Название: Der Preis für ein Leben ohne Grenzen - Teil I
Автор: Adalbert Dombrowski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754938386
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Die Dunkelheit verdeckte die Sackgasse, in der ich mich befand. Doch endlich konnte ich wieder einatmen und drehte mich vorsichtig auf den Bauch. Unter höllischen Schmerzen gelang es mir aufzustehen. Aber ich hatte die Wurst! Der Rücken setzte mir bei der kleinsten Bewegung zu, doch den Großteil der Leckerei schlang ich sofort herunter. Sie war köstlich, über-köstlich! Der Genuss an jedem weiteren Bissen linderte meine Schmerzen. Aber mehr konnte ich nicht essen, also steckte ich den Rest in die Tasche. Ich schlich mich in die Wohnung, denn ich fürchtete, dass jemand den Geruch der versteckten „Beweistückchen meines Vergehens“ bemerken würde. Im Flur war es ruhig, lediglich hinter verschlossenen Türen hörte man Stimmen: „Ich geh duschen“, gab ich laut bekannt und ging ins Bad. Der pedantische Onkel verlangte von uns, sich täglich zu duschen. „Soll er`s ruhig verlangen, ich werde erst recht nicht duschen“ - um ihn zu ärgern: Wie jeden Abend drehte ich den Wasserhahn auf und setzte mich an den Wannenrand. Den Dreck zwischen Sprunggelenk und Ferse konnte ich nicht mal mehr mit den Fingernägeln abkratzen. Ich konnte mich nicht beugen, vorsichtig wusch ich mich und putzte dann gründlich meine Zähne. Darauf könnte ich nichtmal um den Onkel zu ärgern verzichten. Ich legte mich ins Bett, doch es schmerzte weiterhin. „Wie gut, dass morgen Sonntag ist“, dachte ich. Doch der Sonntag verging und ich konnte mich kaum bewegen. In der Schule erzählte ich den Jungs, dass ich einen Unfall hatte. Sogar der Lehrer bemerkte, dass mit mir etwas nicht stimmt und schickte mich zum Arzt. „Ich wohne doch bei einem Arzt“, antwortete ich.
Ein halbes Jahrhundert später fiel ich beim Rollschuh laufen heftig auf den Rücken: Ich assistierte meinem kleinen Sohn beim Fahrradfahren. Plötzlich bog Albert auf der steilen Straße scharf ab. Er raste auf einen niedrigen Zaun zu. Ich sah schon, wie er sich auf den scharfen Zaunlatten aufspießen würde. Blitzschnell holte ich ihn ein und hob ihn samt seines Fahrrads in die Höhe, jedoch lehnte ich mich dabei zu weit nach hinten. Schließlich fand ich mich im Krankenhaus wieder. Ein Wirbel war gebrochen. „Aber Sie hatten schon mal einen gebrochenen Wirbel“, hörte ich vom Arzt. Damals - wegen der Wurst - zog ich mir also den ersten Wirbelbruch zu. Der Arzt behielt mich im Krankenhaus. Ohne Bewegung lag ich ganze zehn Tage im Bett, bevor ich aufstehen durfte. Damals überzeugte ich mich selbst davon, dass man schon in so kurzer Zeit das Gehen verlernt.
Allmählich gewöhnte ich mich an mein „neues Leben“ in Bydgoszcz. In der Schule hatte ich eine gefestigte Stellung unter meinen Schulkammeraden. Zu Hause hatte ich gelernt, dem finsteren Onkel aus dem Weg zu gehen, mit Tante Basia konnte ich mich immer einigen. Rysia und Magda störten mich nicht, sie hatten ihre Mädchen-Angelegenheiten. Von der Schule eilte ich nach Hause; aß das von Marysia servierte Mittagessen, machte schnell meine Hausaufgaben und der im Haus umherschwirrenden Antaosia warf ich im Vorbeilaufen zu: „Ich bin in der Modellwerkstatt“; und schon war ich weg. Spät abends kam ich heim.
Als wir noch in der Jagiellońska-Str. (Focha-Str.) wohnten, entdeckte ich in der Gdańska-Str. ein Lokal der „Liga Lotnicza“ (Flugsport-Liga: öffentlicher Luftfahrt-Verband). Lange unterhielt ich mich über mein Interesse an der Fliegerei. Ich erzählte von meinen ersten Flugmodellen, die ich gemeinsam mit meinem älteren Kumpel im Speicher in Tuchola gebaut hatte sowie von den Piloten, deren Kampf ich am Kriegshimmel beobachtet hatte. Die Herren führten mich zur Flugmodellwerkstatt in derselben Straße; ebenfalls ein früheres Geschäftslokal mit großem Schaufenster und einer Eingangstür direkt von der Straße. In ihr thronten Tische, an denen Jungs unter der Anweisung älterer, erfahrener Kollegen Drachen bauten und die Fortgeschritteneren komplizierte Segelflugzeug- und Motorflugzeugmodelle. Hier baute ich mein erstes, selbst konstruiertes Segelflugzeugmodell. Bei gutem Wetter trugen wir stolz unsere Modelle außerhalb der Stadt, um ihren Widerstreit mit den Luftmassen zu beobachten. Häufig kehrten wir zurück mit zerbrochenen Modellen, die ihren Kampf mit dem Wind und der gnadenlosen Erdanziehungskraft verloren hatten. Die Modellwerkstatt wurde mein neues zu Hause.
Es kamen heiße Sommertage. Abends füllten sich die Straßen mit spazierenden Pärchen und Mädels in farbenfrohen Kleidern schmückten die grauen, mit nur wenigen und dazu noch ärmlichen Leuchtreklamen beleuchteten Straßen. Unsere Antosia machte einen unruhigen Eindruck als sie eines Tages das Abendessen auftischte und auffällig häufig auf die Wanduhr blickte. Schließlich verschwand sie in der Bedienstetenkammer. „Antosia hat heut abend eine Verabredung“, teilten mir Magda und Rysia die ungewöhnliche Neuigkeit mit. Ja! Unsere Antosia hat einen Verehrer. Und schon hörten wir schnelle Schritte im Flur und wie die Wohnungstür leise geschlossen wurde. Wir liefen auf den Balkon zur Straße hin. Vor dem Haus ging ein Herr in einer Radrennmütze auf und ab. Antosia kam aus der Haustür. Sie war nervös und unnatürlich steif. Der Herr näherte sich ihr, berührte charmant seinen Mützenschirm und nahm Antosia an der Hand. Sie schritten die Straße herab. Wir begannen zu applaudieren und zu kichern. Antosia würdigte uns keines Blickes. Doch selbst von hier oben konnte man sehen, dass sie rot geworden war wie eine Tomate. Erst spät kam sie nach Hause, wir schliefen schon. Am nächsten Tag wollten wir sie ärgern, doch sie drückte nur zornig ihre Lippen zusammen und wendete sich ab; sie erzählte nichts. Eine weitere Verabredung gab es genauso wenig.
Zu Hause war Tramp aufgetaucht, ein schwarz-weiß gefleckter Spaniel: kein Welpe mehr, sondern ein erwachsener, wohlerzogener Hund; meine Freude und der Liebling aller Hausbewohner. Na, vielleicht aller bis auf Edeks, der entweder in der Arbeit war oder am Schreibtisch, wo man ihn bloß nicht stören durfte. Wenn ich von der Schule heimkam, grüßte mich Tramp freudig - mit dem Stumpf des ihm abgeschnittenen Schwanzes unaufhörlich wedelnd. Den Hund auszuführen wurde meine angenehme Verpflichtung. Ich nahm ihn überall hin mit, dass er nicht traurig im Eck lag. Am liebsten ging ich mit ihm zum Modellfliegen. Er tobte umher und lief den am Schlepptau startenden Modellen bellend hinterher. Eines Tages bat mich Marysia bestellte Backwaren abzuholen. Ich nahm die Leine und legte Tramp das Halsband an. Vor der Bäckerei warf ich die Leine aufs Ausstellungsgitter und ging die Treppen hoch. Die Tasche mit den Backwaren hatte ich schon in der Hand, als Tramps schmerzdurchdrungenes Jaulen durch mich durchschoss. Ich rannte zu ihm und sah, wie er zu Tode erschrockene und vor Schmerz gekrümmt nach Hause lief, die Leine schliff am Boden. Nur mit Mühe legte er sich auf seine Liegestätte. Der Arme winselte und ließ sich im Bauchbereich nicht berühren. Irgendein Hornochse, denn anders kann man so jemanden nicht nennen, muss ihn getreten haben, als er brav vor dem Geschäft auf mich wartete. Wir waren ratlos, Tante Basia zitterte sogar. Der Onkel war auf Dienstreise. Gab es in Bydgoszcz irgendeinen Veterinär? Alle beobachteten weinend unseren verletzten Hund. Der arme Tramp wurde immer leiser und schwächer, bis er von uns gegangen war - in den „Hundehimmel“.
Mit dem neuen Schuljahr war Magda nach Warszawa zurückgekehrt. Rysia war zu Mama nach Piła in die neue Wohnung umgezogen, in die Ludowa-Str. 66. Mama hatte unser Haus mit wunderschönem Garten sowie einem riesigen Obst- und Gemüsegarten eingetauscht in eine Dreizimmer-Erdgeschosswohnung in einem dunklen, hässlichen und zerlumpt aussehenden Gebäude. Über mich hinweg wurde entschieden, dass ich beim Onkel bleibe.
Düstere Herbsttage folgten, hinter den Fenstern herrschte Sauwetter. Die Schule fiel mir leicht, sogar mit dem Zeichnen gings einigermaßen - dank der diskreten Hilfe des Schuldirektors, der in seiner СКАЧАТЬ