Berliner Miniaturen. Attila Schauschitz
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Название: Berliner Miniaturen

Автор: Attila Schauschitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783844295528

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СКАЧАТЬ gezeichnet. Er bestimmte die Breite der Straßen und die Höhe der Häuser. In die Zukunft konnte er nicht sehen, und irgendwie hat er es doch getan. Infolge seiner Geräumigkeit ist Berlin die einzige mitteleuropäische Stadt, die auch 150 Jahre später dem Sturm von Autos standhält.

      In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts war das traditionelle Stadtbild Westberlins von einer Zerstörung bedroht, die das Werk des 2. Weltkriegs vollendet hätte. Entsprechend der Idee einer modernen Großstadt wurden Wohnsiedlungen anstelle der alten Mietshäuser geplant, und man dachte die wichtigste Funktion der Stadt im freien Strom von Kraftfahrzeugen gefunden zu haben. Große Theoretiker der modernen Architektur und Beamte des Berliner Senats hatten ihr gemeinsames Schlüsselwort: Autobahn!

      Um die Stadt des 19. Jahrhunderts zu schützen, entfaltete sich eine einzigartige soziale Bewegung. Nach ihrem Prinzip, das heute freilich als völlig absurd erscheint, sollten über die Zukunft einer Stadt ihre Bewohner und nicht die mit ihren Modellen spielenden Architekten, die städtischen Bürokraten sowie Immobilienspekulanten entscheiden. Es gelang schließlich, die Zerstörung wenigstens zu begrenzen.

      Eine Autobahn ist zweifellos zeitgemäß, weil man darauf rasend vorwärtskommen kann. Man sollte nur den Nachteil einkalkulieren, dass die Verödung der Seele proportional zur Geschwindigkeit wächst. Die Arbeit von Ursula Sax steht in einer solchen Gegend Berlins, die von der Stadtautobahn beherrscht wird, wo ein Fußgänger als Fremdkörper erscheint. DasLooping bäumt sich heiter und ungezwungen gegen eine Situation auf, welche die Künstlerin als »Un-Stadt« bezeichnete. Der Druck in den Händen, die das Lenkrad krampfhaft umklammern, wird durch die Lockerheit des sich munter drehenden und windenden gelben Bandes gelöst.

      Micha Ullmann

       Bibliothek, 1994

       Bebelplatz

      In der Tiefe

      Musikalischer Ton oder mathematische Gleichung dürfte so klar und einleuchtend sein wie diese Komposition. Kleine, quadratische Glasplatte auf dem Boden in der Mitte des Bebelplatzes. Darunter ein heller Raum, 7x7 Meter, mit leeren Regalen entlang den Wänden. Sie bieten Platz für zwanzigtausend Bücher. Für jene zwanzigtausend, die dort von erregten Studenten mit erhitzten, roten Gesichtern am 10. Mai 1933 ins Feuer geworfen wurden. Auf der Bronzeplatte neben dem Glas steht die Prophezeiung Heinrich Heines aus dem Jahre 1820: »Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.«

      Unter den zahlreichen Denkmälern, die in Berlin an den Holocaust erinnern, erlebte keine ein so ruheloses Schicksal wie Micha Ullmans Bibliothek. Im Hintergrund stand – wie so oft bei der Zerstörung des Stadtbildes – das Zusammenspiel von Politik, Bürokratie und Privatkapital. Vergeblich sah der Künstler nicht nur das Werk, sondern »den ganzen leeren Bebelplatz« und »die Leute, die nach unten schauen« als das Denkmal an, es war vermutlich genau diese Leere, die manche Vermarktungsexperten genervt hatte: ein Platz im Stadtzentrum, der nur einen spirituellen Sinn, aber keine profitable Funktion hat.

      Der erste Eingriff fällt von außen kaum auf. Nur Abstiege markieren auf der Oberfläche, am Rande des Platzes, dass unten, um das Mahnmal herum, eine Tiefgarage gebaut wurde. Schließt man sich jedoch der Deutung Micha Ullmans an, wonach es beim Denkmal um »das Grab einer Bibliothek« handelt, lassen sich die Aushebung der Erde, die um die Bibliothek zirkulierenden Abgase und das Gerassel der Motoren kaum anders als Grabschändung verstehen.

      Die zweite Idee zur Nutzung des Bebelplatzes war nicht einfach rücksichtslos, sondern pervers: Auf dem Platz wurde 2008 ein Zelt aufgebaut, um eine heitere und ausgefallene Modemesse, Fashion Week genannt und von Mercedes-Benz verantwortet, zu veranstalten. Das Denkmal als Störfaktor war im Zelt mit Seilen abgesperrt und beraubte damit der Modeschau wertvolle Quadratmeter.

      »Die Schauen im Juli 2008 waren ein großer Erfolg und die zentrale Lage hat dazu beigetragen. Ich bin sicher, dass sich die positive Entwicklung des Events hier fortsetzt«, feierte Wirtschaftssenator Harald Wolf von der Linkspartei das Ereignis. Die Freude des Senators durfte nicht länger als bis Januar 2010 dauern. Nach mehreren Veranstaltungen der Modemesse richteten bekannte Persönlichkeiten im Dezember 2009 eine Petition an das Abgeordnetenhaus. Der Künstler forderte in einem Brief: »Lasst diesen Ort in Ruhe.« Ihr Protest wurde nach einer öffentlichen Anhörung vom Erfolg gekrönt. Nach einem letzten Aufmarsch der besten Klamotten zog die Messe auf die Straße des 17. Juni um.

      Es blieb nur noch eine Frage offen, wie das Lifestyle-Magazin LesMadssie empört formuliert hatte:»Wie soll jemals eine steigende Akzeptanz gegenüber Mode entstehen, wenn diese in Deutschland noch immer nicht als Kulturgut betrachtet wird?!«

      Anne Poirier, Patrick Poirier

       La Fontaine de Gorgo, 1987

       Henriettenplatz

      Das Gorgo-Mädchen

      Bloß das nicht, versteinert zu werden! In der Tiefe sitzt immer die Angst. Schwindelig, als ob vom Wirbel gedreht. Man sollte vor diesem Mädchen Angst haben, und hat man doch nicht. Ehemals hatte man mehr Angst. Nicht so sehr vor der Diktatur. Etwas mehr vor den Eltern. Am meisten aber vor dem kleinen Gál.

      Wenn man nach dem Unterricht in der Grundschule hörte, »sie warten draußen auf dich«. Beziehungsweise nur er: der kleine Gál. Der kleine Gál, der nach der Schule auf dem Weg nach Hause ständig hinter dir ist. So lauft ihr eine Weile auf den Straßen der Josefstadt, des 8. Bezirks von Budapest, bröckelnder Fassaden entlang. Du vorne und hinter dir der kleine Gál. Merkwürdigerweise kommt er immer nur bis zur Bezirksgrenze, der Üllői Straße, niemals rüber in die Franzenstadt, den 9. Bezirk. Er kommt, kommt, und in einem beliebigen, aber unvermeidlichen Moment (freilich noch vor der Üllői Straße), tritt er dir in den Hintern. Es ist ein billiger Vergleich, und doch, der kleine Gál war wie das Schicksal. Nur hat das Schicksal keinen großen Bruder, mit dem du Freundschaft schließt, und der dann den Kleinen anherrscht, lass ihn doch endlich in Ruhe.

      Vor der Medusa muss man keine Angst haben. Sie guckt eher milde, mit ihrem rechten Auge bestimmt. In ihm zeigt sich das Meer des Leidens. Denn, Kenner der griechischen Mythologie dürfen dies überspringen, was geschah eigentlich? Des Gorgo-Mädchens Schicksal war Poseidon. Und Athene? Nicht genug, dass der sexistische Poseidon Medusa verführt, nach heutiger Auffassung vergewaltigt. Und dann nur deshalb, weil es in ihrem Tempel passierte, verwandelt Athene die Haare der Medusa in Schlangen, und entstellt sogar ihre Schwester. Sie verleiht ihr einen Blick, der jeden zu Stein werden lässt. Medusa wird schließlich von Perseus getötet, da oben ist seine Hand, wie er in ihren abgeschlagenen Kopf greift. Die kleine Pointe der Geschichte, der dem Rumpf entsprungene Pegasos, ist auf der Rückseite der Skulptur zu sehen.

      Die Arbeit von Anne und Patrick Poirier wurde 1987 am Henriettenplatz, am Ende des Kurfürstendammes, aufgestellt. Ein schöner Platz könnte es sein, wenn ihn der rasende Verkehr nicht in zwei Hälften schnitte. Medusa, der Obelisk und die die Bushaltestelle schmückende »dorische« Kolonnade von Heinz Mack, könnten sich zu irgendetwas zusammensetzen. In diesem Bild könnten wir sitzen, wir wären im Bilde, würden aus ihm herausschauen, heraus aus dem Bild in unseren Köpfen, und uns vorstellen, dass wir im zusammengesetzten Bild des kleinen Platzes sitzen, wenn es ihn gäbe.

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