Название: Geschichte meines Lebens
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783754183267
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Mein Vater bekam zu jener Zeit das Scharlachfieber und René schrieb während der Krankheit an meine Großmutter, um sie zu beruhigen; dabei beging er eine unfreiwillige Indiskretion in Bezug auf meine Geburt, von der er sie unterrichtet glaubte. Von der Heirath ist in diesem Briefe nicht die Rede und ich glaube nicht, daß man ihn in's Vertrauen gezogen hatte, aber er schrieb es der dauernden Zuneigung für Sophie zu, daß mein Vater bei den Bemühungen für sein Avancement so geringe Erfolge hatte. Das scheint mir indessen nicht bewiesen, denn mein Vater war von der allgemeinen Ungnade des Generalstabes mit betroffen, und wenn es wahr ist, daß er es durch beharrliche Aufdringlichkeit und andere Schritte hätte dahin bringen können, eine Ausnahme zu seinen Gunsten zu erlangen, so bin ich ihm nicht böse, daß er zu ungeschickt war, auf diese Weise Erfolge zu erreichen. Aber meine Großmutter, erschreckt und aufgebracht durch die Einflüsterungen, zu denen das zärtlichste Interesse Herrn von Villeneuve veranlaßt hatte, schrieb einen ziemlich bittern Brief an ihren Sohn, der diesem einen neuen Fieberanfall zuzog. Die Antwort ist voll Zärtlichkeit und Schmerz.
Dritter Brief
10. fructidor (August 1804).
„Ich bin, wie Du, meine gute Mutter, sagst, ein Undankbarer und ein Narr. Ein Undankbarer war ich niemals! Narr werde ich vielleicht, krank an Leib und Seele, wie ich jetzt bin. Dein Brief hat mir mehr Schmerz bereitet, als die Antwort des Ministers, denn Du klagst mich wegen meines Mißgeschickes an und willst, daß ich Wunder thue, um es zu beschwören. Ich kann nicht auf Schleichwegen gehen und Intriguen anspinnen und das ist Deine eigne Schuld, denn Du hast mich frühzeitig die Höflinge zu verachten gelehrt. Wenn Du nicht schon seit mehreren Jahren fern von Paris und von der Welt zurückgezogen lebtest, würdest Du wissen, daß das neue Regime in dieser Beziehung schlimmer, als das alte ist, und würdest mir kein Verbrechen daraus machen, daß ich mir selbst treu geblieben bin. Wenn der Krieg länger gedauert hätte, so glaube ich, daß ich mir einen Rang erobert haben würde, aber da man ihn jetzt in der Antichambre gewinnen muß, so gestehe ich, daß ich in diesen Verhältnissen keine glänzenden Feldzüge geltend zu machen habe. Du wirfst mir vor, daß ich niemals mit Dir über meine innern Zustände spreche — aber Du hast es ja selbst nicht gewollt; denn ist es wohl möglich, da Du mich beim ersten Worte beschuldigst, ein schlechter Sohn zu sein! Ich bin genöthigt zu schweigen, denn ich habe Dir nur eine Antwort zu geben, die Dich nicht zufrieden stellt, nämlich die, daß ich Dich liebe und Niemand mehr liebe als Dich. — Warst Du nicht immer meinem Wunsche entgegen, Dupont zu verlassen und in die Linie zurückzutreten? Jetzt erkennst Du, daß ich mich in einer Sackgasse befinde, aber es ist zu spät. Jetzt muß man die Erlaubniß wie eine spezielle Gunst Sr. Majestät empfangen, und die Gunst und ich, wir gehen nicht denselben Weg.“
Er kehrte nach Nohant zurück und blieb sechs Wochen dort, ohne daß das verhängnißvolle Geständniß aus seinem Herzen über die Lippen ging. Aber das Geheimniß war errathen, denn gegen das Ende des brumaire im Jahre XIII (November 1804), zu derselben Zeit, als er nach Paris zurückkehrte, schrieb seine Mutter an den Maire des fünften Arrondissements:
„Eine Mutter, mein Herr, wird ohne Zweifel Ihnen gegenüber nicht nöthig haben, das Recht zu begründen, mit dem sie sich Ihnen vorstellt und Sie um Ihre Aufmerksamkeit ersucht.
„Ich habe starke Gründe zu fürchten, daß mein einziger Sohn sich kürzlich in Paris ohne meine Einwilligung verheirathet hat. Ich bin Wittwe, er ist 26 Jahre alt, im Militärdienst und heißt Moritz Franz Elisabeth Dupin. Die Person, mit welcher er die Ehe geschlossen haben soll, führt mehrere Namen; der, welchen ich für den ihrigen halte, ist Victorie Delaborde. Sie muß älter sein, als mein Sohn und beide wohnen zusammen rue Meslay, No. 15 bei Herrn Maréchal, [Mein Onkel; er hatte eben meine Tante Lucie geheirathet.] und weil ich glaube, daß diese Straße in Ihrem Arrondissement liegt, nehme ich mir die Freiheit, Ihnen meine Fragen vorzulegen und meine Befürchtungen zu vertrauen. Ich wage zu hoffen, daß Sie meinen Brief demjenigen Ihrer Herrn Collegen zustellen werden, in dessen Arrondissement sich die rue Meslay befindet.
„Dieses Mädchen oder diese Frau, ich weiß nicht, wie ich sie zu nennen habe, wohnte im letzten nivose in der rue de la Monnaie, wo sie eine Putzhandlung hielt.
„Seit sie in der rue Meslay wohnt, hat sie, ich glaube im messidor, meinem Sohne eine Tochter geboren, die in den Registern unter dem Namen Aurora, Tochter des Herrn Dupin und … eingetragen ist. Diese Einschreibung könnte Ihnen, wie mir scheint, einiges Licht über die Heirath verschaffen, wenn diese vorher abgeschlossen wurde, wie ich des Vornamens wegen glaube, welchen man dem Kinde beigelegt hat. Einige Indizien veranlassen mich zu der Vermuthung, daß die Heirath im letzten prairial stattfand. Ich habe die Ehre, an eine Magistratsperson, vielleicht an einen Familienvater zu schreiben und dieser doppelte Titel wird mir nicht vergeblich Hoffnung auf eine möglichst schnelle Antwort und auf die strengste Diskretion gemacht haben, möge das Resultat der Forschungen, um die ich Sie bitte, sein, welches es wolle.
„Ich habe die Ehre u.s.w.
Dupin.“
Zweiter Brief.
Von Madame Dupin an den Maire des I. Arrontissements.
„Indem Sie meine Befürchtungen bestätigten, mein Herr, haben Sie mir das Herz zerrissen, und es wird lange währen, ehe es für die Tröstungen empfänglich ist, die Sie ihm spenden, aber niemals wird es der Dankbarkeit verschlossen sein und ich weiß vollkommen den Werth einer Absicht zu schätzen, die Ihrem Herzen Ehre macht. Indessen verdanke ich Ihren Bemühungen schon zu viel, um nicht noch auf etwas zu hoffen. Sie scheinen zu glauben, daß der größte Verstoß, den man bei dieser Heirath begangen hat, der ist, daß man die achtungswerthesten und zärtlichsten Gefühle verletzte. Ich sehe, daß Sie diese Gefühle verstehen, aber Sie können unmöglich wissen, bis zu welchem Grade mein Solm sie verletzt hat. Ich weiß es selbst noch nicht, aber mein Herz sagt mir, daß er sehr strafbar sein muß, da er glaubte, mir aus dem wichtigsten Schritte seines Lebens ein Geheimniß machen zu müssen. Sie sind der einzige Mensch, der mir helfen kann, das Geheimniß zu ergründen, weil Sie der Einzige sind, der es weiß, denn ich wage keinem meiner Bekannten in Paris zu vertrauen, was mein Sohn seiner Mutter verheimlichte — und ich wage noch weniger selbst hinzukommen, während er dort ist und meine Besitzung zu verlassen, die er, wie ich hoffte, durch eine seiner und meiner würdige Lebensgefährtin verschönern sollte. Indessen muß ich wohl wissen, wer diese sonderbare Schwiegertochter ist, die er mir geben will — meine Ruhe und sein künftiges Wohlsein hängt davon ab. Damit mein Herz sich mit allen Consequenzen seines Fehlers vertraut machen kann, ist es durchaus nöthig, daß ich ihn in allen Einzelnheiten kenne. — Ihr geehrter College, der Maire des ... Arrondissements, hat die Güte gehabt, Ihnen die Mittheilung des Aktenstückes anzubieten, welches die von den beiden Gatten vorgelegten Papiere enthält und er wird Ihnen gewiß eine genaue Abschrift aller dieser Papiere nicht verweigern. Ich wage von Ihrer Gefälligkeit, oder ich sollte vielmehr sagen, von Ihrer gefühlvollen Theilnahme zu erwarten, daß Sie ihn in Ihrem oder in meinem Namen darum bitten werden.“
Aus diesem so schmerzlichen, so großmüthigen und doch so geschickt geschriebenen Briefe ist leicht zu ersehen, daß meine Großmutter mit den Akten in der Hand zu untersuchen wünschte, ob es nicht möglich sei, die Ehe für ungültig erklären zu lassen. Sie war mit dem Namen und der Vergangenheit ihrer Schwiegertochter nicht so unbekannt, als sie sagte — sie gab nur vor, von Nichts zu wissen, um ihre Absichten nicht zu verrathen, und wenn sie im Hintergründe eine Art Verzeihung sehen ließ, die zu gewähren sie durchaus noch nicht gesonnen СКАЧАТЬ