Himmel (jetzt reicht's aber). Andrea Ross
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Название: Himmel (jetzt reicht's aber)

Автор: Andrea Ross

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isbn: 9783967525328

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СКАЧАТЬ Schuhschachteln.

      »Weißt du noch?« Stephen und Belinda tauschten diese und ähnliche Geschichten aus ihren kurzen Begegnungen während der Kindheit aus. Erinnerten sich gemeinsam, wie Belinda beinahe im Gartenteich ertrunken wäre und Stephen sie ein anderes Mal von einem viel zu hohen Baum gerettet hatte. Später rauchten die beiden ihren ersten Joint zusammen hinter einem Gebüsch in einer abgelegenen Ecke des Gartens, während ihre Angehörigen angeregt über das Erbe von Tante Katharina debattierten.

      Irgendwann waren diese netten Anekdoten alle aus der Versenkung des Gedächtnisses geholt und Belinda sinnierte seufzend: »Ja, diese Zeiten blieben leider die weitaus Besseren in meinem Leben. Seither habe ich nicht mehr viel Grund zum Lachen gehabt!« Während Belinda wild gestikulierend die eher unangenehmen Begebenheiten ihres Erwachsenenlebens zum Besten gab, ging der Nachmittag langsam in den Abend über. Wie einst während Stephens Besuch mit Lena stand die Sonne nun tief über der Elbe und tauchte die wenigen verbliebenen Gäste in ein eigentümliches Licht. Nicht rötlich diesmal, noch nicht.

      Als habe sich die Natur seiner an diesem Tag blonden Begleiterin angepasst, wirkten die Sonnenstrahlen heute wie lange Finger aus leuchtendem Gold, die sich in Belindas langem Haar verfingen und es aufleuchten ließen. Stephen fühlte sich unwillkürlich an das Märchen »Rumpelstilzchen« erinnert, in welchem die arme Müllertochter Stroh zu Gold spinnen musste. Belinda erweckte optisch den Eindruck, als trage sie das funkelnde Ergebnis dieser Bemühungen auf dem Kopf.

      Belinda bemerkte, dass Stephen sie fasziniert anstarrte und meinte schelmisch: »Keine Angst, das sieht nur so aus! Ich muss dich enttäuschen, ich trage gar keinen Heiligenschein!« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Verdammt! Ich bin schon wieder spät dran!« Belinda sprang auf und kippte hierbei ihre Kaffeetasse um, in welcher sich noch ein Rest hellbraunen Milchkaffees befunden hatte; dieser hinterließ nun unschöne Flecke auf der Tischplatte. Es kümmerte sie nicht – Belinda hauchte Stephen einen flüchtigen Kuss auf die Wange und schon war sie draußen, glitt in ihr Auto und fuhr mit aufheulendem Motor vom Parkplatz.

      Stephen setzte sich wieder zurück an den Tisch, er wollte in Ruhe seinen Kaffee austrinken und noch ein wenig seinen Gedanken nachhängen. Klar, auch Belinda war seine Halbschwester und sah Lena entfernt ähnlich – doch ansonsten bildete sie wohl eher deren Gegenpol. Sie hatte, gnädig ausgedrückt, eine rechte Sauerei an ihrem Platz hinterlassen und auch ihren Kaugummi einfach in den Aschenbecher gedrückt. Jetzt erst bemerkte Stephen, dass ihr billiges Handy noch auf dem Tisch lag, sie hatte es wohl wegen des fluchtartigen Aufbruchs vergessen. Kopfschüttelnd steckte Steve es ein.

      Belinda. Ob sie wohl wegen Vaters Tod auch heute in komplett schwarzen Klamotten gesteckt hatte? Eher nicht, wenn man ihr belastetes Verhältnis zu ihm bedachte, welches zu seinen Lebzeiten gründlich von seiner Missachtung gegenüber dieser Tochter überschattet gewesen war. Vielleicht war sie auch einfach eine Anhängerin der düsteren Gothic-Bewegung geworden? Egal.

      Stephen zahlte und brach auf. Er wollte im Internet noch so einiges recherchieren und das Treffen mit Belinda ordnungsgemäß auf seiner Yggdrasil-Zeichnung anbringen. Als Symbol für Belinda würde er ein schwarzes Kreuz wählen, das passte zu ihr; schließlich trug sie ein auffälliges Kettchen mit einem Templerkreuz aus schwarzen Glassteinen um den Hals.

      Nach Lena und Yoli war dies die dritte junge Frau, die er einzuzeichnen hatte. Lena war selbstverständlich durch ein rotes Herz dargestellt und die Spanierin Yoli durch einen schwarz-rot-gelb gestreiften Stier. Letztere allerdings nicht auf den neuesten Ästen, die symbolisch für dieses dritte Leben standen, denn da würde er sie nach Lage der Dinge nicht einmal kennen lernen.

      Sollte er auch Kati einzeichnen? Zum Beispiel mit einem kotzgelben T-Shirt als Symbol? Nein, entschied er grinsend innerhalb von Sekunden. Die war nicht wichtig genug und nicht zuletzt wegen ihres fruchtlos verlaufenen Ultimatums sowieso bereits Geschichte.

      * * *

      Hinter einem stattlichen Aktenberg saß der höchst nervöse Volker K. Mühlenstein. Gestern erst war er von einer eilig einberufenen Konferenz unter Vorsitz der LAMANTEC AG aus Frankfurt am Main zurückgekehrt. Die kommissarische Konzernleitung hatte sich mit Vertretern der Großkunden und der in das Unternehmen finanziell involvierten Banken getroffen, um die vorläufigen Pläne nach dem plötzlichen Ableben des Vorstandsvorsitzenden Thomas McLaman zu besprechen.

      Eigentlich war diese Konferenz mehr oder weniger eine Bestandsaufnahme der gegenseitigen Erwartungen geworden, denn Mühlenstein hatte im Grunde nur mit unvollständigen Papieren jongliert und sich notgedrungen in allgemeinen Feststellungen ergangen, konnte nirgends richtig konkret werden. Wie ein Politiker hatte er viel und gleichzeitig nichts gesagt.

      Jetzt erst war vielen so richtig aufgefallen, wie wenig sich die ser Herr McLaman in die Karten hatte sehen lassen. Wie ein Sonnenkönig hatte er die Firma dominiert, auch nach deren Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Immer wieder hatte er Mittel und Wege gefunden, seinen Willen durchzusetzen und den Aktionären seine verschachtelten Methoden zur Konzernführung schmackhaft zu machen. Solange die wiederum Dividenden sahen, hielten sie freiwillig die Füße still.

      Im Laufe der Zeit hatte es so einige Emporkömmlinge gegeben, die ihm in die Suppe spucken wollten. Doch der eigenwillige Konzernchef pflegte stets rechtzeitig an den richtigen Fäden zu ziehen, um diese Bemühungen samt und sonders im Keim zu ersticken. Außerdem gab ihm sein Erfolg Recht – er hatte ein kleines, aufstrebendes Familienunternehmen in einen internationalen Konzern verwandelt, der sich sehen lassen konnte. Waren andere Software-Unternehmen innovativ, so war die LAMANTEC AG in den allermeisten Fällen trotzdem noch eine Nasenlänge voraus. Volker K. Mühlenstein seufzte, rieb sich über die schmerzhaft geröteten Augen. Man hatte sich darauf geeinigt, dass die alles entscheidende Sitzung nächste Woche am Dienstag stattfinden sollte. Die überaus wichtige Sitzung, die ihn entweder in seinem derzeit noch kommissarischen Amt als Nachfolger von Thomas bestätigen sollte, oder eben nicht. Das würde jedoch höchstens dann funktionieren, falls es ihm gelänge, sichere Kompetenz auszustrahlen – und dazu gehörte nun einmal, über alles haarklein Bescheid zu wissen, was sich in dieser Firma tat.

      Genau da lag das Problem und dieses hatte sich leider bereits in Frankfurt offen gezeigt. Wie sollte er einen solchen Kraftakt hinbekommen, wenn er bislang nicht einmal alle Verträge oder sonstigen Papiere aufzufinden in der Lage war? Die lagerten wahrscheinlich allesamt friedlich vereint in diesem verfluchten Safe, den er nicht zu öffnen vermochte.

      Diese Hugler war ihm da auch keine große Hilfe gewesen, ziemlich genau vor einer Stunde hatte er schließlich seine geballte Wut an ihr ausgelassen und sie dermaßen zusammengestaucht, dass sie kreidebleich sein Büro verlassen musste, um erst einmal hastig auf die Damentoilette zu verschwinden.

      »Ist doch wahr!«, rechtfertigte Mühlenstein seinen Ausbruch vor sich selbst, fühlte schon wieder seinen Adrenalinspiegel ansteigen. »Wofür ist die gut, wenn sie als Chefsekretärin nicht einmal die elementarsten Dinge weiß?« So einfach würde er sie nicht davonkommen lassen! Sollte sie sich kurz ausheulen, doch danach erwartete er nicht mehr oder weniger als die Leistung, welche sie nach seinem Verständnis als Chefsekretärin ihrem Posten gemäß zu erbringen hatte. Er hatte einfach keine Lust mehr auf weitere schlaflose Nächte.

      Er benötigte Aufstellungen über die Besitztümer der Firma, sämtliche Verträge zur Durchsicht und exakte Informationen, an welchen Projekten aktuell gearbeitet wurde sowie den jeweiligen Sachstand. Außerdem Kontoauszüge, Personalunterlagen, Inventarund Fuhrparklisten, sowie …!«

      »Herr Mühlenstein, darf ich Sie einen Moment stören?« Schüchtern steckte eine Angestellte ihren Kopf durch den Türspalt. Diese graue Maus kannte Volker Mühlenstein nicht, also konnte sie keine wirklich wichtige Position im Unternehmen bekleiden. Der Angesprochene fuhr genervt aus seinen Überlegungen hoch, fixierte die Unglückliche mit einem vernichtenden Blick. СКАЧАТЬ