Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke. Edgar Allan Poe
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Читать онлайн книгу Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke - Edgar Allan Poe страница 36

Название: Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke

Автор: Edgar Allan Poe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783746750125

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СКАЧАТЬ Gott! Was denken Sie denn! Diese Dame, meine liebe alte Freundin Frau Joyeuse, ist so gesund wie ich. Gewiß, sie hat ihre kleinen Eigenheiten – aber, Sie wissen ja: alle alten Frauen – alle sehr alten Frauen sind mehr oder weniger sonderbar!«

      »Gewiß,« sagte ich – »gewiß – und die andern Herren und Damen hier –«

      »Sind meine Freunde und Beamten,« fiel mir Herr Maillard ins Wort und richtete sich abweisend in die Höhe – »meine besten Freunde und Gehilfen.«

      »Wie, allesamt?« fragte ich, »die Frauen und alle die übrigen?«

      »Allerdings,« sagte er – »wir könnten ohne die Frauen gar nicht auskommen; sie sind die besten Irrenwärterinnen, die es gibt; sie haben so ihre eigene Weise, wissen Sie; ihre strahlenden Blicke haben eine ganz besondere Wirkung – so ähnlich wie der Zauber der Schlange, verstehen Sie.«

      »Gewiß,« sagte ich – »ganz gewiß! Aber sie benehmen sich ein wenig sonderbar, wie? – Sie sind nicht so ganz richtig, wie? – Meinen Sie nicht?«

      »Sonderbar! – Nicht ganz richtig! – Ist das Ihr Ernst? Gewiß, wir hier im Süden sind nicht sehr zimperlich – lassen uns ein wenig gehen – genießen das Leben, wissen Sie ...«

      »Gewiß,« sagte ich; »gewiß!«

      »Und dann ist vielleicht der Wein, der Clos de Vougeot, ein wenig schwer, wissen Sie – ein wenig stark – verstehen Sie, eh?«

      »Gewiß,« sagte ich; »gewiß! Beiläufig gesagt, mein Herr, ist meine Annahme richtig, daß Sie sagten, statt des berühmten Besänftigungs-Systems hätten Sie nun ein System rücksichtsloser Strenge eingeführt?«

      »Keineswegs. Die Kranken befinden sich zwar in strengem Gewahrsam, aber die Behandlung – die ärztliche Behandlung, meine ich – ist geradezu eine angenehme.«

      »Und das neue System ist Ihre eigene Erfindung?«

      »Nicht ganz. Zum Teil geht es auf Dr. Teer zurück, von dem Sie sicher gehört haben; andrerseits habe ich aber Modifikationen eingeführt, die, wie ich mit Vergnügen feststelle, von dem berühmten Professor Feder stammen, mit dem Sie, wenn ich mich recht erinnere, die Ehre haben, näher bekannt zu sein.«

      »Ich muß leider bekennen,« erwiderte ich, »daß ich bisher nicht einmal den Namen eines der Herren gehört habe.«

      »Gütiger Himmel!« rief mein Wirt, schob seinen Stuhl zurück und erhob die Arme zum Himmel. »Ich habe mich wohl verhört! Wie? Sie wollen doch nicht sagen, Sie hatten von dem bekannten Dr. Teer und dem berühmten Professor Feder nie gehört

      »So ist es, wie ich beschämt gestehe«, entgegnete ich. »Aber Wahrheit ist die Hauptsache! Und ich bin tief unglücklich, mit den Werken dieser zweifellos hervorragenden Männer nicht vertraut zu sein. Ich werde das aber sogleich nachholen und ihre Schriften sorgsam durcharbeiten. Herr Maillard, Sie haben mich – ich muß es bekennen – Sie haben mich wirklich tief beschämt.«

      Und das war Tatsache.

      »Nichts mehr davon, lieber junger Freund,« sagte er liebenswürdig und drückte mir die Hand – »trinken wir ein Glas Sauterne miteinander.«

      Wir tranken. Die Gesellschaft tat ein Gleiches: alle tranken maßlos. Sie schwatzten – scherzten – lachten – verübten tausend Tollheiten. Die Fiedeln kreischten, die Trommel dröhnte, die Blasinstrumente gellten und bellten – und die ganze, durch die Wirkung des Alkohols immer wüster werdende Szene artete aus in höllische Raserei. Herr Maillard und ich, einige Flaschen Sauterne und Clos Vougeot vor uns, setzten indessen mit aller Kraft unserer Lungen die Unterhaltung fort. Ein mit normaler Stimme gesprochenes Wort hatte nicht mehr Aussicht, vernommen zu werden, als die Stimme eines Fisches vom Grunde der Niagara-Fälle.

      »Sie erwähnten vor Tisch«, brüllte ich ihm ins Ohr, »die Gefahren, welche das alte Besänftigungs-System mit sich brachte. Würden Sie mir darüber Aufschluß geben?«

      »Ja«, erwiderte er. »Es hat gelegentlich große Gefahren. Die Launen Wahnsinniger sind unberechenbar, und sowohl ich als auch Dr. Teer und Professor Feder sind der Ansicht, daß es niemals ratsam ist, sie unbewacht herumgehen zu lassen. Ein Irrer mag für einige Zeit ›besänftigt‹ werden, wie man so sagt, im Grunde aber ist er immer geneigt, in Tobsucht auszubrechen. Seine Verschlagenheit ist groß, ja sprichwörtlich. Wenn er einen Plan hat, so verbirgt er seine Absicht mit bewunderungswürdiger Schlauheit, und die Gewandtheit, mit der er ein Geheiltsein vortäuscht, bietet den Psychiatern eines der seltsamsten Probleme. In der Tat: wenn ein Geisteskranker vollkommen gesund erscheint, ist es hohe Zeit, ihn in die Zwangsjacke zu stecken.«

      »Aber die Gefahr, mein lieber Herr – von der Sie sprachen, sie als Leiter der Anstalt aus eigener Erfahrung kennengelernt zu haben – war es irgendein praktischer Fall, der Sie dahin brachte, die Freiheit eines Geisteskranken für gefährlich zu halten?«

      »Hier? – Aus eigener Erfahrung? – Ja, allerdings! Vor gar nicht langer Zeit ereignete sich hier im Hause ein eigentümlicher Fall. Das ›Besänftigungs-System‹ war damals noch in Anwendung, und die Kranken gingen frei umher. Sie betrugen sich gut, ausnehmend gut – ein kluger Mann hätte gerade daraus den Schluß ziehen müssen, daß irgendein teuflischer Anschlag geplant war. Und natürlich, eines schönen Morgens sahen sich die Wärter an Händen und Füßen gebunden und in die Zellen geworfen, wo sie von den Geisteskranken, die sich das Amt der Wärter angemaßt hatten, bewacht wurden, als seien sie die Kranken.«

      »Nicht möglich! Nie im Leben hab' ich etwas so Tolles gehört!«

      »Tatsache! – Alles war das Werk eines kühnen Dummkopfs – eines Wahnsinnigen –, der es sich irgendwie in den Kopf gesetzt hatte, ein besseres System zur Behandlung Geisteskranker gefunden zu haben, als je dagewesen war. Er wollte vermutlich einen Versuch damit machen und überredete die andern Kranken zu einer Verschwörung gegen die herrschende Gewalt.«

      »Und er hatte Erfolg?«

      »Vollständig! Wärter und Kranke mußten ihre Rollen vertauschen. Das stimmt allerdings nicht ganz, denn die Irren waren frei gewesen, die Wärter aber wurden von nun ab in Zellen gesperrt und – leider, muß ich sagen – sehr unhöflich behandelt.«

      »Doch ich vermute, daß bald eine Gegenrevolution eintrat? Jener Zustand kann nicht lange gedauert haben. Die Landleute aus der Nachbarschaft – Besucher der Anstalt – würden Alarm geschlagen haben.«

      »Da irren Sie. Der Rädelsführer war viel zu schlau. Er ließ keine Besucher ein – mit Ausnahme eines einzigen, sehr einfältig aussehenden jungen Mannes, den er nicht zu fürchten brauchte. Er ließ ihn ein, sich die Anstalt zu besehen – ließ ihn ein, aus Spaß – der Abwechslung halber. Und als er ihm dann genug weisgemacht hatte, ließ er ihn wieder hinaus und schickte ihn weiter.«

      »Und wie lange regierten die Irrsinnigen?«

      »O, lange Zeit – wenigstens einen Monat –; wieviel länger, kann ich nicht genau sagen. Sie hatten eine gute Zeit, die Wahnsinnigen – das können Sie mir glauben! Sie legten ihre eigenen schäbigen Kleider ab und schmückten sich mit den Gewändern und Juwelen der Familie des Anstaltsleiters. In den Kellereien des Schlosses lag ein großer Weinvorrat; und diese Tollen sind gerade die Rechten zum Saufen. Sie lebten gut, sag' ich Ihnen!«

      »Und die Behandlung – welcher Art war die Behandlung, die der Rädelsführer den Gefangenen angedeihen СКАЧАТЬ