Himmel (jetzt reicht's aber). Andrea Ross
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Название: Himmel (jetzt reicht's aber)

Автор: Andrea Ross

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isbn: 9783967525328

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      Er sah seiner Mutter fest in die Augen. »Simon ist recht gut und ein netter Kerl obendrein. Aber er ist nicht innovativ genug, nicht wirklich brillant. Da die Verträge noch nicht unterzeichnet sind, können wir ihn immer noch als gewöhnlichen Programmierer ohne Aufstiegsoption einstellen, meinetwegen auch zur Koordination der einzelnen Programmbestandteile bei den Projekten. Aber die Leitung des Unternehmens und den Überblick darüber möchte ich mir selbst vorbehalten! Bitte vertrau mir; ich bin sicher, dass die Firma nahtlos weiterlaufen sowie sogar ihren Umsatz steigern wird.«

      Kirstie war schlichtweg baff. »Du kennst Simon? Woher hast du denn Informationen über seine Qualifikation? Und wieso glaubst du, dass du die Firma im Griff hättest? Du weißt, wir haben einen Aufsichtsrat. Das ist eine Schlangengrube, vielen war Thomas schon lange ein Dorn im Auge, sie kamen nur nicht gegen ihn an. Wie könntest DU dich da behaupten?«

      Wie sollte er seiner Mutter nun das wieder erklären, ohne ausgiebig über seine Erfahrungen aus den Vorleben berichten zu müssen?

      Er verfügte als Programmierer über mindestens 60 Jahre Berufserfahrung aus zwei Karrieren und obendrein über Kenntnisse, die Innovationen bis 2029 beinhalteten. Im letzten Leben hatte er sich sogar die Firmenleitung mit Vater geteilt, dieser war für Finanzen und PR zuständig gewesen, er selbst für die technische Seite der Medaille. Simon war beim ersten Mal sein Chef gewesen, beim zweiten Mal ein einfacher Programmierer.

      In nur scheinbar gelassenem Ton bat Stephen daher Kirstie: »Lass uns das in Ruhe angehen, Mama. Morgen gehe ich erst einmal ins Büro, die Lage checken. Ich schau mal, ob ich die Kombination für den Safe herausbekomme, da drin sind die Quellcodes und die wichtigsten Papiere aufbewahrt. Ich unterhalte mich zunächst mit Vaters Sekretärin, die wird hoffentlich auch so einiges wissen. Danach sehen wir weiter, okay? Vielleicht kann ich durch Kompetenz überzeugen.«

      Kirstie stimmte halbherzig zu, was sollte sie auch anderes tun? Allerdings machte sie sich schon ein paar Sorgen, als sie ihren Sohn beobachtete, wie er zurück ins Haus schlenderte. Sah er wie ein angehender Firmenchef aus, wie ein Aufsichtsratsvorsitzender? Eindeutig nein.

      * * *

      An diesem ersten Tag seines dritten Lebens ereilte Stephen die zweifelhafte Freude, im Zimmer seiner Jugendzeit zu Bett gehen zu dürfen. Es fühlte sich seltsam an, von heute auf morgen wieder jung zu sein, genauer gesagt 25 Jahre jünger als zum Zeitpunkt seiner Erschießung auf dem Hamburger Flughafen.

      Tagsüber hatten sich die turbulenten Ereignisse überschlagen, er war jeweils nur aus aktuellen Situationen heraus zum Nachdenken und Handeln gezwungen gewesen. Erst dieses makabre TrauerEvent nach Vaters Beerdigung, dann das Wiedersehen mit Belinda

      … bislang hatte er sich weder ausreichend mit sich selbst, noch mit seiner neuen Situation befassen können. Geschweige denn mit der Frage, welche grobe Planung er für den Beginn seiner neuen und allerletzten Chance als am sinnvollsten erachtete. Nicht dass er womöglich gleich wieder seine Weichen in die falsche Richtung stellte.

      Stephens Blick fiel auf seine CD-Sammlung, die reichlich chaotisch geordnet auf dem Regal neben seinem Bett residierte. Spontan griff er nach einer Scheibe von AC/DC, ließ den Song »Highway To Hell« abspielen; der dünkte ihm irgendwie passend. Als er nun hellwach auf seinem, nach wie vor, unordentlichen Bett lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, wurde ihm langsam die Tragweite der vielen Geschehnisse des heutigen Tages bewusst. So kurz erst war er im Leben zurück; und so viel hatte sich schon verändert, ohne dass er irgendetwas davon hätte maßgeblich beeinflussen können.

      Nach dem eher unerfreulichen Gespräch mit seiner Mutter hatte sich Stephen zwecks Recherchen noch einmal ans Notebook gesetzt und eine weitere Mail von Kati gefunden. Sie klagte ihn darin wortreich an, sie ständig zu ignorieren und stellte ihm ein freches Ultimatum. Falls er sich bis zur genannten Uhrzeit nicht bei ihr gemeldet habe, sei es aus und vorbei, und zwar für immer und ewig.

      »Sei’s drum!« Steve löschte die Mail. »Wenn DU wüsstest, wie lange du für mich schon abgemeldet bist«, grummelte Stephen grimmig. Er mochte Frauen grundsätzlich nicht leiden, die ihn dauernd unter Druck setzen wollten. Außerdem reagierte seine Seele nicht im Geringsten beim Lesen des Namens »Kati«.

      Als Nächstes fand er eine Mitteilung unter der Rubrik »Wissenschaft«, die erst um 23 Uhr eingestellt worden war. Stephen hatte seit einiger Zeit diese Sparte aus den brandneuen Nachrichten auf der Startseite seines Internet-Explorers abonniert und saß jetzt mit weit aufgerissenen Augen stocksteif vor dem Rechner. Ein Adrenalinschub der Sonderklasse war ihm vom Kopf bis zu den Zehenspitzen durch den Körper geschossen.

      Na klar! Deshalb also kam ihm das heutige Datum von Anfang an so bekannt vor! Nun brauchte er sich wenigstens nicht mehr das Gehirn zu zermartern, weshalb ihm dieses irgendwie bedeutungsvoll erschien – es war exakt jener Tag, an welchem dieser verfluchte Komet Apophis zum allerersten Mal von Wissenschaftlern einer Sternwarte in Arizona gesichtet worden war. In den Monaten vor dem errechneten Einschlag 2029 war dieses Entdeckungsdatum immer wieder durch die Presse gegeistert; als Beginn des Countdowns für das himmlische Planeten-Billard. Verdammt!

      Damit stand wohl gleichzeitig fest, dass er von dieser unheilvollen Problematik auch in seiner neuen Existenz nicht befreit bleiben würde. Entmutigt ließ er sich auf sein Bett fallen, das war in etwa vor drei Stunden gewesen. Seither kam er aus dem Schwarzmalen und Sinnieren nicht mehr heraus.

      Stephen fand sich damit ab, dass an Schlaf mit Sicherheit weiterhin nicht zu denken war. Es gab Wichtigeres. Er schälte sich aus den Kissen und setzte sich zurück an den Schreibtisch, zog ein DIN A 3-Papier aus der Schublade, denn ihm war ein Einfall gekommen. Warum zeichnete er nicht einfach diesen Lebensbaum Yggdrasil schematisch auf, mit allen wichtigen Ereignissen aus seinen verschiedenen Lebenswegen? Damit er nichts übersah? Richtig. Und er würde drei verschiedene Farben benutzen, wegen der Verwechslungsgefahr. Man konnte dann auf Anhieb erkennen, welches Ereignis in welches Leben gehörte, wo Überschneidungen sichtbar wurden.

      Zunächst schrieb Stephen die einzelnen Begebenheiten in der jeweiligen Farbe auf ein Extrablatt. Danach wollte er sie auf dem Baum anordnen, um zu sehen, an welcher Stelle er jeweils eine andere Abzweigung genommen hatte, die dann in neue Richtungen führte. Offensichtlich gleich zweimal in die Falsche.

      »Mercedes wäre stolz auf mich, wenn sie das sehen könnte!«, murmelte Stephen, während er konzentriert seine Aufzeichnungen begann. Als Ziel malte er ein Strichmännchen, das eine Chipkarte bei der Himmelspforte in einen Schlitz steckte und grünes Licht zum Eintritt angezeigt bekam. Mit 25 Jahren war Stephen McLaman eben immer noch ein unverbesserlicher Scherzkeks gewesen.

      Zwei Stunden später, als er endlich befriedigt in sein Bett zurückkehrte, waren ihm beim Anblick seiner Zeichnung ganz von selbst mehrere Thesen in den Sinn gekommen:

      Er durfte sich in keiner Weise mehr in puncto Weltuntergang oder dessen Abwendung engagieren, auch nicht bei seiner künftigen Tochter, dem Messias es war besser, die geschäftlichen Bemühungen der LAMANTEC AG aus diesem Themenkomplex total herauszuhalten, sich hier nirgends hineinzusteigern; vor allem: Kein Spiel namens »Die Ikarus-Matrix« zu kreieren Lena musste er zwar beschützen, doch durfte er dennoch nicht allzu krampfhaft versuchen, sie wieder zu seiner Frau zu machen; damit hatte er ihr im letzten Leben definitiv keinen Gefallen getan Er konnte es sich sparen, nach Spanien auszuwandern. Er war dort sowieso nie besonders erfolgreich gewesen und wollte überdies Yolandas Leben keinesfalls gefährden.

      Im Grunde musste er nur eines tun – gar nichts, außer später vielleicht auf Lena und seine Tochter ein wenig zu achten. Aus einer gewissen Entfernung heraus, mehr gleich einem wachsamen Schatten. Wenn er dann neue Ereignisse immer zeitnah an der richtigen Stelle in seine Zeichnung integrierte, konnte er wahrscheinlich besser СКАЧАТЬ