Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich
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Название: Handbuch des Strafrechts

Автор: Bernd Heinrich

Издательство: Bookwire

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isbn: 9783811456655

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СКАЧАТЬ rel="nofollow" href="#ud22b32d5-b0df-4999-bf08-ad8bf325aef1">134 – 137

       F. Internationales138, 139

       Ausgewählte Literatur

A. Einführung

      1

      Der im Hinblick auf die rechtliche Bewertung erst einmal nichtssagende Begriff der „Droge“[1] umfasst psychotrope Substanzen, die stimulierende, sedative, aber vor allem auch bewusstseins- oder wahrnehmungsverändernde Wirkung aufweisen.[2] Anders als im angelsächsischen Raum, wo der Begriff „drugs“ für Arzneimittel reserviert ist,[3] fallen im Deutschen unter den Begriff der Droge auch Genussmittel wie Kaffee, Nikotin, Alkohol,[4] leistungssteigernde Substanzen oder verbotene Stimulans wie Kokain oder Amphetamin. Als Verbrauchsgüter (Chemikalien, Arzneien, Kosmetika, Lebens- und sonstige Genussmittel) unterliegen Drogen in diesem weiteren Sinne einem mehr oder weniger strengen Gesetzeswerk, das Vorschriften über den Umgang, die Herstellung oder den Vertrieb mit dem jeweiligen Stoff[5] zum Gegenstand hat. Überwiegend beinhalten derlei stoffbezogene Gesetze Regeln zur Qualitätssicherung und Produktsicherheit.

      2

      Diese sind nicht erst im Zuge eines neuzeitlichen Verbraucherschutzleitbilds entstanden. Schon in der Antike – als man erkannt hatte, wie sich der Gärungsprozess für die Herstellung von Weinen und Bieren kontrollieren ließ[6] – sind Erläuterungen wie auch Vorschriften i.w.S. (etwa auf alt-ägyptischen Schriftrollen sowie alt-mesopotamischen Keilschrifttafeln[7]) zur Herstellung ethanolhaltiger Getränke angedeutet. Im römischen Recht wurde der Alkoholanbau[8] – marktregulierend – vom römischen Kaiser Domitian (51–96) verboten.[9] Die „Ordnung und Satzung über den Wein“ des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1498 lässt sich durchaus als „Vorbote“ eines Wein- und Lebensmittelrechts bezeichnen, sollte diese doch vornehmlich Weinfälschungen entgegenwirken.[10] Mindestens genauso alt wie der Gedanke, die Alkoholproduktion zu kontrollieren ist derjenige, den Umgang mit diesem (oder anderen bewusstseinsverändernden Substanzen) gänzlich zu verbieten bzw. mit Strafe zu bewehren, man denke an das Alkoholverbot im Islam.[11]

      3

      Die ursprünglich fragmentarischen Regelungen der Frühzeit und des Mittelalters wurden aber im Zeitalter der modernen Industriegesellschaft den Anforderungen einer damit einhergehenden flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern stetig erweitert, präzisiert und ausdifferenziert. Die zunehmende Regulierung erforderte auch eine Spezifizierung nach Stoff- und Produktgruppen. Ergebnis ist die heutige „Atomisierung“ des Stoffrechts[12] mit seiner kaum überschaubaren Fülle an Gesetzen, die für einzelne Stoffgruppen bzw. Konsum-, Verbrauchs- und Industriegüter Regelungen beinhalten. Als wichtigste Vertreter seien u.a. genannt: das Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB); das vorläufige Tabakgesetz,[13] welches durch das Tabakerzeugnisgesetz vom 4. April 2016 ersetzt wurde; das Gesetz, betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken (WeinG); das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (ChemG); das Wasch- und Reinigungsmittelgesetz (WRMG), das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG; → BT Bd. 6: Mustafa Oğlakcıoğlu, Arzneimittelstrafrecht, § 55 Rn. 1 ff.); das Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen (GÜG) sowie das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG), um das es im folgenden Abschnitt im Wesentlichen gehen wird.

      4

      Die genannten Regelungsmaterien haben zunächst gemeinsam, dass sie die Umwelt, aber auch konkret die Personen schützen sollen, die diesen Stoffen ausgesetzt sind. Es handelt sich bei diesen mithin um besonderes Gefahrenabwehrrecht,[14] wobei Verstöße gegen die dort aufgestellten Ge- und Verbote betreffend die Herstellung, Produktion, Aufsicht, Kontrolle, Kennzeichnung, Vertrieb, Werbung etc. bezüglich des gesetzesgegenständlichen Stoffs meist sanktionsbewehrt sind. Die – für das Nebenstrafrecht typisch – am Ende des Gesetzeswerkes stehenden Ordnungswidrigkeiten und Straftatbestände knüpfen meist, aber nicht stets blankettartig an die im Gesetz verstreuten Vorschriften an,[15] je nach Art und Schwere des Verstoßes,[16] vgl. etwa § 21 ChemG, §§ 58, 59 LFGB, §§ 48, 49 WeinG. Da sie überwiegend bezwecken, die Gesundheit potentieller Konsumenten und diese vor Täuschungen zu schützen (so insbesondere das LFGB und WeinG[17]), werden derartige Strafvorschriften auch unter dem Oberbegriff des „Verbraucherschutzstrafrechts“ zusammengeführt.[18]

      5

      Dieses Verbraucherschutzstrafrecht regelt vornehmlich den Umgang mit Stoffgruppen, deren zweckgebundene Verwendung (sei es als Lebens- und Genussmittel, sei es als sonstiges Hilfsutensil bzw. Gebrauchsgegenstand) erwünscht, gesellschaftlich akzeptiert bzw. sogar notwendig ist. Es bezieht sich damit auf Stoffe, die grundsätzlich in den Verkehr gelangen dürfen und sollen. Der Handel mit den Stoffen als „wirtschaftliches Gut“ wird nicht unterbunden, sondern (mehr oder weniger streng) überwacht. Insofern ist daher auch von legalen Drogen die Rede. Hierzu zählt insbesondere der Alkohol,[19] der kontrolliert hergestellt und vertrieben werden darf (wobei die Pflichten der Produzenten ggf. in Sondergesetzen konkretisiert werden, man denke an das deutsche Reinheitsgebot,[20] das infolge europäischen Drucks nur noch eingeschränkt Bestand hat[21]). Die Abgabe von Spirituosen u.Ä. an den Endkonsumenten ist lediglich im Hinblick auf den Jugendschutz eingeschränkt, § 9 JuSchG. Ähnlich sieht es mit dem Nikotin[22] als Drogen in Tabakprodukten aus, der überall frei erhältlich ist, dessen Vertrieb aber streng reglementiert wird; nur das Inverkehrbringen von Tabak zum Selbstdrehen mit charakteristischen Aromen hat der deutsche Gesetzgeber per se verboten.[23] Die Werbung für Tabakerzeugnisse wurde im Laufe der Jahre ohnehin stark eingeschränkt, inzwischen sind die Tabakwarenhersteller dazu verpflichtet, die Zigarettenverpackungen mit sog. „Schockfotos“ zu versehen.[24] Zuletzt sei mit Koffein als schwache Stimulanz die am häufigsten konsumierte Droge weltweit genannt,[25] welches lediglich der KaffeeV und dem Lebensmittelrecht (LFGB) unterstellt ist.

      6

      Als „Endstation“ verbraucherschützender Gesetze kann man insofern nicht nur Getränke- und Supermärkte sowie Tabakwarenfachgeschäfte ansehen, sondern auch diejenigen Fachmärkte, in denen alle sonstigen legal erhältlichen bzw. überwachten Drogen und Substanzen zum Kauf angeboten werden, nämlich Schönheits- und Wellnessartikel, Heilmittel, biologische Reformprodukte sowie Sachpflegeartikel für Haus und Garten. Die Bezeichnung derartiger Fachmärkte als Drogerien ist also unter Zugrundelegung eines weiten bzw. untechnischen Drogenbegriffs nach wie vor passend. Adressaten der verbraucherschützenden Vorschriften sind nicht die Verbraucher selbst, sondern diejenigen Personen, welche die gegenständlichen Stoffe – meist, aber nicht zwingend gewerbsmäßig – in den Verkehr bringen wollen. Im Verbraucherschutzstrafrecht finden sich daher auch keine Strafvorschriften, die den Konsumenten betreffen (es sei denn dieser beteiligt oder perpetuiert den Verstoß des Unternehmers bzw. des Inverkehrbringenden auf irgendeine Art und Weise). Der Erwerb und Konsum „am Verbraucherschutz vorbei“ ist bei diesen Regelwerken gerade nicht verboten oder gar strafbewehrt, mithin darf der Konsument selbst entscheiden, ob er geprüfte „Qualitätsware“ zu sich nimmt (etwa zugelassene Arzneimittel, zertifizierte Waren etc.) oder die entsprechenden Stoffe – ggf. billiger – vom schwarzen/grauen Markt bezieht.

      7

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