Название: Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke
Автор: Edgar Allan Poe
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783746750125
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Nach ungefähr vierundeinerhalben Stunde schien mir der Ballon genügend gefüllt. Ich befestigte daher an ihm die Gondel und lud alle meine Geräte hinein: ein Teleskop, ein Barometer mit einigen besonderen Vorrichtungen, ein Thermometer, ein Elektrometer, einen Kompaß, eine Magnetnadel, einen Sekundenzeiger, ein Sprachrohr und so weiter – auch eine luftleere und sorgsam mit einem Korken verschlossene Glaskugel; nicht zu vergessen den Kondensationsapparat, etwas ungelöschten Kalk, eine Stange Siegellack, einen reichlichen Wasservorrat und eine große Menge Proviant, wie zum Beispiel Preßfleisch, von dem schon eine verhältnismäßig geringe und wenig Raum beanspruchende Menge einen bedeutenden Nährwert darstellt. Auch brachte ich ein Taubenpärchen und eine Katze in der Gondel unter.
Es war nun fast Tagesanbruch und daher hohe Zeit zur Abfahrt. Ich ließ wie zufällig eine brennende Zigarre zu Boden fallen, und während ich mich danach bückte, benutzte ich die Gelegenheit, heimlich die Zündschnur in Brand zu setzen, deren Ende, wie ich vorhin erwähnte, ein wenig unter dem unteren Rand eines der kleinen Fässer hervorsah. Dieser Vorgang blieb von meinen drei Bedrängern völlig unbemerkt; ich sprang in die Gondel, zerschnitt rasch das einzige Seil, das mich am Boden hielt, und sah erfreut, daß ich mit unerhörter Schnelligkeit aufwärts sauste und mit Leichtigkeit den hundertfünfzigpfündigen Ballast mitführte; ich hätte das doppelte Gewicht emportragen können. Als ich die Erde verließ, zeigte das Barometer dreißig Zoll und das hundertgradige Thermometer neunzehn Grad.
Kaum hatte ich jedoch eine Höhe von fünfzig Ellen erreicht, als krachend und heulend ein fürchterlicher, wirbelnder Orkan von Feuer, Kies, brennendem Holz, glühendem Metall und zerstückelten Gliedmaßen hinter mir herjagte, daß mir das Herz im Leibe zitterte und ich in schauderndem Entsetzen auf den Boden der Gondel niederfiel. Ja, ich merkte nun, daß ich die Sache völlig übertrieben hatte und daß die Hauptfolgen der Explosion erst noch kommen würden. Es war auch noch keine Sekunde vergangen, als ich alles Blut zu den Schläfen strömen fühlte, und gleich darauf wurde die Nacht von einer Erschütterung zerrissen, als solle das Firmament auseinanderbersten.
Als ich später Zeit zur Überlegung fand, verfehlte ich nicht, die außerordentliche Heftigkeit der Explosion, soweit ich selbst darunter zu leiden hatte, dem wahren Grund, nämlich dem Umstand zuzuschreiben, daß ich mich genau senkrecht über der Sprengstelle befand, also in der Linie der stärksten Wirkung. Damals aber dachte ich an nichts anderes als an die Rettung meines Lebens. Der Ballon klappte zuerst zusammen, dehnte sich dann gewaltig aus, wirbelte mit sinnverwirrender Schnelligkeit im Kreise herum und schwankte und taumelte derart, daß ich über den Rand der Gondel geschleudert wurde, wobei ich an einem Seilende von etwa drei Fuß Länge, das zufällig durch ein Loch im Weidenkorb heraushing und in dessen Schlinge mein rechter Fuß sich beim Sturz glücklicherweise verwickelte, in erschreckender Höhe mit dem Kopf nach unten hängen blieb. Es ist unmöglich – vollständig unmöglich –, eine auch nur annähernde Vorstellung von meiner grauenvollen Lage zu geben. Ich rang krampfhaft nach Atem – ein Schauer wie von Fieberfrost durchrann jeden Nerv und Muskel – ich fühlte, wie mir die Augen aus den Höhlen traten – fürchterliche Übelkeit erfaßte mich – und schließlich verlor ich in einer Ohnmacht alle Besinnung.
Wie lange ich in diesem Zustand blieb, ist unmöglich zu sagen. Es muß jedoch beträchtlich lange gewesen sein, denn als ich allmählich wieder etwas zur Besinnung kam, war es bereits hell, der Ballon schwebte in gewaltiger Höhe über einer Meereswüste, und weit und breit bis an den fernen Horizont ließ sich nicht eine Spur von Land sehen. Ich empfand aber bei dieser Entdeckung durchaus nicht das Entsetzen, das man erwarten sollte. Ja, die ruhigen Betrachtungen, die ich über meine Lage anzustellen begann, hatten etwas von Irrsinn. Ich hob meine Hände, eine nach der andern, nahe an die Augen und fragte mich verwundert, woher das kommen könne, daß die Adern so geschwollen und die Fingernägel so schwarz waren. Ich untersuchte gründlich meinen Kopf, indem ich ihn wiederholt schüttelte und eingehend abtastete, und ich kam zu der befriedigenden Überzeugung, daß er nicht, wie ich beinahe angenommen hatte, größer als mein Ballon war. Dann griff ich nach alter Gewohnheit in meine Hosentaschen, und als ich darin mein kleines Notizbuch und das Zahnstocherdöschen vermißte, versuchte ich, eine Erklärung für ihr Verschwinden zu finden, und fühlte mich unsäglich bekümmert, als mir das nicht gelingen wollte. Jetzt geschah es, daß ich in meinem rechten Fußgelenk ein großes Unbehagen spürte, und ein schwaches Bewußtsein meiner Lage dämmerte in mir auf. Doch, sonderbar! Ich war weder erstaunt noch entsetzt. Wenn ich überhaupt eine Gemütsregung empfand, war es nur eine kichernde Befriedigung über die Geschicklichkeit, die ich nunmehr entfalten würde, um mich aus der Schwierigkeit zu befreien, und nicht einen Augenblick zog ich in Zweifel, daß ich mich schließlich in Sicherheit bringen könne.
Einige Minuten verharrte ich in tiefem Sinnen. Ich erinnere mich deutlich, daß ich verschiedentlich die Lippen aufeinanderpreßte, den Zeigefinger an die Nase legte und sonstige Gebärden und Grimassen machte, wie das Leute tun, die, behaglich im Armstuhl liegend, über verwickelte oder wichtige Dinge nachdenken. Als ich, wie ich vermeinte, meine Gedanken genügend gesammelt hatte, brachte ich mit großer Vorsicht und Bedachtsamkeit die Hände auf den Rücken und machte die große Stahlschnalle los, die zu dem Gurtband meiner Hosen gehörte. Diese Schnalle hatte drei Zähne, die sich, da sie etwas rostig waren, nur schwer im Scharnier bewegen ließen. Mit einiger Mühe brachte ich sie in einen rechten Winkel zur Schnalle und war froh, daß sie in dieser Stellung verblieben. Das so erhaltene Instrument mit den Zähnen haltend, begann ich nun meine Halsschleife aufzubinden. Ich mußte öfters ausruhen, ehe ich damit fertig werden konnte; endlich aber war es gelungen. Am einen Ende der Halsbinde befestigte ich nun die Schnalle, und das andere Ende band ich, der größeren Sicherheit wegen, um mein Handgelenk. Indem ich nun mit ungeheurer Muskelkraft meinen Körper nach oben schnellte, gelang es mir beim allerersten Versuch, die Schnalle gegen die Gondel zu schleudern, wo sie sich, wie ich erwartet hatte, in den Rand des Weidenkorbgeflechts einhakte.
Mein Körper neigte sich nun seitwärts zur Gondel in einem Winkel von fünfundvierzig Grad; man darf aber nicht annehmen, daß ich mich darum nur fünfundvierzig Grad unter der Senkrechten befunden hätte. Weit entfernt davon, lag ich noch immer fast wagerecht, in gleicher Linie mit der Ebene des Horizonts; denn meine eigene veränderte Lage hatte den Boden der Gondel beträchtlich von mir fortgestemmt, was naturgemäß eine außerordentliche Gefahr bildete. Man muß jedoch bedenken, daß – wäre ich beim Herausstürzen so gefallen, daß mein Gesicht nach innen geblickt hätte statt nach außen, wie es der Fall war, oder hätte zweitens das Seil, an dem ich hing, über dem oberen Rand gelegen, statt aus einer Lücke am Boden herauszukommen – ich meine, man kann leicht begreifen, daß es mir in jedem dieser angenommenen Fälle nicht einmal möglich gewesen wäre, so viel zu erreichen, als mir bis jetzt gelungen war, und die hier gegebenen Enthüllungen würden für die Nachwelt verloren gewesen sein. Ich hatte daher allen Grund, dankbar zu sein, war aber tatsächlich zu benommen, um überhaupt etwas zu empfinden. Vielleicht eine Viertelstunde verbrachte ich in der neuen, ungewöhnlichen Lage, und ohne die geringste weitere Anstrengung zu machen, gab ich mich einer geradezu idiotischen Zufriedenheit hin. Dieses Gefühl wich dann aber dem einer grauenhaften СКАЧАТЬ