Название: Weihnacht von Karl May
Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742752215
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aber auch ein gradezu großartiger Aufwand von Scharfsinn und Unternehmungsgeist dazu,
die Kursverwickelungen zu durchschauen und jede Chance augenblicklich zu benutzen. Wir
sind z.B. in strömendem Regen stundenweit von Sachsen hinüber nach Böhmen oder in
umgekehrter Richtung gerannt, um uns für fünfzig Kreuzer Pfennige oder für fünfzig
Pfennige Kreuzer geben zu lassen. Der Profit wurde in Powidl, sauren Gurken oder andern
nahrhaften Dingen angelegt, und reichte er nicht aus, so war das Kapital ja auch nur da, um
nach und nach verbraucht zu werden. Auf diese Weise kam man im Zickzack zwischen
Sachsen und Böhmen herüber und hinüber immer vorwärts, hatte geistige und geschäftliche
Anregung in Menge, triumphierte über alle Kurse der Erde und fühlte eine wahre
Protzenseligkeit, weil man alle Tage von früh bis zum Abende mit Geld nur so um sich warf,
was man dann nach den Ferien leider nicht mehr konnte. Wir haben da köstliche Zeiten
verlebt, in denen uns kein Talken und kein Zwetschgenbrötchen zu teuer war, die Bauerngüter
gar nicht mitgerechnet, in denen man umsonst mit essen und soviel Milch trinken durfte, daß
die Kuh hätte brummen mögen!
Im Winter, wo der Schnee da oben im Gebirge zuweilen haushoch liegt, war es freilich
schwieriger, dem Kurs hinüber und herüber nachzusteigen; aber wir hatten uns, wie man
weiß, mit ganz beträchtlichen Mitteln versehen und konnten nun auch einmal als Kapitalisten
reisen, denen der Kurs von Zeit zu Zeit mal Schnuppe ist.
Ausgerüstet waren wir in jeder Weise so vorzüglich, daß wir sofort eine Besteigung des
Montblanc hätten vornehmen können, ohne etwas zu vermissen. Regenschirme gab es
natürlich nicht; das wäre unmännlich gewesen, Spazierstöcke auch nicht; unsere Wanderstäbe
wuchsen, ihrer Erlösung harrend, in irgend einem Busche. Überröcke? Pfui! Wir waren
deutsche Jünglinge! Handschuhe? Wenn der Mensch welche tragen sollte, wäre er mit
Handschuhen geschaffen worden. Irgend welches Pelzwerk? Nein; das ist für Eskimos da,
aber nicht für einen Carpio und seinen fünf Thaler schweren Freund! Aber eine
gemeinschaftliche Zeichenmappe hatten wir uns aus fünf Bogen Konzeptpapier
zusammengeheftet; Carpio trug sie in einem alten, verwaisten Fernrohrfutterale auf dem
Rücken. Es ist leider nichts hineingekommen, denn stets wenn wir einen des Kopierens
werten Gegenstand fanden, waren unsere Finger vor Kälte so steif, daß wir den Bleistift nicht
regieren konnten. Ich hatte eine Botanisiertrommel umhängen, aber natürlich nicht zum
Botanisieren oder Pilzesuchen jetzt im Winter; sie enthielt unser ganzes Reisegepäck nebst
allen Toilettenartikeln, welche für uns auszudenken waren; ich werde mich hüten, sie zu
verraten! Viele Nummern aber waren es nicht! Zwei Landkarten hatte Carpio auch besorgt,
eine von Sachsen und eine von Böhmen, weil wir doch zwischen beiden lust- und
schneewandeln wollten; aber schon am ersten Tage stellte es sich heraus, daß sie, wie er
behauptete, von seiner Schwester verwechselt worden waren; die eine war von Schweden und
Norwegen, die andere von Algier, Tunis und Tripolis. Wir beschlossen einstimmig, sie nicht
wegzuwerfen, sondern für spätere Reisen nach diesen Ländern aufzubewahren. Auch
Nähzeug war da. Man braucht das auf Reisen, der abgerissenen Knöpfe wegen; aber was eine
Häkelnadel dabei wollte, das war mir ein Rätsel.
Mit Cigarren waren wir sehr gut versehen. Jeder hatte zwei Stück à drei Pfennige. Sie waren
nur für ganz besonders festliche Gelegenheiten bestimmt, und wir faßten den kühnen Plan, sie
nicht zu verzollen, sondern nach Österreich einzuschmuggeln. Wir steckten sie also in die
Stiefelschäfte. Als wir sie am Abende hervorholen wollten, waren sie zu Mehl zerrieben; sic
transit gloria mundi!
Die übrigen Ausrüstungsgegenstände waren mehr intimer Natur, je nach den individuellen
Passionen des Besitzers: Bindfaden, Feuerschwamm; ein Eissporn Carpios, zum
abwechselnden Gebrauch für beide Beine; ein Fläschchen Fischthran als Stiefelschmiere; er,
oder vielmehr seine Schwester wieder, hatte aber Terpentin erwischt; ein Brennglas, welches
ein Erbstück von seinem Großoheim war. Als ich ihn fragte, zu was es jetzt im Winter dienen
solle, warf er alle meine Kenntnisse durch die herablassende Bemerkung über den Haufen,
daß man im Winter ebenso wie im Sommer den Meridian von Komotau berechnen könne.
Noch andere Dinge anzuführen, würde indiskret sein. Höchstens darf ich noch erwähnen, daß
Carpio ein hölzernes Sicherheitsschloß eigener Erfindung bei sich trug. Es sollte zur
Sicherstellung unsers Lebens und mehr noch unserer Kapitalien dienen, falls wir gezwungen
sein sollten, in einem fragwürdigen Hause zu übernachten. Als er es gleich im ersten Quartier
an die Thür befestigen wollte, hatte er, oder vielmehr seine Schwester, wie er behauptete, die
dazu nötigen vier Schrauben daheim gelassen.
Es muß gesagt werden, daß unser Rendezvous das Städtchen Rehau in Oberfranken war. Von
da wanderten wir, die vier Cigarren schmuggelnd, nach Asch, und dann ging es auf Eger zu.
Mit dieser für unsere Finanzen ganz bedeutenden Großstadt konnten wir uns nicht abgeben,
wanderten also hindurch und noch einige Kilometer weit nach Tirschnitz, wo wir nach
langem, anstrengendem Marsche abends spät und ermüdet ankamen. Wir zahlten jeder ein
Bier, für zwanzig Kreuzer Kartoffeln mit Quark und ließen uns dann unsern Schlafsalon