Berliner Miniaturen. Attila Schauschitz
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Berliner Miniaturen - Attila Schauschitz страница 8

Название: Berliner Miniaturen

Автор: Attila Schauschitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783844295528

isbn:

СКАЧАТЬ angeborenen Eigenschaften gestählt hatten: »ist gar klein und von schwacher Stimme für das Commandiren«, schrieb der spätere Feldmarschall Schwerin 1722 dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. über ihn. Zieten zeichnete sich aber bereits im ersten Schlesischen Krieg an der Spitze seines Regimentes, bestehend aus Berliner und Litauer Husaren, aus. In dem Moment, in dem Schadow ihn hier darstellt, sinnt er höchstwahrscheinlich über eine neue Kriegslist nach, wodurch er die verflixten Österreicher irreführen könnte.

      In einer Zeit wie unsere, die dem Begriff des Kunstwerkes keine Grenzen setzen möchte, hört sich das künstlerische Credo Schadows mindestens anachronistisch oder geradezu haarsträubend an: Er sah »die wahre Kunst gerade in der Wiedergabe der Wirklichkeit«. Wie bereits erwähnt, ist es Tassaert zu verdanken, die Generäle aus ihrer barocken Haltung und römischen Gewändern befreit zu haben. Schadows Verdienst ist es aber, dass die zeitgenössische Kleidung sowie die individuelle und naturalistische Darstellung zum Programm erhoben wurden.

      Sein strenger Naturalismus, seine Weigerung, Preußens Helden zu glorifizieren, entsprach später immer weniger dem Zeitgeist und der Auffassung der höfischen Auftraggeber. Zu seinen Kritikern gehörte auch Goethe, der den nüchternen Berliner Realismus gering schätzte. Die Antipathie entbehrte nicht den persönlichen Hintergrund. Als der Bildhauer ihn in Weimar besuchte, fand der große Dichter seinen Wunsch, nämlich für die geplante Büste zuerst und unverzüglich seinen Kopf vermessen zu dürfen, unhöflich und unangebracht. Die zwanzig Jahre später doch angefertigte Büste widerspiegelt vielleicht auch die Rache des Künstlers: »Die Wiedergabe der Wirklichkeit« besteht diesmal darin, dass er den in anderen Darstellungen vergötterten Dichter eingezwängt in seine Uniform und damit in sein Leben als Hofrat zeigt.

      Hans Uhlmann

       Freiplastik Hansaviertel, 1958

       Hansaplatz, Grünanlage Bartningallee/Altonaer Straße

      Erster Anlauf

      Die Arbeit Hans Uhlmanns steht auf dem Hansaplatz, als Beispiel für die ersten Ufos der modernen Kunst nach dem Weltkrieg im öffentlichen Raum, für »die Invasion aus dem Atelier«, wie diesen Prozess Walter Grasskamp nannte. Es ist ein Platz, der seine Konturen nicht findet, der nicht weiß, wo er beginnt und endet. Eher eine Kreuzung, umgeben von launenhaft verstreuten Grünstreifen, Wohnhäusern, die mit ihren Ecken auf breite Straßen zeigen, sowie von Gemeinschaftseinrichtungen.

      Der Hansaplatz ist das Zentrum des Hansaviertels, das in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre die Antwort West-Berlins war auf die Stalinallee, das vom Stalin-Barock geprägte Prestigeprojekt Ost-Berlins. So hätte der ganze Westteil der Stadt ausgesehen, wären nach dem Weltkrieg die Pläne Hans Sharouns und seiner Kollegen Wirklichkeit geworden.

      Die geistige Quelle des Hansaviertels ist die Charta von Athen, das Kommunistische Manifest des Wohnungsbaus. Keine Frage: Der Autor dieser Verlautbarung, die große Gestalt der klassischen Moderne der Architektur, reagierte auf einen unhaltbaren Zustand, das Massenelend der durch die Industrialisierung angeschwollenen Großstädte. Die nach seinem Sinne modernen Wohnviertel haben jedoch die unmenschliche Grausamkeit durch komfortables Grauen abgelöst. Damals haben wir, da drüben, gedacht, dass die Platte, die uniformierte Enge, der adäquate Wohnort des Sozialismus wäre. Das war es ja auch, aber schließlich doch nur eine Kopie: Auch diese Utopie entstand im Westen, und man musste deren Folgen so richtig im Osten ausbaden.

      Die Losung der kommunistischen Utopie ist die Gleichheit, die der Charta von Athen das menschliche Maß. Corbusier hat es ausgerechnet: Es war, in Innenhöhe ausgedrückt, zwei Meter sechsundzwanzig. Warum gerade so hoch? Damals, die Menschen waren noch kleiner, hätten auch zwei Meter ausgereicht, sogar noch weniger, denn in einer Wohnung sitzt oder liegt man normalerweise. Sich aufzurichten hat man doch genug Gelegenheit auf dem Weg zur Arbeit. Man hätte dadurch wahnsinnig viel Energie sparen können.

      Die Ingenieure der Stadt übertrugen die Prinzipien des Industriebetriebes – Rationalität und Funktionalität – auf die Architektur. Wie die Arbeit im Betrieb, mussten auch die Lebensfunktionen aufgeteilt werden: hier der Wohnort, dort die Arbeit und wieder anderswo die Freizeitbeschäftigung. Wie Laufbänder transportierten die Untergrundbahnen und die Schnellstraßen die funktionalisierten Menschen.

      1995 wurde das ganze Viertel zum Denkmal erklärt. An seiner Planung beteiligte sich beinahe jeder, der damals in der modernen Architektur einen Namen hatte. Und wie angesichts des neuen Potsdamer Platzes kann auch hier festgestellt werden: Man wollte hoch fliegen und hat doch flach gelandet.

      Wolpertinger

       Enzian, Yorckstraße 77

      Wo der blaue Enzian blühte

      Den Enzian, ein als Kneipe funktionierendes Gesamtkunstwerk, gibt es nicht mehr. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass es – auch noch in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende – in folgender Weise existierte.

      Im Mittelpunkt stand der Wolpertinger, wie er auf diesem Archivfoto zu sehen ist. Das heutzutage sehr seltene, geschützte Tier ist bekanntlich in Bayern heimisch. Mit Wolpi, wie ihn die Einheimischen liebevoll nennen, wurde durch das intime Beisammensein eines Hasen, eines Turmfalken und eines inzwischen ausgestorbenen kleinhornigen Tieres die Fauna bereichert. Links vom Wolpertinger, über dem Eingang, sah man die Büsten von Marx, Lenin und Thälmann. Ihnen gegenüber war Heinrich Lübke, der seiner Nazi-Vergangenheit verdächtige und nach seiner eigenen Meinung negerliebende Präsident der Bundesrepublik aufgehängt.

      Unter dem Wolpertinger, hinter der Theke, schlenderte der wahre Heino umher. Der wirkliche Heino führte einen langen Prozess gegen den wahren Heino, um zu klären, welcher von ihnen der wasserstoffblonde Schlagersänger mit der schwarzen Brille war. Der wahre Heino musste schließlich achtzehn Tage absitzen, da er doch auf seine Identität bestand.

      Es ist unmöglich, Kreuzberg ohne den wahren Heino historisch zu verstehen, und er ist wiederum nicht zu begreifen, ohne über folgendes Zitat aus einem Interview gründlich nachzudenken. Über seine musikalischen Pläne sagte er: »Um die Nationalhymne zu furzen, brauche ich allerdings eine längere Vorbereitungszeit. Es gibt da ein Spezialrezept, man muss ziemlich vegetarisch essen, vor allem viele Körner. Es ist übrigens mittlerweile erwiesen, dass Vegetarier besser furzen können als Fleischesser.«

      Der Geschmack des Schnapses, nach dem die Kneipe benannt war, kommt aus der Tiefe wie die Wurzel, aus der er gebrannt wird: Er schmeckt feucht wie die Erde und kalt wie der Tod. Den Geist macht er aber lebendig. Daher waren im dunklen Raum die hier und da aufblitzenden winzigen Funken, die durch die stetige Spannung verursachten Entladungen, blau. Die den Ort nicht gewöhnten Gäste saßen wie versteinert und stumm da. Obwohl, um einen namhaften Linguisten zu zitieren: »Mit der Zunge sind viele Probleme lösbar.«

      Ursula Sax

       Looping, 1992

       Messedamm/Halenseestraße

      Purzelbaum

      Die große Frage einer großen Stadt ist, ob sie nur auf Autos oder auch auf Menschen zugeschnitten ist. Das Straßennetz СКАЧАТЬ