Название: Berliner Miniaturen
Автор: Attila Schauschitz
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783844295528
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Um diese Zeit wird in Berlin die Kunst- und die Wissenschaftsakademie gegründet und anstelle von Italienern oder Franzosen – wie in anderen deutschen Fürstentümern auch – ein deutscher Künstler, eben Andreas Schlüter, zum Hofbildhauer ernannt. Mit anderen Worten steht man hier vor dem Beginn der Selbstständigkeit der bildenden Künste in Berlin.
Das Denkmal für Friedrich Wilhelm (1640–1688), den Großen Kurfürst, bietet dem heutigen Betrachter das angenehme Gefühl zu erkennen, was hier dargestellt wird: oben ein Reiter und unter ihm vier Figuren in verschiedenen Posen. So einfach war es aber auch damals nicht, die Kunst zu verstehen. Das Pferd spricht noch einigermaßen für sich, aber dem lebensnahen Profil und der zeitgetreuen Perücke des Fürsten widersprechen die gepanzerte Weste und die antike Hülle. Zur Erklärung müsste man also vor Augen halten, dass Schlüter eine Tradition fortsetzte, die das Reiterstandbild Mark Aurels auf dem Platz vor dem Kapitol in Rom begründete. Auch die vier Figuren, die nach einem mittelalterlichen Motiv aus Italien als Sklaven identifizierbar wären, hätten im 17. Jahrhundert in Brandenburg nicht viel zu suchen gehabt, wenn Schlüter die Gestalten aus der Kriegsbeute nicht zu Symbolen der vier Grundtypen von Gemütsarten erhoben hätte.
Das Werk, das ursprünglich im Zentrum Berlins stand, wurde im Zweiten Weltkrieg abgebaut und außerhalb der Stadt in Sicherheit gebracht. Seine Rückkehr im Jahre 1947 führte zu einem Fiasko: Die mehrere Tonnen schwere Statue versank im Wasser, als man sie auf dem Seeweg nach Berlin transportieren wollte. Etliche Jahre später wurde sie geborgen, und trotz des aus Ost-Berlin angemeldeten Anspruchs nicht in die sowjetische Besatzungszone gebracht, sondern vor dem Schloss Charlottenburg im britischen Sektor zur Ruhe gesetzt.
Henry Moore
Liegende, 1956
Hanseatenweg 10
Unsere Ruinen
Die Plastiken Henry Moores waren unter den ersten modernen Werken, die in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aus den Museen unter freien Himmel kamen, wo sie dann zum Opfer vom Vandalismus wurden. Eine sitzende Figur wurde mit Pech vollgeschmiert und mit Federn bestreut. Eine andere, ähnlich wie das auf dem Foto gestaltete Liegende, mit blauer Farbe übergossen. Sie wurde damals in einem Leserbrief mit einer verstümmelten Leiche in fortgeschrittenem Stadium der Verwesung verglichen. Diese Beschreibung wird auch der Skulptur vor dem Gebäude der Akademie der Künste im ehemaligen Westberlin – abgesehen von der bei Toten ungewöhnlichen Körperhaltung – ziemlich genau gerecht.
Moores Akt verbirgt, wenn auch keine erotische, so doch eine gewisse intellektuelle Spannung gegenüber den oft gesehenen, für manche vielleicht schon zu langweiligen und harmonischen Darstellungen der Frauenkörper. Die Frage drängt sich auf: Warum sieht sie so aus?
Stellten wir der Skulptur selbst die Frage, würde sie womöglich antworten: Ich bin ein modernes Kunstwerk und will weder schön noch selbstverständlich sein. Genauso wenig möchte ich vollendet und abgeschlossen daliegen, also etwas darstellen, was nicht oder nur äußerst selten existiert. Man könnte annehmen, ich würde einfach nur so unter der Sonne dahin schmelzen, doch die Sache ist komplizierter. Ich spreche davon, dass das Leben unvollendet, hässlich und verstümmelt ist, und was meine Gliedmaßen angeht, kann ich dem ungarischer Schriftsteller nur beipflichten, der schrieb: Alles beginnt bei den Beinen, das Böse greift zuerst dort an. Und der Beobachtung dieses Prozesses an uns selbst kann nur der Tod ein zweifellos wohltätiges Ende bereiten.
Ich verstehe ja, dass Sie bei all den Problemen, die Sie haben mögen, nicht auch noch solche Dinge ungebeten ins Gesicht gesagt bekommen wollen. Deshalb habe ich ein gewisses Verständnis für die Körperverletzungen, die man uns zufügt, denn – wie Dario Gamboni so treffend schrieb – »vor allem im öffentlichen Raum übten die Skulpturen eine symbolische Gewalt aus, der die physische Gewalt der Ikonoklasten antwortete«.
Ich kann sogar nicht ausschließen, dass die Zerstörung das Werk geradezu vervollkommnet, denn sie führt in diesem Fall die vom Künstler beabsichtigte Unvollständigkeit zu Ende. Deshalb gefiel mir der Hammer, den der Künstler bei einer Parkausstellung in Biel 1980 neben seine Arbeit legte. Er forderte die Zuschauer auf, ihren Instinkten freien Lauf zu lassen und das Werk sozusagen zu beenden. Die traurige Pointe der Geschichte war, dass man den Hammer geklaut und ihn bei Skulpturen eingesetzt hatte, für die er nicht vorgesehen war.
J. W. Wutschetitsch, J. S. Belopolski
Sowjetisches Ehrenmal, 1949
Treptower Park
Der Soldat in Treptow
Wenn unsere Gedankenwelt damals, im – nach eigener Auskunft – fortschrittlichsten Gesellschaftssystem der Welt, nicht durch die eventuell reaktionäre Einstellung unserer Eltern geprägt war, mussten doch unsere Herzen der erste Hund im Weltraum, Laika, der erste Mensch ebenda, Genosse Gagarin, sowie die heldenhaften Befreier der Roten Armee erwärmen.
Näherte man sich vom Westen her Budapest, stand ein paarhundert Metern vor der Stadt lange Zeit die Statue des im Zweiten Weltkrieg den Märtyrertod gestorbenen russischen Soldaten Ostapenko. Einen so großen, elf Meter hohen Helden, wie er im Treptower Park steht, sah jedoch kein Ungar in Ungarn. Und nach der großen Säuberung von den kommunistisch deklarierten Denkmälern sieht er nicht einmal mehr den Ostapenko.
In Treptow ist nicht nur der Soldat überwältigend, sondern auch der riesige Grabhügel ihm zu Füßen für Tausende von Gefallenen mit einer Reihe von Sarkophagen auf beiden Seiten mit Darstellungen des Kampfes gegen den Faschismus und Stalin-Zitaten. Zwei ebenfalls monumentale Fahnen aus rotem Granit mit dem Motiv Sichel und Hammer runden die Gedenkstätte ab. Das gigantische Mahnmal steht immer noch und wurde zuletzt kostenaufwendig restauriert, weil am Ende Gorbatschow nur noch eine einzige Bedingung für seine Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung stellte: die Aufbewahrung und Pflege der sowjetischen Denkmäler.
Otto Grotewohl erwies sich also bei der Einweihung des Denkmals im Jahre 1949 als Hellseher, indem er sagte: »Auch wenn einmal der letzte sowjetische Soldat den deutschen Boden verlassen hat, werden wir diese Gedenkstätte als ein Mahnmal des Friedens in unseren Schutz nehmen.«
Und während wir darüber nachsinnen, wie die Befreier die Freiheit mit Füßen traten, müssen wir nicht unbedingt klären, warum uns die Aufschrift im Mausoleum unter der Statue – »... rettete die europäische Zivilisation vor den faschistischen Pogromhelden ...« – so berührt. Ist die Bedeutung dieser historischen Tatsache so erschütternd? Trauern wir um die Toten? Oder stimmt es uns so melancholisch, nie mehr mit den Helden des Weltalls, der Hündin Laika und dem Genossen Gagarin mitfiebern zu können?
Gunter Demnig
Stolpersteine
Barbarossastraße
Stolpern in Berlin
Dass СКАЧАТЬ