Название: Weihnacht von Karl May
Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742752215
isbn:
gesehen zu haben. Ich fügte hinzu:
»Weißt du, Carpio, wenn jemand nicht bei seinem Familien- sondern bei seinem Vornamen
genannt und dieser letztere sogar in der Koseform, nicht Franz sondern Franzl gebraucht wird,
so ist mit Sicherheit anzunehmen, daß er ein sogenannter guter Kerl ist. So stelle ich mir den
Wirt vor, und als einen solchen guten Kerl müssen wir ihn behandeln, ihm dabei aber auch ein
bißchen imponieren.«
»Imponieren? Womit? Lateinisch oder griechisch reden?«
»Nein; das würde ihn abstoßen, weil er es wahrscheinlich nicht versteht. Er scheint ein
Lebemann zu sein; da müssen wir, so was man sagt, jovial auftreten, so thun, als ob wir
seinesgleichen und schon längst mit ihm bekannt seien. Und was das Imponieren betrifft, so –
– ah, da denke ich an das, was mir der »Alte« sagte, nämlich daß es mir keine Mühe macht,
stundenlang in Reimen zu reden. Du bist ja auch nicht auf den Kopf gefallen und hast mir
schon öfters mit ganz passablen Knüppelversen geantwortet. Wollen wir diesen Franzl mit
Reimen anulken?«
»Der Gedanke ist nicht schlecht; ich werde mein möglichstes thun. Aber wenn er es sich nun
nicht gefallen läßt?«
»Da halten wir inne und werden rasch vernünftig. Also los! Wir scheinen hier am Ziele zu
sein.«
Der Gendarm hatte uns durch einige Gassen geführt und lenkte nun zu einem Einkehrhause,
zu dessen Thür einige Stufen emporführten. Das Gebäude machte mit der Umgebung, die zu
ihm gehörte, einen stattlichen Eindruck. Wir schritten die Stufen hinan und kamen in einen
nach Stallduft riechenden Flur, wo der Polizist eine Thür öffnete, einen forschenden Blick in
die Gaststube warf und dann heiteren Tones rief:
»Grüß Gott, Franzl! Da bin ich schon wieder und bring famose Gäste mit.«
»Wen denn?« fragte eine fette Stimme.
»Zwei Studenten aus Bayern oder anderswo, die für die Nacht gern ein warmes Nest haben
möchten.«
»Studenten? Halloh, herein mit ihnen! Für solche Herrschaften habe ich soviel Nester, wie sie
sich nur wünschen können. Ubi bene, ibi patria!«
Wir traten in die Stube, die ziemlich groß aber niedrig war. Links stand eine Frau beim
Butterfaß. Sie hatte »gebuttert« und war nun beschäftigt, die Buttermilch – meine Wonne! –
durch ein Seihtuch zu gießen. Das war die Wirtin. Rechts von der Thür saßen einige Männer
gewöhnlichen Schlages beim billigen böhmischen Schankbier. Aber der Thür gegenüber gab
es einen großen runden Tisch, an welchem einige Personen, denen man die Honoratioren
ansah, Platz genommen hatten. Einer von ihnen war aufgestanden und sah uns erwartungsvoll
entgegen. Ich konnte gar nicht bezweifeln, daß er der Franzl war. Ja, er mußte vor Jahren ein
fescher Bursche gewesen sein; noch jetzt trug er sein glänzend eingefettetes dunkles Haar in
verlockend gelegte Ringel. Eine blütenweiße Schürze bedeckte den Schmeerbauch; über dem
Latze derselben thronte eine sanft quatschelige Unterkehle, die in ein glattrasiertes, volles und
rotwangiges Gesicht überging, in welchem wohlwollende Heiterkeit ihren Wohnsitz
aufgeschlagen hatte. Als der Blick der freundlichen Augen kurz auf uns geruht hatte, kam der
Mann vollends hinter dem Tische hervor, streckte uns die Hand zum Gruße entgegen und
sagte:
»Ja, man sieht es der ganzen, vornehmen Haltung an, daß Sie Studenten, wirkliche, echte
Studenten sind. Seien Sie uns willkommen; setzen Sie sich hier bei uns an diesem Tische
nieder, und sagen Sie, wozu Sie Appetit haben!«
Ich schüttelte ihm die Hand und antwortete unverzüglich mit dem ernstesten Gesichte der
Welt:
»Ich bitte, nicht verkehrt zu fragen – – und will die Wahrheit Ihnen sagen: – – Wir haben, wie
ein jeder sieht – – nicht Appe- sondern Trinketit!«
Der liebe Franzl fuhr zwei Schritte zurück, riß die Augen weit auf und fragte ganz erstaunt:
»Wie – – wa – – was? Appe – – Trinke – – tit – – tit – –? Sie meinen, daß Sie nicht essen
sondern trinken wollen? Gut! Was darf ich bringen?«
»Es läuft aus diesem großen Faß – – hervor ein delikates Naß, – – das in der Stadt und auf
dem Land – – als Buttermilch ist weltbekannt; – – wir wollen weder Bier noch Wein; – –
schenkt uns davon zwei Gläser ein!«
»Faß – – – Naß – – – Land – – – Kanne – – – Wein – – – ein – – –? Hören Sie, sagen Sie: Sie
sind wohl gar ein Dichter, ein wirklicher, unzweifelhafter, ausgebildeter Dichter?!«
»Ich bin ein Dichter, aber nicht – – für jeden mach ich ein Gedicht, – – doch unsers guten
Franzls wegen – – kann man sich schon aufs Dichten legen, – – denn er ist ein gar kluger
Mann, – – der diese Kunst begreifen kann; – – drum gebt das Glas mit Milch jetzt her; – – auf
Franzls Wohl trink ich es leer!«
Zu meiner Freude fiel Carpio auch schnell ein:
»Auch ich trink bis zum Boden aus, – – zum Gruß dem Wirt und seinem Haus, – – und thu
ich das um seinetwillen, – – so mag er es auch wieder füllen!«
Wir tranken aus und gaben ihm die Gläser zurück. Er schien das große Glück, unsere
Bekanntschaft machen zu dürfen, immer noch nicht ganz begreifen zu wollen; dann aber warf