Der Preis für ein Leben ohne Grenzen - Teil I. Adalbert Dombrowski
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Название: Der Preis für ein Leben ohne Grenzen - Teil I

Автор: Adalbert Dombrowski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754938386

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СКАЧАТЬ machte mich, dass ich nichtmal mehr die Sommerferien an meinem Herzensort verbringen werden kann. Doch Tante und Onkel brachten so viel Trubel ins Haus, dass meine Traurigkeit schnell wieder verflog. Sie waren jung, gut aussehend, fröhlich und man konnte sehen, dass sie einander liebten. Im Krieg hatten sie sich in Warszawa kennengelernt, wo die Tante Verkäuferin in einem Geschäft war. Ihre Freundinnen machten sie mit dem sehr gut aussehenden Herrn Paweł bekannt. Von da an liefs ganz von selbst. Im Warschauer Aufstand kämpfte Paweł in einer Aufständischeneinheit bis zur offiziellen Kapitulation, dank derer er mit dem Leben davon gekommen war. Sich vorher ergebende Aufständische behandelten die Deutschen wie Banditen und erschossen sie an Ort und Stelle. Ola und Paweł fanden sich wieder und heirateten. Onkel Paweł war sehr großgewachsen und als einziger der Erwachsenen (für mich ganz ungewohnt!) interessierte er sich für mich und hörte mir aufmerksam zu. Eines Tages gingen wir - die ganze Schar - spazieren. Im Café an der Ecke kaufte mir Onkel Paweł echtes Speiseeis in der Waffel. Drei Kugeln, herrlich kühl und wunderbar fruchtig. Glücklich ging ich neben meinem Onkel. Das ware mein erstes Eis - ein unvergessener Moment!

      Bei den ausgedehnten Abendessen schwelgten die Erwachsenen in Erinnerungen an ihre Zeit in Warszawa. Basia erzählte von Theater- und Filmrollen, sie lachte, doch ihre Augen waren traurig. Ola und Paweł erzählten vom Warschauer Aufstand. Nur der finster dreinschauende Edek Biskup saß wortlos im Fauteuil.

      Die Biskups zogen um in die Straße-des-24.Januar (gegenwärtig Straße-des-20.Januar), in eine ruhiger gelegene und noch größere Wohnung. Denn Onkel Edek wurde befördert. Er war nun leitender Arzt der Wojewodschaft in Bydgoszcz. Die Wohnung erstreckte sich über die Hälfte des gesamten Stockwerks. Ein weiterer Vorzug: in der Nachbarswohnung gegenüber wohnte Tante Iza mit ihrem Ehemann - Redakteur der Bydgoszcz`er Tageszeitung „Ilustrowany Kurier Polski“. Sie waren ein wunderbares Paar: kultiviert, elegant, hübsch.

      In der neuen Wohnung waren wir nun drei Kinder. Rysia und Magda, die Tochter einer von Basias warschauer Freundinnnen, wohnten nun auch bei Tante und Onkel. Wir waren alle Halbwaisen, die der „edelmütige“ Onkel Edek bei sich aufgenommen hat, damit die verwitweten Mütter ihre so plötzlich vereinsamten Leben ordnen können. Die Mädchen wohnten in einem Zimmer mit Fenster zum Innenhof und ich schlief in einem Zimmer mit der Tür direkt ins Badezimmer. Außerdem befand sich in der Wohnung ein Schlafzimmer sowie ein großes Speisezimmer, das durch Schiebetüren mit Onkels Arbeitszimmer verbunden war. Im Speisesaal thronte ein ovaler, ausziehbarer Tisch sowie Vitrinen mit dem Tischporzellan und schönen Gläsern. Im Arbeitszimmer, rechts vom Eingang stand Onkels Schreibtisch und gleich beim Fenster der glänzende, schwarze Flügel. Eine Lederklubsesselgarnitur mit kleinem Cocktailtisch rundete die Einrichtung ab. Mit offenen Schiebetüren waren Arbeits- und Speisezimmer der ideale Ort für gesellschaftliche Anlässe. An Marysias große Küche war ihre kleine Bedienstetenkammer angeschlossen. Auf der anderen Seite des Badezimmers befand sich Antosias Bedienstetenkammer. Alle Zimmer lagen an einem langen Flur. In der neuen Wohnung hatte Antosia viel zu putzen und wir Kinder – wie Kinder eben so sind – erleichterten ihr diese Aufgabe nicht wirklich. Rysia und Magda waren gleichaltrig - ein Jahr älter als ich aber schon viel größer. Schnell hatten sie sich angefreundet, ständig ärgerten sie mich. Zu Adend bekamen wir meistens einen großen gemeinsamen Teller mit einer Pyramide aus belegten Broten. Die Mädels hatten ihren Anteil schnell aufgegessen, während ich noch immer an meinem ersten Canapé kaute. Natürlich aßen die Mädchen weiter und anstatt ein zweites Brot zu essen, blieb ich vor einem leeren Teller zurück. Von da an, immer wenn die Mädchen nach dem nächsten Brot griffen, nahm ich auch eines auf Vorrat und legte es auf meinen Teller. Während meine Pyramide wuchs lauerten die Mädchen nur darauf, mir sie wieder zu verkleinern.

      Eines Tages rief Tante Basia uns drei in den Salon: wir sollten es uns in den Sesseln bequem machen und selbst setzte sie sich auf die Couch. Sie sah mich an und sagte:

      „Ich habe Euch hergebeten, um eine gewisse Sache Dich betreffend zu vereinbaren. Ja wirklich, weder Bubi, wie sie Dich als Kleinkind nannten, noch Dychu, wie Du bis jetzt genannt wirst, ist Dein richtiger Vorname. Jetzt bist Du herangewachsen, also sollte man Dich nun Dionizy nennen.“ Die Mädchen begannen zu kichern, doch die Tante beruhigte sie schnell: „Na, na, lacht nicht, denn Dich Rysia nannte man bis vor nicht allzu langer Zeit Lilu. Rysia ist die Verkleinerungsform von Marysia, also solls so bleiben“ und die Tante sprach weiter, „Dionizy ist so ein nicht alltäglicher, ernster Name und passt nicht wirklich zu Dir. Aber Du hast noch einen zweiten Vornamen: Wojciech. Ich finde, dass wir zu Dir Wojtek sagen sollten! Also heisst Du ab heute Wojtek!“ „Wojtek geht in Ordnung“, dachte ich. Dieser Name gefiel mir sogar besser als mein vorheriger, um so mehr, da Mama mich manchmal auch so nannte.

      Samstags kamen zu Tante und Onkel Gäste zu Besuch: Basia sparte dann nicht mehr am Essen, sondern tischte üppig auf. Nach dem schmackhaften Abendessen gingen alle ins Arbeitszimmer Bridge spielen, singen oder sogar tanzen. Wir nutzten dann die Gelegenheit, schlichen unter den Tisch und stibitzten Leckereien vom Tisch wie es sich nur ließ.

      Eines Tages sagte mir der Onkel, ich solle beim Schulleiter vorstellig werden. Ich klopfte an die Tür, hörte ein entschiedenes „Bitte!“, drückte die Türklinke herunter und trat ein. Herr Lech, so sein Nachname, sprach mit mir sehr herzlich und erwähnte zum Schluss, dass er ein Freund meines Vaters war und dass sie gemeinsam im Oflag (Offizierslager) II C Woldenberg waren. Erst später erfuhr ich, dass mein Vater wie jeder Kriegsgefangene eine Nummer erhalten hatte, welche ihn die ganzen Jahre der Kriegsgefangenschaft über begleitete: 87/XVIII B Ltn: 87. registrierter Gefangener im Oflag XVIII B Wolfsberg vom Dienstgrad Porucznik - vergleichbar eines (Ober-)Leutnants. Der Direktor fügte hinzu, dass das erste Gefangenenlager, in dem sie waren, sich in Wolfsberg in Kärnten befand: Oflag XVIII B.

      Ich kam in eine Klasse, in der ein sportlicher, mir gleichgroßer, rothaariger Bursche die erste Geige spielte. Er betrieb Boxsport, was ihn seiner Meinung nach an die Spitze der Schulklassenhierarchie stellte. Gleich in der ersten Pause näherte er sich mir, schaute mir gerade in die Augen und drückte langsam, nachdrücklich und drohend folgende Worte zwischen seinen Zähnen hindurch: „Hey Kleiner, muck hier bloß nicht auf! Ich habe hier das Sagen!“ „Niemals“, warf ich ihm geradewegs ins Gesicht zurück, während gleichzeitig meine Faust auf seinem Kinn landete. Wir kloppten uns so lange, bis der Schulleiter in unsere Klasse kam, und uns auseinander brachte. Er würde solch ein Verhalten nicht tolerieren. Doch wir konnten es nicht dabei belassen: einer von uns muss gewinnen, Ehrensache. Ich ergebe mich niemals! Unsere Zweikämpfe verlegten wir ins hinterste Eck des Schulhofs, sogar noch hinter das Toilettengebäude, neben den Mülltonnen. Dort schlugen wir uns in jeder großen Pause. Als wir vor Anstrengung keuchten, spürten wir die Sinnlosigkeit des sich gegnseitigen Verkloppens. Das Duell blieb weiter unentschieden. Die Kämpfe dauerten einige Tage an. Alles tat mir weh und überall hatte ich blaue Flecken, doch ich wusste: ich gebe nicht auf! Endlich war der von mir lang ersehnte Augenblick gekommen, als mein Gegner sich nicht mehr prügeln wollte. Er ergab sich und flüsterte mir zu: „Du bist besser“.

      Meine Stellung in der Klasse war nun gefestigt. Jetzt muckt mir kein Bursche auf und mit dem Lernen hatte ich noch nie Schwierigkeiten. Mathematik und Physik liefen wie von selbst. Schlechter wars mit dem Fach Grammatik, doch auch dafür fand ich einen Weg: Den Mädchen half ich bei der Mathematik, dafür retteten sie mich vor Problemen im Fach Grammatik. In den Pausen spielten die Jungs Fußball auf dem Schulhof oder saßen auf den Bänken und spielten Münzfußball. Ich entschied mich meistens für den echten Ball. Unser Musiklehrer bestand darauf, dass ich den Schulchor verstärke. In der Probe sang ich so herrlich falsch, dass ich schleunigst wieder zurück aufs Fußballfeld geschickt wurde. Während eines Spiels traf mich ein Kumpel schmerzhaft am Sprunggelenk. Ich hinkte stark. Es schmerzte so sehr, dass ich schließlich auf einem Bein hüpfen musste. Zu der Zeit sollte ich zur ersten Kommunion. Zu Hause beachtete niemand, nicht mal der Onkel – der Arzt, mein Humpeln. Ich bemühte mich zu verbergen, dass mir was ist. In die Kirche hüpfte ich auf einem Bein. Niemand half mir. Erst einige Zeit später brachte mich Tante Basia zum Fotografen, um das Kommunionsfoto zu machen. Das Sprunggelenk war schließlich verheilt und ich konnte wieder laufen.

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