Название: Der Preis für ein Leben ohne Grenzen - Teil I
Автор: Adalbert Dombrowski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754938386
isbn:
Immer öfter fuhr der Onkel nach Warszawa. Manchmal blieb er eine Woche oder noch länger. Kurz vor Ende des Schuljahres gab Basia bekannt, dass der Onkel befördert wurde zum Abteilungs-Direktor des Gesundheitsministeriums und wir anfang Juli nach Warszawa umziehen. „Du wirst das General-Sowiński-Gymnasium im Stadtteil Wola besuchen“, erfuhr ich. Uns alle bewegte diese Nachricht. Antosia wollte nicht in die weit entfernte Hauptstadt, sie kündigte und kehrte zurück ins heimatliche Tuchola. Basia begann unter Marysias Mithilfe zu packen. Schlussendlich verschob sich der Umzug noch um einige Monate.
Endlich Pilot – das Abzeichen mit einer Möwe
Gleich nachdem ich mein Abschlusszeugnis der siebten Klasse erhalten hatte fuhr ich nach Przasnysz auf ein Sommerlager der Liga Lotnicza (Flugsport-Liga). Wunderbare zwei Wochen verbrachte ich dort, ausgefüllt mit Veranstaltungen zum Segelflug. Mein Traum war dabei wahr zu werden: in die Luft aufzusteigen und wie ein Vogel zu fliegen! Kein Modellflug mehr, jetzt erlernten wir die Theorie des echten Fliegens; den Flug selbst simulierten wir in einem echten Segelflugzeug. Dass es „nur” eine Szubienica (ausgesprochen: Schubjenietza) war, spielte überhaupt keine Rolle. Bei einer Szubienica versucht der „Pilot” mit den Steuerrudern im Wind das am Boden befestigte Segelflugzeug in der Horizontalen zu halten. Wir wurden im Schulungsgebäude untergebracht: einige Klassenzimmer dienten als Schlafsäle, andere als Unterrichtssäle. Der Theorieunterricht war Voraussetzung für die praktische Ausbildung. Viel habe ich gelernt über Luftfahrtvorschriften, meteorologische Phänomene sowie den Aufbau von Segelflugzeugen. Die Meteorologievorträge eröffneten eine ganz neue Perspektive nicht nur auf Wolken. Wir lernten die ganze Cumulus-Familie kennen: angefangen bei den von Segelfugzeugpiloten am meisten geliebten, bis hin zu den gefährlichsten, die Regen, Donner und Blitzschläge mit sich bringen. Eines Tages fragte der Dozent: „Wie nennt man eine Gewitterwolke?” Sofort hob ich meinen Finger und unterstrich meinen Willen zu antworten mit einem lauten „ich!” Der Lehrer sah mich an: „Na Wojtek, sag es uns.” „Das ist ein Cumulus wypieprzony”, antwortete ich zügig und hörte im selben Augenblick tosendes Gelächter. „Entschuldigung, Entschuldigung, ich habe mich versprochen! Das ist ein Cumulus wypiętrzony, zu erkennen an einem Amboss. Ihr wisst doch … ”, stellte ich meine vorherige Aussage richtig, doch es war zu spät. Die beiden Worte (wypieprzony und wypiętrzony) haben eine gewisse Ähnlichkeit in der Aussprache, bedeuten aber ganz verschiedenes: anstatt zu sagen, dass der Cumulus aufgetürmt ist, hatte ich gesagt, er sei versaut. Oh, lange haben sie mich damit aufgezogen.
Ungeduldig warteten wir, endlich zu dem hinter dem Schulgebäude stehenden Segelflugzeug zu dürfen. Ein riesiger, wunderbarer „Sęp” (vereinfacht ausgesprochen: Semmp). Alles in ihm war echt. Die „Szubienica” ließ fast schon echtes Fluggefühl zu, denn Bewegungen um alle drei Achsen waren möglich. Doch für jeden „Flug” brauchte es Wind - je mehr, desto besser. Dann konnte man das Segelflugzeug nicht nur im Horizontal”flug” halten, sondern auch leichte S-Kurven vollführen. Flaute stellte dennoch kein Hinderniss dar: bis zu einem gewissen Grad konnten drei Jungs den Wind vertreten. Wie wir das machten? An der Tragfläche und zu zweit am Heck standen die Burschen. Entsprechend der Ruderausschläge des „Piloten" im Cockpit hatten sie zu reagieren. Viele lustige Situationen und eine Menge Verwirrung gab es bei diesen händischen Windverhältnissen. Deshalb bevorzugte ich entschieden echten Sturm. Ungeduldig wartete ich auf Unwetter. Während alle sich im Schulgebäude verkrochen, stieg ich ins Cockpi des Sęp, schnitt durch die Regenströme und kämpfte mich zwischen den Wolken hindurch. Was für ein Flug!
Ein Fest im nahegelegenen Dorf machte uns natürlich neugierig. Vor der Feuerwehrwache waren Tische und Bänke aufgestellt. Die aus Holzbrettern aufgebaute Tanzfläche stand bereit. Die Kapelle spielte, Jungs forderten wartende Mädchen auf. Selbst der Sonnenaufgang war kein Grund heimzugehen. Und allein wollte ich auch nicht heim. Im Schatten der Bäume stand ein Mädel. Ich rückte an sie heran und begann ein Gespräch, um sie zu fragen, weshalb sie nicht tanzt. Als ich ihren deformierten Rücken sah, sparte ich mir die Frage. Doch das Mädel war mutiger und lud mich ein.
Zwei Wochen waren unerwartet schnell vergangen. Vom Fliegerlager kehrte ich zurück als fast schon echter Pilot. Meine stolze Brust schmückte mein erlangtes Segelfugabzeichen: das mit einer weißen Möwe.
Meine arme Mutter
Gleich nach dem Fliegerlager fuhr ich mit dem Zug zu Mama. Piła gefiel mir nicht: überall leerstehende Plätze - nach von im Krieg zerstörten Gebäuden. Ihre Ziegelsteine wurden zur „Wiederverwertung” auf Zugwaggonen zum Wiederaufbau der Hauptstadt nach Warszawa gebracht. Im Zentrum, auf dem Platz der Freiheit (Heute ein Teil der Aleja Piastów), ragte ein großer Jugendstilaltbau fast schon einsam wie auf weiter Flur auf - wie durch ein Wunder hatte es den Krieg unversehrt überstanden: im Erdgeschoss eine Apotheke. Das Gebäude gehörte Wiktor Skibicki, Tante Anetas Ehemann: nicht allzu groß, höchst angenehmen und ruhig. Insbesondere seine hervorragenden Umgangsformen zeichneten ihn aus. Als Pharmazeut thronte er in seiner Apotheke, doch während der Zeit kommunistischer Regierungen sollte sie ihm - wie auch sein Mietshaus - noch viel Leid und Probleme einbringen. Vom Eigentümer der Apotheke wurde er zu ihrem angestellten Leiter, das Mietshaus „übernahm" die Kommune. In einem Teil ihrer alten Wohnung im ersten Stock über der Apotheke „durften" Wiktor und Aneta bleiben. Der Tante Mutter – Helena, also die Schwester meiner Großmutter Ludwika, hatte darin ein großes, eigenes Zimmer. Sie hatten zwei Kinder: die von mir um acht Jahre jüngere Bożenka sowie der um neun Jahre jüngere Jurek. Bożenkas lange Krankheit nahm sie fort, als sie gerademal einundzwanzig Jahre alt war. Sie musste sich verabschieden, von einer ihr noch unbekannten Welt.
Mamas neue Wohnung in einem hässlichen Mietshaus in der Ludowa-Str. mit ebenfalls hässlichen und armseligen Möbeln desillusionierte mich sehr. Die beiden Zimmer zur Straßenseite hin waren zwar hell, die Küche sowie Mamas Schlafzimmer hingegen … stockdunkel - die Fenster zum lichtleeren Innenhof mit der Speicherkammer. In Piła eine Arbeit zu finden grenzte an ein Wunder, doch Mama war es gelungen eine Stelle in einer Fahrradfabrik zu bekommen. Ganze Tage verbrachte sie in Chemikaliendämpfen beim Lackiern von Fahrradrahmen. Ihre Gesundheit wurde zerstört, furchtbare Migränen begannen.
Doch die Familie von Seiten meines Vaters hatte die Witwe und uns Kinder vergessen. Dass Edek, ein Mensch von solcher - so genannter – Stellung eines der Kinder zu sich genommen hatte, genügte, um das familiäre Gewissen der Familie Dąbrowski einzuschläfern. Das für sie wichtigste war geregelt, dass Onkel Bolesław vor dem Tod meines Vaters die Grundbuchabschrift über den Grundbesitz wiedererlangt hatte. Vorsorglich hatte er ihn an Fabian überschrieben, um das Vermögen vor Gläubigerverlangen zu bewahren. Mit ihrer Unbekümmertheit und Verschwendungssucht hatte des Onkels Ehefrau nämlich Schuldenberge angehäuft. Onkel СКАЧАТЬ