Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke. Edgar Allan Poe
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Название: Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke

Автор: Edgar Allan Poe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783746750125

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СКАЧАТЬ Gegenstand zu Gegenstand und blieb nirgends haften – weder auf den Grotesken griechischer Maler noch den Skulpturen aus Italiens größten Tagen noch den rohen Schnitzereien des unkultivierten Ägypten. Überall im Zimmer hingen kostbare Draperien und zitterten unter dem Hauch einer leisen schwermütigen Musik, von der man nicht wußte, woher sie kam. Mannigfache und unvereinbare Düfte, die aus seltsam geformten Räucherbecken zugleich mit zahllosen leckenden, flackernden Zungen grünlichen und violetten Lichtes aufstiegen, legten sich schwer auf die Sinne. Die Strahlen der Morgensonne strömten herein auf das Ganze – herein durch Fenster, deren jedes einzelne aus einer einzigen Scheibe karminroten Glases bestand. In tausend Reflexen sich spiegelnd tanzten diese natürlichen Strahlen über die schweren Draperien, die wie Katarakte flüssigen Silbers aus ihren Nischen quollen, mischten sich schließlich mit dem künstlichen Licht und wogten in gedämpften Massen über einen Teppich, der aussah wie flüssiges Gold.

      »Hahaha – hahaha!« lachte der Herr des Hauses, als er mich zu einem Sitz geleitete und sich dann der Länge nach auf ein Ruhebett warf. »Ich sehe«, sagte er, da er bemerkte, daß ich mich in diesen eigenartigen Empfang nicht recht zu finden vermochte – »ich sehe, Sie sind verwundert über meine Wohnung, meine Statuen, meine Bilder – meinen sonderbaren Geschmack in Einrichtung und Ausschmückung! Vollkommen berauscht von meiner Prachtentfaltung, wie? Doch verzeihen Sie, mein lieber Freund (hier wurde seine Stimme die Herzlichkeit selbst), verzeihen Sie mir mein ungezogenes Lachen. Sie sehen so furchtbar erstaunt aus! Übrigens sind manche Dinge wirklich so spaßhaft, daß man lachen muß – oder sterben. Lachend zu sterben muß der herrlichste aller herrlichen Tode sein! Sir Thomas More – welch ein feiner Geist war Sir Thomas More –, Sir Thomas More starb lachend, wie Sie wissen. Und in den ›Absurditäten‹ des Ravisius Textor findet sich eine lange Liste von Leuten, die ein solch köstliches Ende nahmen. – Wissen Sie übrigens«, fuhr er nachdenklich fort, »daß in Sparta, dem jetzigen Palaeochori, in Sparta, sage ich, im Westen der Zitadelle inmitten eines Chaos kaum erkennbarer Ruinen eine Art Sockel steht, auf dem noch die Lettern ΛΑΞΜ lesbar sind. Zweifellos sind sie ein Teil des Wortes ΓΕΛΑΞΜΑ. Nun gibt es in Sparta wohl tausend Tempel und Altäre für tausend verschiedene Gottheiten. Wie äußerst seltsam, daß der Altar des Lachens alle anderen überdauert hat! Doch gegenwärtig«, sprach er in ganz an derem Tonfall weiter, »habe ich kein Recht, mich auf Ihre Kosten lustig zu machen. Sie konnten allerdings verblüfft sein. Europa kann nicht zum zweitenmal so Herrliches hervorbringen wie dies mein königliches Gemach. Meine anderen Räume sind keineswegs gleichartig – entsprechen durchaus der modernen Abgeschmacktheit. Dies hier ist besser als das ›Moderne‹ nicht wahr? Dennoch würde sich so leicht kein zweiter Mensch von Vermögen finden, der es liebte und verstände, mir es nachzumachen. Ich hüte aber auch den Raum vor jeder Profanierung. Mit einer einzigen Ausnahme sind Sie, abgesehen von mir und meinem Kammerdiener, das einzige menschliche Wesen, das ihn betreten hat, seitdem er so geschmückt ist, wie Sie ihn sehen.«

      Ich verneigte mich dankend, denn der überwältigende Eindruck von Pracht und Duft und Musik zusammen mit der eigenartigen Begrüßung benahmen mir die Worte für eine Empfindung, die ich vielleicht zu einem Kompliment hätte formen können.

      »Hier«, begann er wieder, indem er aufsprang, mich beim Arm nahm und mit mir die Runde durchs Zimmer machte, »hier sind Gemälde von den Griechen bis Cimabue, und von Cimabue bis zur Gegenwart. Gar manche sind, wie Sie sehen, ohne Rücksicht auf herrschende Sittenbegriffe ausgewählt. Sie geben jedoch alle den passenden Hintergrund für ein Zim mer wie dieses. Hier sind auch Meisterwerke unbekannter Größen, und hier unfertige Entwürfe von Leuten, die zu ihrer Zeit berühmt gewesen, Entwürfe, die der Scharfblick der Akademien der Vergessenheit und mir anheimfallen ließ. Was halten Sie«, fragte er und wandte sich ganz plötzlich einem Bilde zu, »was halten Sie von dieser Madonna della Pietà?«

      »Sie ist ein echter Guido«, sagte ich mit all der Begeisterung, deren ich fähig bin, denn ich hatte ihre unvergleichliche Lieblichkeit beseligt in mich aufgenommen. »Ein echter Guido! – Wie konnten Sie nur dazu kommen? Sie ist unbedingt das in der Malerei, was die Venus in der Skulptur ist.«

      »Oh«, sagte er gedankenvoll, »die Venus – die schöne Venus? Die Venus von Medici? – Die mit dem kleinen Kopf und dem goldenen Haar? Ein Teil des linken Armes (hier ließ er die Stimme sinken, so daß man ihn kaum verstand) und der ganze rechte sind spätere Ersatzstücke; und in der Koketterie jenes rechten Armes liegt, finde ich, die Quintessenz aller Ziererei. Gebt mir den Canova! Der Apollo – auch er ist eine Kopie – da kann kein Zweifel sein – blinder Narr, der ich bin, daß ich die viel gerühmte Offenbarung in dem Apollo nicht finden kann! Ich kann mir nicht helfen, ich muß dem Antonius den Vorzug geben. War es nicht Sokrates, der sagte, der Bildhauer habe sein Bildwerk schon im rohen Marmorblock er blickt? Dann wären also Michelangelos Zeilen keineswegs Original:

      Non ha l'ottimo artista alcun concetto Che un marmo solo in se non circonscriva.«

      Es ist – oder sollte doch oft bemerkt worden sein, daß das Gebaren eines Edelmenschen sich von dem der anderen sehr unterscheidet, ohne daß man doch genau feststellen könnte, worin der Unterschied besteht. Konnte ich diese Beobachtung im weitesten Maße auf meines Freundes äußeres Benehmen anwenden, so auch, wie ich an diesem ereignisreichen Morgen spürte, auf seine geistigen Eigenschaften. Auch kann ich die besondere Geistesart, die ihn so wesentlich über alle anderen Menschen hinaushob, nur als eine Gewohnheit zu eingehender, immerwährender Betrachtung kennzeichnen, die sein alltägliches Tun durchdrang, seine tändelnden Stunden belebte und selbst die Minuten der Heiterkeit durchwob – gleich den Nattern, die sich aus den Augenhöhlen der grinsenden Masken am Kranzgesims der Tempel von Persepolis herauswinden.

      Ich konnte aber nicht umhin, aus der halb leichtfertigen, halb feierlichen Art, mit der er eigentlich unwichtige Dinge umständlich abhandelte, eine zitternde Angst, oder besser eine nervöse Inbrunst herauszufühlen – eine Erregtheit im Tun und Reden, die mir unerklärlich schien und mich mehrfach stark beunruhigte. Öfter hielt er auch mitten in einem Satze inne, dessen Anfang er anscheinend vergessen, und lauschte voll tiefer Andacht vor sich hin, so als erwarte er einen ersehnten Besuch, oder als horche er auf Klänge, die wohl allein in seiner Einbildung ertönen mußten.

      Während einer seiner derartigen Träumereien blätterte ich in Polizians, des Dichters und Gelehrten köstlicher Tragödie ›Orpheus‹ – der ersten echt italienischen Tragödie –, die neben mir auf einer Ottomane lag. Gegen Ende des dritten Aktes fand ich eine mit Bleistift unterstrichene Stelle; es war eine Stelle voll herzbewegender Gewalt – eine Stelle so voll tiefer Wollust, daß kein Mann sie lesen könnte ohne einen Schauer unerhörter Erregung, kein Weib ohne einen Seufzer. Die ganze Seite war mit frischen Tränen getränkt, und auf dem daneben eingehefteten Blatt standen in englischer Sprache und in einer Handschrift, in der ich nur mit einiger Mühe die charakteristische Schrift meines Freundes erkennen konnte, folgende Verse:

      Du warst für mich all dieses, Lieb, Was Seele füllt und Sein, Warst Inselgrün im Meere, Lieb, Springbrunn und Altarstein Voll Frucht- und Blumenwunder, Lieb, Und all das Blühn war mein!

      O Traum, dem Sterben kam! O Sternenhoffen, dessen Licht Sturmwolke mir benahm! Ein Rufen aus der Zukunft spricht: »Voran! Voran!« – Doch Gram Um das, was war, nimmt Zuversicht, Macht müd und flügellahm.

      Denn weh! des Lebens warmer Glanz Erstrahlt für mich nicht mehr! Die Woge raunt im Brandungstanz Zum Strand: nie mehr, nie mehr Wird wundgeschoßne Schwinge ganz, Dürr bleibt und blätterleer Der Baum, dem Blitz zerschlug den Kranz!

      Und Tag ist Traum, der zu dir wacht, Und Nacht ist Traum und leitet Hin, wo dein dunkles Auge lacht Und wo dein Fuß hinschreitet, Der in ätherischen Tänzen sacht – Auf welchen Sternen gleitet?

      O schwarzer Tag – o Wogenbrand, СКАЧАТЬ