Himmel (jetzt reicht's aber). Andrea Ross
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Название: Himmel (jetzt reicht's aber)

Автор: Andrea Ross

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isbn: 9783967525328

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СКАЧАТЬ und Kati samt deren Eskapaden wortreich gegen seine Mutter verteidigt.

      »Geht es dir besser? Dann komm doch bitte mit nach unten, lass mich mit diesen Hyänen nicht alleine. Ich fühle mich so verloren zwischen all den vielen Leuten«, bat seine Mutter.

      Stephen verstand nicht. »Wieso Hyänen? Hat Vater wieder einmal seine dubiosen Geschäftsfreunde eingeladen? Soll er sich doch selber um die kümmern! Diese geschniegelten Blender kann außer ihm sowieso keiner von uns ausstehen, stimmt’s?«, versuchte er zu scherzen.

      Einen Augenblick später tat ihm die Bemerkung bereits leid, denn sie schien seine Mutter ungewohnt stark zu deprimieren. Was war nur mit ihr los? Sie wirkte heute derart blass, dass man nicht einmal die Sommersprossen deutlich sehen konnte. Selbst das feuerrote Haar schien an Farbe verloren zu haben.

      »Da hast du nicht Unrecht, auch wenn es gerade jetzt nicht an der Zeit ist, blöde Witze zu reißen! Aber so wie es aussieht, könnten wir schon sehr bald von genau diesen Leuten finanziell total abhängig sein«, seufzte Kirstie. »Kommst du jetzt mit mir hinunter oder nicht?«

      Was meinte sie bloß? Kopfschüttelnd klappte er das Notebook zu und setzte sich in Bewegung. »Klar. Schon unterwegs.«

      Kirstie, die bereits zur Tür hinaus war, blieb plötzlich stehen und drehte sich zu ihrem Sohn um. »Aber bitte nicht in diesem Aufzug, Stephen! Zieh dir schnell etwas Schwarzes an, so viel Respekt hat er zumindest sogar von dir verdient. Tu es und komm nach.« Mit diesen Worten ließ sie ihn alleine.

      Jetzt dämmerte ihm ein furchtbarer Gedanke. Der Anblick seiner Mutter … schwarze Klamotten … Gäste, die keiner haben will … die nebulösen Äußerungen … ach, du lieber Himmel! Stephen klappte das Notebook wieder auf und rief mit fliegenden Fingern die Online-Ausgabe der Tageszeitung auf. Die Seite mit den Todesanzeigen.

      »Harmstetter … König … Schumacher … Andersen … Scheiße!« Nicht, dass letzteres als Name in der Zeitung gestanden wäre. Stephen hatte seiner Befürchtung gemäß schlicht und einfach festgestellt, dass sein Vater vor vier Tagen einem Herzinfarkt erlegen war. Er fühlte schlagartig nahezu alle Energie aus seinem Körper schwinden, als müsse ihn auf der Stelle dasselbe Schicksal ereilen. Seine Gedanken überschlugen sich in einem wilden Reigen des totalen Chaos.

      Vater TOT? Was wollte ihm die himmlische Zentrale der Macht eigentlich noch alles zumuten?

      Den Rest dieser makabren »Feier«, im Volksmund »Leichenschmaus« genannt, ertrug Stephen nur unter Aufbietung sämtlicher Kräfte. Seiner Mutter zuliebe. Doch als die letzten Gäste sich schließlich verabschiedeten, stahl er sich wie ein Dieb zum Gartentürchen hinaus. Er musste unbedingt kurz alleine sein und einigermaßen brauchbare Gedanken aus dem Eintopf des Wahnsinns extrahieren, welcher sein Gehirn immer mehr zu verkleben drohte.

      »State Of Doom« nannte er jene bittere Verzweiflung, die klare Gedanken so überaus effektiv vereiteln konnte; leider hatte er sich in diesem »State« schon öfters befunden, fast fühlte er sich darin zu Hause. Wie sollte er nun weitergehen, sein dritter Versuch eines Erwachsenenlebens? Stephen nährte den unangenehmen Verdacht, dass dieses letzte Bonusleben noch weitaus schwieriger auszufallen drohte als seine Vorgänger. Was schon so begann – wie würde das wohl enden?

      Er hatte in seinem Schockzustand gar nicht bemerkt, dass jemand ihm heimlich folgte.

      * * *

      Die junge Frau, die Stephen in einigem Abstand verfolgte, wusste nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. Sie hatte ihren Halbbruder schon seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen und er wirkte gerade so sehr in seine düsteren Gedanken versunken, dass sie ihn eigentlich gar nicht stören wollte. Andererseits hatte sie ihn von jeher gut leiden können, er zählte zu den sehr erträglichen Teilen ihrer merkwürdigen Familie. Was längst nicht für alle Mitglieder galt.

      Sie sah auf die Uhr. Verflixt, schon in einer Stunde würde sie ihren kleinen Sohn bei der Nachbarin abholen müssen! Versprochen ist versprochen. Also blieb nichts anderes übrig. Sie ging schneller, um Stephen einzuholen. Dieser war inzwischen am Elbuferweg angekommen und blieb kurz stehen, um auf die Elbe hinaus zu sehen und tief Luft zu holen. Dann setzte er sich auf eine Bank, stützte seinen Kopf in beide Hände, als wiege er eine Tonne. Jetzt oder nie!

      »Hey, Stevie! Entschuldige bitte, dass ich dich hier so einfach überfalle – aber vorhin warst du viel zu belagert, um in Ruhe mit dir sprechen zu können. Ich hoffe, du erkennst mich noch. Ich bin es, Belinda!«

      Stephen hob den Kopf, sah seiner Halbschwester aus Vaters erster Ehe ungläubig ins Gesicht. »Belinda? He, ich dachte, du seist in Amerika drüben? Bist du vielleicht extra wegen der Beerdigung über den großen Teich eingeflogen?«

      Belindas Gesicht verdüsterte sich. »Nein, ich habe nur eine Zeit lang drüben gewohnt. Bis mich dieser … dieser … abserviert hat. Du weißt, der Vater von Dennis. Dann stand ich plötzlich mit dem Kind alleine da, ohne Job und ohne alles. Mein lieber Herr Lebensgefährte hat sich abgesetzt, einfach so« – sie vollführte eine entsprechende Handbewegung – »wie das Würstchen vom Kraut! Na, und da es in USA kein Melderecht wie in Deutschland gibt, war er eben einfach nicht mehr auffindbar. Fort, weg, verschwunden. Ich weiß ja, ihr hattet mich gewarnt. Doch ich wollte damals vor lauter Verliebtheit nicht sehen, was das von Anfang an für ein verantwortungsloser Volldepp gewesen ist«, erzählte Belinda in ihrer erfrischenden, wenn auch etwas schnoddrigen Art.

      »Ach so? Das hat mir niemand erzählt. Ich dachte nur, dass du noch drüben bist, weil ich dich nirgends mehr getroffen habe, auf keinem der üblichen Familientreffen. Da hatte ich dich jedes Mal schmerzlich vermisst, ohne dich waren diese Events ganz schön langweilig. Du kannst dich sicher erinnern, oder?«

      Jetzt gelang Stephen sogar ein verhaltenes Lächeln. Er mochte Belinda und war froh, dass genau sie es war, die ihn aus seinen Gedanken gerissen hatte. Vater hatte sich kurz nach ihrer Geburt von seiner damaligen Frau scheiden lassen und drei Jahre später seine Sekretärin geheiratet, seine eigene Mutter Kirstie. Acht Monate nach der Hochzeit brachte diese ihn, Stephen, zur Welt. Also musste Belinda heute 28 Jahre alt sein. Vater hatte sich leider nie für die verlassene Tochter interessiert und in der logischen Folge diese auch nicht für ihn.

      Belinda erriet seine Gedanken. »Ich hing nicht sehr an dem Alten, wie du dir vorstellen kannst! Der war auch nicht gerade ein Muster an Fürsorge, außer einem monatlichen Geldbetrag haben ich oder meine Mutter nach der Trennung von ihm nichts mehr zu erwarten gehabt. Ach, Schwamm drüber. Heute wollte ich im Grunde nur sicher gehen, dass er seine gerechte Strafe erhalten hat! Wie meine liebe Familie über mich hergezogen ist, als ich Dennis erwartete, ist dir sicher noch im Gedächtnis. Dich und deine Mutter mal ausgenommen.«

      »Ja, leider. Aber das ist jetzt alles Schnee von gestern. Gut siehst du aus, wie geht es dir denn?« Stephen musterte seine Halbschwester und stellte fest, dass sie genauso hübsch wie früher aussah. Er musste an Lena denken, seine andere Halbschwester mit dem rotblonden Haar. Schon fühlte er wieder die Stiche in der Herzgegend, die ihm leider vertraut waren. Er konzentrierte sich schnell wieder auf Belinda, bevor ihn die traurigen Gedanken an Lena allzu sehr übermannen konnten.

      Belinda sah Lena entfernt ähnlich. Beide hatten Vaters Augenfarbe und die Form der Nase geerbt. Während sich in Lenas Blond viele rote Farbreflexe mischten, war Belindas Haar von einem hellen, warmen Goldton. Auch sie trug es lang, beide Frauen waren in etwa gleich groß und von ähnlicher Statur. Trotzdem mutete Belindas Erscheinung etwas derber, grober an. Vielleicht lag das an ihren Bewegungen, die nicht ganz so gemessen und feenhaft wirkten wie Lenas; Belinda gestikulierte gerne wild, um ihre Worte zu untermalen. Sie musste ja auch mit beiden Beinen fest im Leben stehen, schon wegen ihres kleinen Sohnes, da blieb vermutlich nicht viel Zeit für Träumereien.

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