Berliner Miniaturen. Attila Schauschitz
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Berliner Miniaturen - Attila Schauschitz страница 7

Название: Berliner Miniaturen

Автор: Attila Schauschitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783844295528

isbn:

СКАЧАТЬ immer wieder zu irritieren« und »zur Standortbestimmung und Modifizierung des eigenen Bewusstseins und der eigenen Verhaltensweisen beizutragen«. Das Kunstwerk sollte nicht weniger als – Verzeihung, aber ich zitiere ja bloß – »zum Initiator von praktischer Selbsttätigkeit und kritisch-emanzipatorischer Bewusstwerdung des Individuums werden«, und seine »humane Funktion bestünde gerade in der Sichtbarmachung des Spannungsfeldes zwischen der gegenwärtig existierenden und der Visualisierung einer möglichen zukünftigen Wirklichkeit«, um »auf diese Weise Kritik zu stimulieren und fraglose Anpassung zu verhindern«.

      So klang der Optimismus der 70er Jahre. Nach der unfreundlichen Aufnahme der Kunstwerke im öffentlichen Raum ließ sich die Frage in den 80ern nicht mehr umgehen: Haben zeitgenössische Werke draußen überhaupt etwas zu suchen, beziehungsweise kann es eine moderne Kunst geben, die mit den Bewohnern einer Stadt friedlich auskommt?

      Katharina Szelinski-Singer

       Trümmerfrau, 1955

       Park Hasenheide

      Fritz Cremer

       Aufbauhelferin, 1953

       Alexanderplatz (Rotes Rathaus)

      Aus Trümmern entstanden

      Die Arbeit ist die gleiche, die Einstellung ist grundsätzlich anders. Das Ostberliner Mädchen weiß, dass es eine neue, glückliche Zukunft aufbaut, die Frau aus Westberlin spürt, dass sie nur ihre weitere Ausbeutung vorbereitet. Das eigentliche Problem war allerdings ein anderes: das Kopftuch. Wo, nämlich, befindet sich der Knoten. Oben oder hinten. Modisch oder ländlich. Anders als in der künstlerischen Darstellung zog dies in Wirklichkeit eine Trennlinie zwischen den Berliner Frauen, die die Trümmer des Weltkrieges wegräumten, diese früh morgens beim Anziehen für die Arbeit sich gestellte Frage: Wo soll ich den Knoten binden?

      Die zum Begriff gewordenen Trümmerfrauen hätten bessere Denkmäler verdient als die Arbeit von Katharina Szelinski-Singer an der Hasenheide oder das Werk von Fritz Cremer vor dem Roten Rathaus, nahe dem Alexanderplatz. Mangels Männer schleppten sie, fünfzig- bis sechzigtausend Mädchen und Frauen, die Eimer, klopften die Ziegelsteine ab, schoben die Karren, aßen um Mittag Brot mit Margarine und Kunsthonig und beendeten ihren Tag nicht selten endgültig unter den einstürzenden Wänden. Ihre Prämie war 450 Gramm Fett monatlich anstelle von 210 Gramm für die nicht arbeitenden Frauen. Während die Skulptur Katharina Szelinski-Singers zumindest diese Anstrengungen zum Ausdruck bringt, gehört die Darstellung Fritz Cremers, einer der begabtesten Künstler unter den offiziell anerkannten Bildhauern in der DDR, zu seinen eindeutig propagandistischen Arbeiten.

      Die Frauen befreiten Berlin von fünf Millionen Tonnen Trümmern und bereicherten mit mehreren Hügelchen die Stadt. Von diesen wurden mehrere zu Bergen erklärt, so ist das hier: Es gibt – allen geografischen Gegebenheiten zum Trotz – überraschend viele Berge.

      Den Sieg im Wettbewerb zwischen künstlichen und natürlichen Erhebungen trug zuletzt, nach einem jahrzehntelangen Kopf an Kopf Rennen, ein Trümmerhaufen davon, der Teufelsberg gegenüber dem 115 Meter hohen Großen Müggelberg, nachdem er 1998 bei Bauarbeiten noch einmal aufgeschüttet wurde und sich damit auf 120 Meter erhöhte.

      Und der Berliner passt sich seiner Umgebung an: Er läuft schnaufend auf kaum spürbaren Steigungen und vertraut keinem Fahrrad mit weniger als zehn Gängen.

      Ingeborg Hunzinger

       Frauenprotest 1943 (1995)

       Rosenstraße

      Straße der Rosen

      Geht man in der Karl-Liebknecht-Straße spazieren, kann man die kleine Nebenstraße leicht übersehen und auch sonst keinen Grund haben, in ihre Richtung einzuschlagen. Der Weg, der jetzt einem beliebigen Übergang zwischen den verbliebenen Kulissen des Sozialismus scheint, existierte bereits im 16. Jahrhundert und hieß – aus gutem Grund – Hurengasse. Hundert Jahre später bekam die Straße ihren derzeitigen Namen, der damals immer noch den gleichen Sachverhalt – nur sanfter und spielerischer – beschrieb. Die Straße hatte auch danach einen Sinn, denn in der Weimarer Zeit fuhr dort, in der dicht bebauten, von den sozialistischen Stadtplanern zu jener Zeit noch nicht zerstückelten Gegend des Alexanderplatzes, immerhin eine Straßenbahn.

      Anfang März 1943 passierte etwas Einmaliges und auch im Nachhinein Unglaubliches in der Rosenstraße. Eine Woche lang demonstrierten nichtjüdische Mütter und Ehefrauen für die Freilassung ihrer jüdischen Söhne und Ehemänner vor dem ehemaligen Wohlfahrtsgebäude der Jüdischen Gemeinde. Die Protestierenden sind heil davongekommen, die Gefangenen wurden freigelassen, sogar die von ihnen bereits nach Auschwitz Deportierten zurückgeholt.

      Bis vor einigen Jahren setzte man einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem als unmöglich erscheinenden Protest und der überraschenden Freilassung voraus. Neuere Forschungen und Dokumente widerlegten diese Annahme – wenn auch nicht die Adjektive.

      Die Nazis begannen Ende Februar 1943 die noch nicht verschleppten Juden einzusammeln und zu deportieren. Diesbezügliche Verordnungen belegen jedoch, dass für die in »Mischehen« lebenden Juden lediglich eine Registrierung vorgesehen war. Warum sollte man jene registrieren, die bereits ohnehin aufgelistet waren? Welche Rolle spielte die Demonstration dabei, dass sie nicht verschleppt wurden? Waren jene, die von ihnen nach Auschwitz mussten, irrtümlich abtransportiert?

      Man kann nur raten. Nach Goebbels Tagebuch war für die Naziführung die Stimmung der Berliner Bevölkerung, besonders nach den Bombenangriffen auf die Stadt, nicht völlig gleichgültig. Die Demonstration der Frauen in der Rosenstraße als einzigartiger Akt des öffentlichen Protestes im Dritten Reich stellt eine wichtige Frage nach den Möglichkeiten des Widerstandes in der NS-Zeit und lässt sie zugleich ohne eine schlüssige Antwort.

      Johann-Gottfried Schadow

       Hans Joachim von Zieten, 1794

       Wilhelmplatz/Mohrenstraße

      Der kleine General

      Der Name von Johann Gottfried Schadow ist heutzutage nicht unbedingt ein Begriff für das breite Publikum, obwohl eines seiner Werke auf der ganzen Welt bekannt ist. Auch über die Berliner Bildhauerei des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts kann man nicht sprechen, ohne an ihn erinnert zu werden.

      Anstelle des berühmten Werkes, des zweirädrigen römischen Viergespanns auf dem Brandenburger Tor aus dem Jahre 1793, charakterisiert seine Kunst vielmehr diese, nur ein Jahr später aufgestellte Statue. Schadow ging auf dem Weg konsequent weiter, den sein Lehrer, Jean Pierre Antoine Tassaert, eingeschlagen hatte: Vergleicht man die Figur des Generals Hans Joachim von Zieten auf dem nach ihm benannten Platz mit den bereits behandelten Statuen Tassaerts, fällt zunächst das Fehlen der dort noch vorhandenen würdevollen Haltung auf.

      Der General des Siebenjährigen oder dritten Schlesischen Krieges steht durchaus СКАЧАТЬ