Geschichte meines Lebens. George Sand
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Название: Geschichte meines Lebens

Автор: George Sand

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783754183267

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СКАЧАТЬ zu sein, hätte er von der unerschöpflichen Zärtlichkeit dieser guten Mutter Alles erlangt, wenn er den entschiedenen Schritt gewagt hätte, ihr die Wahrheit zu sagen.

      Er hatte nicht den Muth dazu und es war gewiß kein Mangel an Aufrichtigkeit, aber es handelte sich um einen jener Kämpfe, in denen er immer besiegt wurde. Er mußte herzzerreißende Klagen anhören, mußte Thränen sehen, deren Vorstellung schon im Stande war, ihm die Ruhe zu rauben. In diesem Punkte fühlte er sich schwach, und wer dürfte ihm deswegen einen ernstlichen Vorwurf machen? — Seit zwei Jahren schon war er entschlossen, meine Mutter zu heirathen; jeden Tag ließ er sie schwören, daß sie ihre Einwilligung dazu geben würde, und seit zwei Jahren war er immer vor dem Augenblick zurückgewichen, das Versprechen zu erfüllen, das er vor Gott abgelegt hatte, weil ihn die glühende Zuneigung und die eifersüchtige Verzweiflung zurückschreckte, die er im Herzen seiner Mutter gefunden hatte. Er hatte sie im Laufe dieser zwei Jahre, während unaufhörliche Abwesenheiten ihr immer neue Qualen bereiteten, nur dadurch beruhigen können, daß er ihr die Kraft seiner Liebe verbarg und ihr verhehlte, welche Zukunft ihm seine Treue schaffen sollte. Wie mußte er an jenem Tage leiden, als er, ohne seinen Verwandten und seinen besten Freunden etwas zu vertrauen, den Namen seiner Mutter auf eine Frau übertrug, welche durch ihre Liebe zwar verdiente ihn zu führen, aber mit welcher diesen Namen zu theilen, seine Mutter sich jedenfalls nur schwer gewöhnen konnte. Aber er that es trotz alledem; er war traurig, angstvoll, doch er zögerte nicht. Im letzten Augenblicke, als Sophie schon in ihr einfaches Kleidchen von Bafin gehüllt war und einen schmalen Goldreif am Finger trug — denn der Zustand ihrer Finanzen erlaubte ihnen erst nach einigen Tagen einen wirklichen Trauring für sechs Franks zu kaufen — im letzten Augenblicke noch, schlug ihm die glückliche, zitternde, für ihre Zukunft immer unbesorgte Sophie vor, auf die Weihe der Ehe zu verzichten, die, wie sie sagte, ihre Liebe nicht zu erhöhen vermochte. Er bestand jedoch ernstlich darauf, und als sie mit ihm von der Mairie zurückgekommen war, legte er den Kopf in die Hände und überließ sich für eine Stunde dem Schmerze, der besten Mutter ungehorsam gewesen zu sein. Er versuchte ihr zu schreiben, aber er konnte ihr nur die wenigen Zeilen schicken, die ich oben mitgetheilt habe und in welchen er, trotz seiner Anstrengungen, seine Furcht und seine Reue verräth. Und dann schickte er den Brief ab und bat seine Frau um Verzeihung, wegen dieses Augenblicks, den er der angebornen Zuneigung geschenkt hatte, nahm meine Schwester Caroline, das Kind einer andern Verbindung, in seine Arme, betheuerte, daß er sie ebenso lieben wollte, als das Kind, dessen Geburt sie erwarteten, und dann bereitete er sich zur Abreise nach Nohant vor, wo er acht Tage zu bleiben beschlossen hatte, in der Hoffnung Alles gestehen zu können und Alles gut aufgenommen zu sehen.

      Aber es war eine vergebliche Hoffnung. Er sprach zuerst von Sophiens Zustande, und indem er den Kopf meines Bruders Hippolyt, des Kindes aus dem kleinen Häuschen, liebkoste, deutete er darauf hin, wie schmerzlich ihm die Geburt dieses Knaben gewesen wäre, dessen Mutter ihm gezwungnerweise fremd geworden war. Er sprach von den Pflichten, welche die unbedingte Liebe einer Frau dem rechtschaffenen Manne auferlegt, und von der Schändlichkeit, eine solche Frau zu verlassen, nachdem man die Beweise der größten Hingebung von ihr empfangen hat. Aber schon bei den ersten Worten brach meine Großmutter in Thränen aus und ohne auf irgend etwas zu hören, ohne auf irgend einen Streit einzugehen, bediente sie sich ihrer gewöhnlichen Beweisgründe, jener Beweisgründe, welche voll zärtlicher Perfidie und rührender Eigensucht waren. „Du liebst eine Frau mehr als mich“, sagte sie; „also liebst Du mich nicht mehr! Wo sind die Tage von Passy geblieben, wo sind die Gefühle, die ausschließlich Deiner Mutter geweiht waren? Wie sehne Ich mich nach der Zeit zurück, als Du mir schriebst: Wenn Du mir zurückgegeben sein wirst, will ich Dich keinen Tag, keine Stunde mehr verlassen! Warum bin ich nicht wie so viele Andere 1793 gestorben! dann würdest Du mich so in Deinem Herzen bewahrt haben, wie Du mich damals darin trugst, und ich hätte nie eine Nebenbuhlerin gehabt!“

      Was konnte er einer so leidenschaftlichen Liebe erwiedern? Moritz weinte, antwortete nichts, und verschloß sein Geheimniß in seiner Seele.

      Er kehrte nach Paris zurück, ohne sich entdeckt zu haben und lebte ruhig und zurückgezogen in seiner einfachen Häuslichkeit. Meine gute Tante Lucie war im Begriff, sich mit einem Offizier, einem Freunde meines Vaters zu verheirathen, und sie pflegten sich zu kleinen Familienfesten mit einigen Freunden zu vereinigen. Eines Tages hatten sie einige Quadrillen getanzt; meine Mutter trug gerade ein hübsches rosenfarbnes Kleid und mein Vater spielte auf seiner treuen Cremoneser Geige eine Tanzmelodie eigner Erfindung. Meine Mutter war ein bischen leidend, verließ die Tanzenden und ging in ihr Zimmer. Da ihr Gesicht nicht entstellt war, und da sie sich in größter Ruhe fortbegeben hatte, wurden die Contretänze fortgesetzt. Bei dem letzten Chassez-huit begab sich meine Tante Lucie in das Zimmer meiner Mutter und rief in demselben Augenblicke: Kommen Sie, kommen Sie, Moritz! Sie haben eine Tochter!

      „Sie soll Aurora heißen, wie meine gute Mutter, die nicht hier ist, um sie zu segnen, aber die sie eines Tages segnen wird,“ sagte mein Vater, indem er mich in seine Arme nahm.

      Es war der 5. Juli 1804, im letzten Jahre der Republik und im ersten des Kaiserreichs.

      „Ihre Geburt war von Musik und Rosenroth umgeben, sie wird glücklich sein!“ rief meine Tante.

       Die Zeit dieser Arbeit. — Mein Signalement. — Naive Ansichten meiner Mutter über die Civil-Ehe und kirchliche Ehe. — Das Mieder der Madame Murat. — Allgemeine Ungnade des Generalstabes. — Herzensqualen. — Mütterliche Diplomatik.

      Alles Vorhergehende ist unter der Regierung Ludwig Philipp's geschrieben. Am 1. Juni 1848 nehme ich die Arbeit wieder auf und bewahre die Erzählung alles dessen, was ich während dieses Zeitraums gesehen und empfunden habe, für eine andere Phase meiner Geschichte auf.

      Ich habe viel gelernt, viel erlebt, viel gealtert während dieser kurzen Unterbrechung, und vielleicht trugen diese verspäteten und plötzlichen Erfahrungen über das allgemeine Leben dazu bei, mich die Ideen, die mein ganzes Leben erfüllten, so würdigen zu lehren, wie ich jetzt thue. Ich werde nicht weniger streng gegen mich selbst sein, aber Gott weiß, ob ich noch denselben unbefangenen Glauben, denselben vertrauenden Eifer haben werde, die mich innerlich stützten. Wenn ich mein Buch vor der Revolution beendigt hätte, würde es ein anderes geworden sein, nämlich das eines Einsiedlers, eines großherzigen Kindes, wie ich zu sagen wage, denn ich hatte die Menschheit nur an Individuen studirt, die oft Ausnahmen waren und von mir immer mit Muse beobachtet wurden. Seitdem habe ich, mit den Augen, einen Feldzug in der Welt der Thatsachen mitgemacht und bin nicht so daraus hervorgegangen, wie ich war, als er begonnen wurde. Ich habe dabei die Illusionen der Jugend verloren, die ich, als ein Vorrecht meines zurückgezogenen und beschaulichen Lebens, länger bewahrt hatte, als dies gewöhnlich der Fall ist.

      Mein Buch wird also ein trauriges sein, wenn ich unter dem Einflusse des Eindrucks bleibe, den ich in der letzten Zeit empfangen habe. Aber wer weiß? Die Zeit geht schnell und endlich ist die Menschheit nicht anders als ich bin, d. h. sie läßt sich mit großer Leichtigkeit entmuthigen und wieder ermuthigen. Gott behüte mich, wie J. J. Rousseau zu glauben, ich sei besser, als meine Zeitgenossen, und ich hätte das Recht, sie zu verfluchen. Jean Jacques war krank, als er seine Sache von der der Menschheit trennen wollte.

      Wir haben Alle in diesem Zeitalter mehr oder weniger von der Krankheit Rousseau's gelitten — wir wollen uns bemühen mit Gottes Hülfe zu genesen.

      Ich kam also am 5. Juli 1804 zur Welt, während mein Vater die Violine spielte und meine Mutter ein hübsches rosa Kleid trug, und hatte wenigstens den Theil des Glückes, das meine Tante Lucie mir prophezeite, daß ich meiner Mutter keine langen Leiden bereitete. Ich wurde als legitime Tochter geboren, das würde aber nicht geschehen sein, hätte mein Vater die Vorurtheile seiner Familie nicht so entschlossen bei Seite geworfen. Es war ein Glück für mich, ohne das sich meine Großmutter vielleicht meiner nicht so liebevoll СКАЧАТЬ