 ff. BtMG, welche auf die Vorschriften des Betäubungsmittelrechts Bezug nehmend (insbesondere die §§ 1–13 BtMG) den unerlaubten Umgang mit Opiaten und sonstigen СКАЧАТЬ