Berliner Miniaturen. Attila Schauschitz
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Название: Berliner Miniaturen

Автор: Attila Schauschitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783844295528

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СКАЧАТЬ der Stadt bereits vor der Jahrhundertwende zustande gekommen war. Jenes mitteleuropäische Großstadtmodell wird seitdem gestückelt und geflickt, meistens falsch, wenn auch in bester Absicht.

      In jeder dieser Epochen wurde auch das Ku̕damm-Eck neu erfunden, zuletzt im Zeichen des modernen Monumentalismus. Der runde violette Steinblock des Swissotels erinnert mit seiner Höhenstaffelung etwa an eine Festung, das hellgraue Concorde Hotel von Jan Kleihues daneben erhebt sich zu einer Burg, einer Pyramide. Ernste, schöne, überzeugende, Respekt verlangende und bedrohlich massive Gebäude.

      Das Ku’Damm-Eck wirkt wie ein architektonisches Pendant zum Potsdamer Platz. Auf die Türme aus Stein ist auch hier eine bläulich glitzernde Glas- und Stahlkonstruktion von Helmut Jahn die Antwort: dort das schwebende Sony Center, hier ein luftig schillerndes Bürohaus.

      Zwischen ihnen, an der Stelle des Café Kranzler, stand ehedem ein prunkvoller Mietspalast mit dem Café des Westens, dem ersten bedeutenden Künstlercafé Berlins. Die Wegbereiter der Frauenemanzipation, Töchter aus dem jüdischen Bürgertum, traten Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Intimität der Salons in die Öffentlichkeit der Cafés. »Ich bin nun zwei Abende nicht im Café gewesen, ich fühle mich etwas unwohl am Herzen«, notierte die Lyrikerin Else Lasker-Schüler im Jahre 1910. Jahrelang, von Mittag bis spät in der Nacht, wohnte sie dort mit ihrem Mann Herwarth Walden und ihrem – laut Zeitgenossen extrem verzogenen – kleinen Sohn Paulchen. In der dichten Atmosphäre des Cafés gründeten sie den Sturm, eine expressionistische Zeitschrift, die das deutsche Kunstleben revolutionierte. Der Ort versank in die Bedeutungslosigkeit an dem Tag, als Else Lasker-Schüler und ihre Gefährten für immer aufhörten, ihn ein weiteres Mal zu betreten – wegen einer Bemerkung des Besitzers über das gegen Null tendierende Volumen ihrer Bestellungen.

      Die von unten betrachtet kleinen, sonst sechs Meter großen Gestalten, die sich oben auf dem geschwungenen Fassadenvorbau des Swissotels gruppieren, sind, abgesehen von einem runden Hintern, mit bloßem Auge nicht leicht auszumachen. Rechts von ihnen, zur anderen Straßenweite gewandt, steht eine weitere Figur. Stellt man Nachforschungen an, erfährt man, dass sich dort – dank Markus Lüpertz – die Aluminium-Skulpturen von Hera, Athene und Aphrodite umarmen, eher wie Freundinnen als Rivalinnen. Sie warten gerade und vermutlich noch lange darauf, dass Paris von der anderen Seite kommend der Schönsten von ihnen einen Apfel überreichen würde. Ihre Idylle wird von einer weiteren Dekoration des Gebäudes, einer riesigen Lichtreklame, kontrastiert und gestört.

      Eduardo Paolozzi

       Katastrophenbrunnen, 1984

       Britzer Garten, Pumpstation

       Mohriner Allee 150

      Der Simulant

      Eduardo Paolozzi wurde 1984 beauftragt, das Pumpenhaus, das die Wasserversorgung der Seen des damals angelegten neunzig Hektar großen Parks im südlichen Bezirk Berlins, in Britz, sichert, ein wenig aufzumotzen. In diesem Park wurde – großartiges Wort! – die Bundesgartenschau, ein Aufmarsch, unter anderen von Tulpen und Dahlien, veranstaltet. Abgesehen von Blumen und Pflanzen befinden sich im Britzer Garten etwa dreißig Skulpturen, fast alle aus der ersten Hälfte der 80er Jahre.

      Wie ist das Rohrknäuel Paolozzis zu verstehen?

      Zunächst gibt es etwas von diesen Röhren zu lernen. Man muss so tun – andere werden beruhigt, uns hält es am Leben – wie sie: als ob wir etwas bedeuten würden. Ihr Sinn ist beinahe glaubhaft, wie sie sich ab- und verzweigen, aus- und ineinander greifen, sich verhaken. Sie biegen und verschlingen sich, kriechen und schleichen und richten sich auf. Sie sind getrennt und bleiben doch zusammen. Kommen irgendwoher und bemühen sich irgendwohin. Ihre Existenz ist nicht zu leugnen.

      Sind das die gleichen Rohre, die anderswo in der Stadt rosarot gestrichen herumstehen als graziöse Flamingos? Wäre das hier ihr wirkliches Ich, ihr unter der Erde verborgenes, unverhülltes, graues Gesicht? Dunkle Sehnsucht, gegenstandsloser Wille, ungeklärter Affekt? Plötzlich aufbrechendes Würgen?

      Ein Rohr drängt, drückt und umfasst das andere, und ist doch keines von ihnen vorbestimmt. Die einzige Illusion, den einzigen Schein, die einsame Funktion im allgemeinen Fehlen der Funktionalität bietet jenes Rohr, welches einen müden Wasserstrahl in einem Bogen herausbringt, der auch für einen Mann über fünfzig ausgesprochen beachtenswert wäre. Dieser Charakterzug der Pumpe ohne Eigenschaften hebt noch mehr die nirgendwohin führenden, gestutzten Enden, die grundlos geschweißten Bögen, die nicht funktionierenden Räder, die vergeblich ineinander greifenden Fügungen hervor.

      Letzten Endes besteht das Ganze aus Krämpfen, Zerrungen und Verrenkungen. Das Leben ist also wie ein Fußballspiel? Vielleicht ist das die Botschaft, die uns Paolozzi sendet.

      Gloria Priotti

       Endspiel, 1980

       Auguste-Viktoria-Klinikum

       Rubensstraße 125

      Fußmonolog

      Vielen Dank, es geht uns bestens, besonders weil wir noch Beine haben, von denen nicht etwa deshalb so wenig übrig geblieben sind, weil sie uns unterhalb des Knies abgesägt worden waren. Von da aufwärts existierten wir nur in der Fantasie, wir vertrauen darauf, dass man uns sich vorstellt. Das war eine gute Idee, so geworden zu sein, wie wir nun sind; es würde sich kaum lohnen, uns weiter zu verstümmeln, wie so viele unserer Gefährten in den Straßen und Plätzen der Stadt.

      Wir haben ohnehin keine Erwartungen mehr. Wie viel wurde dagegen von uns, modernen Kunstwerken, erwartet! In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als der öffentliche Raum mit fröhlichen Gestalten der Welt der Familie und der Arbeit – Menschen mit Menschen, Menschen mit Tieren und auch noch das Perverseste, Tiere mit Tieren – bevölkert war, erhoffte man sich von uns, »Harmonie, Glück und Würde« ins Leben der Menschen zu bringen. Nun, gerade das war es, wofür wir, die weder die Wirklichkeit kopieren noch nützlich oder moralisch,sondern nur frei und ohne äußere Einflüsse sein wollten, ganz sicher nicht geeignet waren.

      Unser stürmischer Ausbruch aus den Museen erfolgte zu Beginn der siebziger Jahre, als die Zeit reif genug schien, die Städte mit ihrer öden Architektur und ihren vom Wirtschaftswunder betäubten Bewohnern durch zeitgenössische Kunst zu beleben und wachzurütteln. Ich möchte festhalten, dass das Ganze nicht unsere, sondern deren Idee war, die sich unser angenommen hatten: Kunsthistoriker, Kunstmanager, Kunstliebhaber, Politiker.

      Martin Neuffer, Hannovers Oberstadtdirektor ließ 1970 die Forderung laut werden, die Menschen massenhaft mit moderner Kunst zu konfrontieren und eine Stadt zu schaffen, »die mit Kunstwerken aufgefüllt ist wie mit Bäumen«. Mit dieser Maßnahme hatte er sich »beträchtliche Auswirkungen auf das emotionale Verhalten der Bevölkerung« versprochen, und er sollte auch nicht enttäuscht werden: Nach dem Aufstellen der Plastiken von Niki de St. Phalle wurden die Zeitungsredaktionen mit Leserbriefen überschüttet, achtzehntausend Aufgebrachte unterstützten mit ihren Unterschriften den Protest, und die Beschädigung der Skulpturen war an der Tagesordnung.

      Es gab auch Konzeptionen, die raffinierter waren und nach denen zeitgenössische Kunstwerke, einmal in den öffentlichen Raum gestellt, als Gärmittel für СКАЧАТЬ