Название: Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke
Автор: Edgar Allan Poe
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783746750125
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»Herr des Himmels!« schrie ich auf, »die Wahnsinnigen sind ausgebrochen!«
»Ich fürchte sehr, daß es so ist«, sagte Herr Maillard, der furchtbar blaß wurde. Er hatte kaum ausgesprochen, als man unter den Fenstern laute Rufe und Verwünschungen hörte; und gleich darauf stellte es sich heraus, daß man von draußen versuchte, in den Saal einzudringen. Hammerschläge sausten gegen die Tür, und auch die Fensterladen wurden mit aller Kraft bearbeitet.
Eine entsetzliche Verwirrung war die Folge. Herr Maillard kroch zu meiner höchsten Verwunderung unter den Servierschrank. Ich hätte von ihm mehr Entschlossenheit erwartet. Die Mitglieder des Orchesters, die während der letzten Viertelstunde anscheinend zu betrunken gewesen waren, um ihren Pflichten nachzukommen, sprangen nun alle auf einmal zu ihren Instrumenten, kletterten auf ihren Tisch und brachen in den »Yankee Doodle« aus, den sie, wenn auch nicht ganz im Takt, doch mit übermenschlicher Energie während des ganzen Aufruhrs wieder und wieder spielten.
Den Speisetisch mit seinen zahllosen Flaschen und Gläsern hatte inzwischen jener Herr erklommen, den man vorher so schwer von diesem Tun zurückhalten konnte. Kaum hatte er oben Fuß gefaßt, so begann er eine Rede, die zweifellos glänzend war, wenn man sie nur hätte verstehen können. Gleichzeitig begann der Mann mit der Kreiselmanie sich mit Kraft und Ausdauer durchs Zimmer zu drehen; seine Arme hatte er in rechtem Winkel von sich gestreckt, so daß er wirklich wie ein Kreisel aussah und jeden niederwarf, der ihm in den Weg kam. Plötzlich hörte ich ein seltsames Knallen und Sprudeln wie von einer Sektflasche und entdeckte schließlich, daß es von jenem Manne herrührte, der vorhin bei Tisch die Sektflasche nachgeahmt hatte; und der Froschmensch quakte, als hinge sein Seelenheil an jedem Ton, den er zum besten gab. Und über das alles erhob sich das laute I-ah eines Esels. Was meine alte Freundin, Frau Joyeuse, anlangte, so hätte ich aus Mitgefühl fast Tränen vergossen, so furchtbar erschrocken schien sie. Alles, was sie jedoch tat, war, daß sie sich beim Kamin in einen Winkel stellte und ununterbrochen mit kreischender Stimme Ki-keri-ki-i rief.
Und nun kam der Höhepunkt, die Katastrophe des Dramas. Da den Leuten draußen kein anderer Widerstand als Schreien und Quaken und Krähen entgegengesetzt wurde, so waren die zehn Fenster sehr rasch und fast gleichzeitig eingeschlagen. Nie werde ich das Staunen und Entsetzen vergessen, mit dem ich diese Wesen anstarrte, die da durch die Fenster sprangen und sich stampfend und heulend und schlagend und kratzend unter uns stürzten. Sie glichen einem Heer von Schimpansen, Orang-Utans oder schwarzen Pavianen vom Kap der guten Hoffnung.
Ich bekam einen furchtbaren Hieb, der mich unter das Sofa beförderte. Dort lag ich wohl fünfzehn Minuten und horchte angespannt auf die Vorgänge im Saal und fand schließlich die Lösung der Tragödie. Herr Maillard, der mir die Geschichte von dem Wahnsinnigen erzählte, der seine Genossen zur Rebellion verleitete, hatte nichts als seine eigenen Taten berichtet. Dieser Herr war tatsächlich vor zwei oder drei Jahren Leiter der Anstalt gewesen, wurde aber selbst verrückt und also den Kranken eingereiht. Diese Tatsache war meinem Reisegefährten, der mich hier einführte, unbekannt gewesen. Die Wärter, zehn an der Zahl, waren plötzlich überwältigt worden; dann hatte man sie mit Teer bestrichen, in Federn gewälzt und in unterirdische Zellen eingesperrt.
Mehr als einen Monat waren sie so gefangen gehalten worden, während welcher Zeit Herr Maillard ihnen großmütigerweise nicht nur Teer und Federn (die sein »System« ausmachten), sondern auch etwas Brot und viel Wasser zukommen ließ. Mit letzterem wurden sie täglich übergossen. Einer von ihnen, der durch einen Abzugskanal entkommen war, befreite dann die andern.
Das »Besänftigungs-System« ist, mit bedeutenden Einschränkungen, im Schlosse wieder aufgenommen worden; dennoch muß ich Herrn Maillard zustimmen, daß seine eigene »Behandlungsmethode« in ihrer Art ganz hervorragend war. Wie er richtig bemerkte, war sie »einfach und klar und machte gar keine Umstände – durchaus keine«.
Ich habe nur hinzuzufügen, daß ich alle Buchhandlungen Europas nach den Werken des Dr. Teer und des Prof. Feder abgesucht habe, daß aber bis auf den heutigen Tag meine Bemühungen vergeblich waren.
Das unvergleichliche Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall
Als Herrscher über das wilde Heer
Ungezügelter Phantasien,
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Tom O'Bedlams Sang
Den neuesten Berichten aus Rotterdam zufolge scheinen die Gelehrten dieser Stadt sich in höchster Aufregung zu befinden. In der Tat haben sich dort so völlig unerwartete Phänomene gezeigt – so unerhört neue, allen bisherigen Anschauungen aufs äußerste zuwiderlaufende Dinge –, daß zweifelsohne binnen kurzem ganz Europa in hellem Aufruhr lodern, die Physik einer Umwälzung verfallen und der gesunde Menschenverstand und die Astronomie sich in die Haare geraten werden.
Es begab sich, daß am ... (ich weiß das Datum nicht genau) sich eine ungeheure Menschenmenge aus nicht ersichtlichen Gründen auf dem großen Börsenplatz in der wohlhabenden Stadt Rotterdam versammelt hatte. Es war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich warmer Tag – kaum ein Lüftchen rührte sich, und die Menge empfand es nicht unangenehm, ab und zu von kurzen Regenschauern besprüht zu werden, die aus gewaltigen, über den blauen Himmelsbogen verteilten weißen Wolkenballen niederstürzten. Gegen Mittag machte sich eine schwache, aber unverkennbare Unruhe unter den Versammelten bemerkbar; es folgte ein Geplapper von zehntausend Mäulern, und einen Augenblick später waren zehntausend Köpfe zum Himmel gereckt, zehntausend Pfeifen fielen gleichzeitig aus zehntausend Mundwinkeln, und ein Geschrei, das nur mit dem Getöse des Niagara verglichen werden kann, erscholl lang, laut und ungestüm durch die Stadt und die ganze Umgebung von Rotterdam.
Die Ursache des Tumults wurde bald offenbar. Hinter der riesigen Masse eines der bereits erwähnten scharf umrissenen Wolkenberge schob sich langsam in den blauen Raum heraus ein rätselhafter, untrüglich aber massiver Gegenstand von so sonderbarer Form, so wunderlich zusammengesetzt, daß der Haufe behäbiger Bürger, die offenen Mundes drunten standen, nicht das geringste davon begriff und das Ding nicht genug bestaunen konnte. Was mochte das sein? Bei allen Teufeln Rotterdams, was mochte das sein und bedeuten? Keiner wußte es, keiner konnte es sich denken; keiner – nicht einmal der Bürgermeister Mynheer Superbus van Underduk – wußte den Schlüssel zu diesem Geheimnis zu finden. Da man also nichts Vernünftigeres tun konnte, schoben alle wie ein Mann die Pfeife in den Mundwinkel zurück, und – immer das Wunder im Auge behaltend – paffte man, hielt inne, watschelte umher und grunzte bedeutsam – watschelte zurück, grunzte, machte eine Pause und – paffte schließlich weiter.
Inzwischen aber näherte sich der Gegenstand so unermeßlicher Neugier und die Ursache so zahlloser Pfeifenwölkchen langsam der guten Stadt und kam schließlich nahe genug, um deutlich erkannt zu werden. Es schien – ja, es war zweifellos eine Art Ballon; sicher aber hatte man solch einen Ballon nie vorher in Rotterdam gesehen. Denn wer, frage ich, hätte je von einem Ballon gehört, der vollständig aus schmutzigem Zeitungspapier hergestellt war? Niemand in ganz Holland, sicherlich! Hier aber schwebte solch ein unglaubliches Ding den Leuten vor der Nase – oder richtiger, in einiger Entfernung über ihrer Nase – hier sah man so etwas, und es war, wie ich aus sicherster Quelle weiß, wahrhaftig aus dem genannten Material hergestellt, von dessen Verwendung zu einem solchen Zweck vordem noch kein Mensch etwas gehört hatte. – Es war eine unerhörte Herausforderung für den Verstand der СКАЧАТЬ