Weihnacht von Karl May. Karl May
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Название: Weihnacht von Karl May

Автор: Karl May

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742752215

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СКАЧАТЬ der Komposition sind Sie; es fehlt Ihnen die hohe Schule; Sie kennen Ihr Pferd nicht und auch

       nicht die verschiedenen Hilfen, die Sie ihm geben müssen. So etwas will nicht nur angeboren,

       sondern auch gepflegt und geübt sein. Ein geübter Reiter der hohen Schule würde Ihre

       Motette ganz anders ein- und zugeritten haben. Verstehen Sie mich?«

       »Ja, Herr Kantor. Ich sitze zu steif im Sattel und habe zwar körperliche aber nicht auch

       geistige Fühlung mit dem Pferde.«

       »So ist es; ja, so ist es ganz genau! Darum habe ich, wie Sie später wohl merken werden,

       einigen Ihrer steifen Figuren mehr Gewandtheit verliehen. Sie werden mir das, wenn Sie die

       Motette erst singen hören, nicht übelnehmen, zumal ich Ihnen von Ihren fünfundzwanzig

       Thalern nicht einen einzigen dafür in Abzug bringe.«

       Der liebe, alte Herr sagte das mit seinem hübschen, herzgewinnenden Lächeln; dann fügte er

       hinzu, indem er mir die Hand zum Abschiede reichte:

       »Ich würde Ihnen, dem armen Teufel, den Unterricht gern umsonst erteilen, aber Sie wissen

       ja, daß ich das bei meinen Gehaltsverhältnissen nicht kann. Sie werden das überstehen und

       vielleicht einst wohlhabender werden, als ich bin. Denken Sie dann an Ihren alten Kantor, der

       Ihrer ersten Motette auf die Beine geholfen hat. Nehmen Sie das Leben auch fernerhin so

       ernst wie jetzt, und nun für heut, leben Sie wohl!«

       Dieser brave Kantor, der mir stets mit gleichem Wohlwollen entgegenkam, gehört zu

       denjenigen Personen, denen ich noch jetzt, nach langen Jahren, eine unverminderte

       Dankbarkeit widme. Man wird später erkennen, warum ich diese freundliche Scene von ihm

       erzählt und dabei keinen Namen genannt habe. Er war ein Ehren- und humaner Mann,

       verlegte aber seine Welt nur in das kleine Notenzimmer, weil er auf Familienglück hatte

       verzichten müssen. Man kannte seine Frau als arge Xantippe, die, wie man sich erzählte, den

       einzigen Sohn, den sie besaßen, durch ihre Härte nach Amerika getrieben hatte. –

       Ich war also im Besitze von fünfundfünfzig Thalern; damals welch ein großartiger Reichtum

       für mich! Es war mir zu viel; ich war ja gesund und konnte arbeiten. Dreißig schickte ich

       meinen armen Eltern; zwanzig legte ich für unvorhergesehene Bedürfnisse zurück, und fünf

       bestimmte ich zu einer Weihnachtsreise, auf welcher ich mich ausnahmsweise einmal recht

       splendid behandeln wollte. Fünf harte Thaler zu einer Reise von höchstens einer Woche, die

       konnten ja gar nicht alle werden! Noch mehr als zwanzig Groschen pro Tag, das mußte ja das

       reine Schlaraffenleben werden! Ich munkelte sogar ganz heimlich schon davon, natürlich zu

       mir selbst, daß ich mir unter Umständen eine halbe Flasche Wein, natürlich so billig und aber

       auch so gut wie möglich, gestatten werde. Welche Sorte ich wohl wählen und wie hoch im

       Preis ich gehen dürfe, das beschäftigte mich sehr lebhaft täglich in der halben Viertelstunde,

       welche dem Einschlafen voranzugehen pflegte! Du glückliche Zeit, wie lange bist du vorüber

       und niemals, niemals zurückgekehrt!

       Der Kantor machte sein Versprechen wahr; die Motette wurde eingeübt und Krüger mußte das

       dreistimmige Solo mitsingen, wofür er mich mit einem Haß bedachte, der mir manchen Ärger

       bereitete.

       Dann erschien mein Weihnachtsgedicht; jeder Mitschüler wollte es haben; die betreffende

       Nummer des Blattes wurde infolgedessen in vielen Exemplaren von unserer Buchhandlung

       bezogen, und als nachher das allmonatliche Freideklamieren stattfand, so genannt, weil jeder

       sein Gedicht sich selbst wählen konnte, leiteten alle meine dreiundzwanzig Klassengefährten

       ihre rhetorischen Produktionen folgendermaßen ein: »Weihnacht, Gedicht von Karl May«. Ich

       war der einzige, welcher einem sogenannten Klassiker die Ehre erwies, auch mit genannt zu

       werden. Es wurde Mode, mein Gedicht im Notizbuch überall mit herumzutragen, um es bei

       jeder unpassenden Gelegenheit hervorzunehmen, und ich hatte das zweifelhafte Glück, noch

       monatelang mit Fragen bestürmt zu werden, warum ich grad diese und nicht jene Wendung

       gebraucht oder grad diesen und keinen anderen Reim gewählt habe. Es wurden Verse über

       Verse geschmiedet, bis die ganze Lehrerschaft sich endlich über die »Katheten und

       Moneten«, »Verbalien und Australien«, »Romulus und Fidibus«, »Multiplikant und Elefant«

       so erbost fühlte, daß unter dem Vorsitze des bereits genannten »Alten« beschlossen wurde,

       gegen diesen Unfug ohne Nachsicht vorzugehen. Die nun folgenden Verweise und anderen

       Strafen erreichten zwar ihren Zweck, hatten aber leider für mich die Folge, daß ich, der vorher

       so Vielumworbene, nun wie eine Selters- unter lauter Champagnerflaschen gemieden wurde,

       was den ebenso wohlbegründeten wie unerschütterlichen Vorsatz in mir wachrief, meine

       etwaigen Gedichte auf alle Fälle erst nach meinem Tode erscheinen zu lassen. Daß ich diesem

       Entschlusse bis auf einige wenige Ausnahmen treu geblieben bin, macht mich gewiß des

       Dankes der Mit- aber wohl schwerlich der Bewunderung der Nachwelt wert!

       Was die oben erwähnte Weihnachtsreise betrifft, so pflegte ich in allen Ferien eine längere

       Fußwanderung vorzunehmen. Ich lag zufolge meiner Neigung, meiner Zukunftspläne und aus

       noch anderen Ursachen mehr über den Büchern als meine Mitschüler und mußte mich darum

       von Zeit zu Zeit einmal tüchtig körperlich ausarbeiten, was durch eine weite Gehtour am

       besten geschehen konnte. Dabei schloß sich mir meist ein mir sehr sympathischer Mitschüler

       an, der, wenn auch nicht so arm wie ich, aber doch ebenfalls zur Sparsamkeit veranlaßt war.

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