Geschichte meines Lebens. George Sand
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Название: Geschichte meines Lebens

Автор: George Sand

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783754183267

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СКАЧАТЬ war von starker Constitution und versprach während meiner ganzen Kindheit sehr schön zu werden — ein Versprechen, das ich durchaus nicht gehalten habe. Vielleicht ist es meine Schuld, denn in dem Alter, wo die Schönheit erblüht, verbrachte ich meine Nächte schon mit Lesen und Schreiben. Als Tochter zweier vollkommen schöner Menschen hätte ich nicht ausarten sollen, und meine arme Mutter, die Schönheit höher schätzte, als alles Andere, machte mir oft naive Vorwürfe darüber. Ich meinestheils habe mich niemals entschließen können, große Sorgfalt auf meine Person zu verwenden. Ebenso sehr wie ich die äußerste Reinlichkeit liebe, ebenso sehr scheint mir eine gesuchte Weichlichkeit unerträglich. Der Arbeit zu entsagen, um ein klares Auge zu haben; sich nicht dem Sonnenschein auszusetzen, wenn Gottes schöne Sonne uns unwiderstehlich anzieht; nicht in guten, großen Holzschuhen zu gehen, aus Furcht, die Form der Füße zu verderben; Handschuhe zu tragen, d. h. auf die Geschicklichkeit und Kraft seiner Hände zu verzichten, sich zu einem ewig linkischen Wesen, zu einer ewigen Schwäche zu verurtheilen; sich niemals anzustrengen, wenn doch Alles uns auffordert, uns nicht zu schonen; mit einem Worte: unter einer Glocke zu leben, um nicht von der Sonne gebräunt zu werden, nicht rauhe Haut zu haben und vor der Zeit zu welken — das ist mir nie möglich gewesen. — Meine Großmutter verschärfte noch die Verweise meiner Mutter und das Kapitel der Hüte und Handschuhe war die Verzweiflung meiner Kindheit, aber obgleich ich nicht gern widerspenstig war, konnte mich der Zwang doch nicht beugen. — Ich bin nur einen Augenblick frisch und niemals schön gewesen. Meine Züge sind ziemlich regelmäßig, aber ich dachte nie daran, ihnen den geringsten Ausdruck zu geben. Die Gewohnheit einer Träumerei, von der ich mir selbst nicht Rechenschaft ablegen könnte, die mir aber fast schon in der Wiege eigen war, gab mir frühzeitig ein „einfältiges“ Ansehen. Ich sage das Wort gerade heraus, denn mein ganzes Lebenlang: während meiner Kindheit, im Kloster, im Schooße meiner Familie hat man es mir gesagt, und so muß es wohl wahr sein.

      Im Ganzen war ich in meiner Jugend, mit meinen Haaren, Augen und Zähnen und ohne irgend eine Verunstaltung, weder häßlich noch schön zu nennen — ein Vortheil, der nach meiner Ansicht sehr wichtig ist; denn die Häßlichkeit stößt Vorurtheile in dem einen Sinne ein, die Schönheit in einem andern. Von einem glänzenden Aeußern erwartet man zuviel, einem abstoßenden mißtraut man zu sehr. Es ist besser ein gutes Gesicht sein eigen zu nennen, das Niemand blendet und Niemand erschreckt — und ich habe mich dabei mit meinen Freunden beider Geschlechter immer wohl befunden.

      Ich habe von meinem Gesichte gesprochen, um damit nun fertig zu sein. In der Geschichte eines Frauenlebens droht dieses Kapitel sich unendlich in die Länge zu ziehen und könnte den Leser erschrecken. Ich habe mich dem Gebrauche gefügt, das Aeußere der Personen zu beschreiben, die man auftreten läßt, und that es gleich bei den ersten Worten, die mich selbst betreffen, um mich dadurch dieser Kinderei völlig und für die ganze Folge meiner Erzählung zu entledigen. Vielleicht hätte ich mich auch gar nicht darauf einlassen sollen, aber ich richtete mich nach der herrschenden Sitte und fand, daß selbst sehr ernste Männer nicht glaubten, sich dieser entziehen zu dürfen — es würde also vielleicht den Anschein einer Anmaßung gehabt haben, wenn ich der, oft ein wenig einfältigen Neugier des Lesers die kleine Schuld nicht bezahlt hätte.

      Indessen wünsche ich, daß man sich in Zukunft von dieser Anforderung der Neugierigen frei macht, und daß man, wenn man durchaus gezwungen ist, sein Portrait zu entwerfen, sich damit begnügt, das Signalement seines Reisepasses zu copiren, welches, durch den Polizei-Commissär des Bezirkes ausgestellt, in seinem Style weder etwas Emphatisches noch Compromittirendes hat. Hier ist das meinige: Augen schwarz, Haare schwarz, Stirn gewöhnlich, Gesichtsfarbe blaß, Nase wohlgeformt, Kinn rund, Mund mittel, Größe vier Fuß zehn Zoll. Besondere Kennzeichen, keine.

      Aber gerade bei dieser Gelegenheit muß ich einen seltsamen Umstand erwähnen, nämlich, daß ich erst seit zwei oder drei Jahren gewiß weiß, wer ich bin. Ich weiß nicht, welche Gründe oder welche Einbildungen mehrere Personen — die behaupteten, bei meiner Geburt gegenwärtig gewesen zu sein — veranlaßten mir zu sagen, man habe mir nicht mein wirkliches Alter beigelegt, und zwar aus Gründen, die sich bei einer heimlichen Ehe leicht errathen lassen. Nach dieser Lesart würde ich 1802 oder 1803 in Madrid geboren sein, und der Geburtsschein mit meinem Namen wäre also der eines andern seitdem geborenen und kurz nachher wieder verstorbenen Kindes. Und diese Erzählung, mit der man mich irre führte, war nicht so unwahrscheinlich, als man glauben könnte, da die Register zu jener Zeit noch nicht mit der strengen Pünktlichkeit geführt wurden, die sie jetzt durch die neue Gesetzgebung erhalten haben, und da bei der Heirath meines Vaters in Wahrheit eigenthümliche Unregelmäßigkeiten vorgekommen waren, die jetzt unmöglich noch vorkommen könnten und von denen ich bald sprechen werde. Als man mir die Entdeckung machte, fügte man hinzu, daß meine Verwandten mir die Wahrheit über diesen Punkt nicht sagen würden — ich vermied deshalb sie zu fragen und blieb in dem Glauben, daß ich in Madrid geboren und ein oder zwei Jahr älter sei, als man angenommen hatte. Zu jener Zeit las ich die Correspondenz meines Vaters mit meiner Großmutter in Eile durch, und ein unrichtig datirter und irriger Weise der Sammlung von 1803 beigefügter Brief bestärkte mich in meinem Irrthume. Dieser Brief, den man an seinem richtigen Platze finden wird, machte mich nicht mehr irre, als ich die Correspondenz, um sie zu übertragen, einer genaueren Prüfung unterwarf; und endlich erhielt ich Gewißheit über meine Identität durch den Zusammenhang von Briefen, die ich bis dahin nicht geordnet und nicht gelesen hatte, die ohne Interesse für den Leser, aber von großer Wichtigkeit für mich sind, da sie diesen Punkt feststellen. Ich bin also wirklich zu Paris am 5. Juli 1804 geboren, ich bin mit einem Worte ich selbst, und das ist mir sehr angenehm, denn es hat immer etwas Störendes, in Zweifel über seinen Namen, sein Alter und sein Vaterland zu sein. Länger als zehn Jahre habe ich diese Zweifel ertragen, ohne zu wissen, daß sich in einem alten, noch nicht untersuchten Schranke die Mittel befanden, sie gänzlich zu zerstreuen. Es ist wahr, daß ich in dieser Sache die Unthätigkeit zeigte, die mir in allen mich persönlich betreffenden Angelegenheiten eigen ist, und ich hätte wohl sterben können, ohne zu wissen, ob ich in eigener Person oder an der Stelle einer andern gelebt habe, wenn mir nicht die Idee gekommen wäre, über mein Leben zu schreiben und zu diesem Zwecke seinen Anfang zu ergründen.

      Mein Vater hatte sich in Boulogne-sur-Mer aufbieten lassen und schloß die Heirath in Paris ohne Vorwissen seiner Mutter. Dies würde jetzt nicht möglich sein, aber damals war es möglich, Dank der Unordnung und Unsicherheit, welche die Revolution in alle Verhältnisse gebracht hatte. Das neue Gesetzbuch ließ noch einige Möglichkeit die Einwilligung der Eltern zu umgehen, und der Fall der „Abwesenheit“ war in Folge der Emigration leicht unterzuschieben und wurde oft gebraucht. Es war damals ein Moment des Ueberganges von der alten Gesellschaft zur neuen, und das Räderwerk der letzteren wollte noch nicht recht in den Gang kommen. — Weitere Einzelheiten will ich nicht angeben, obgleich mir die betreffenden Papiere vorliegen, um den Leser nicht mit trockenen Rechtsfragen zu langweilen. Gewiß ist, daß man einige Formalitäten, die jetzt unentbehrlich wären, die man damals aber nicht für unbedingt nöthig hielt, gar nicht oder nur ungenügend erfüllt hatte.

      Meine Mutter war ein lebendiges Beispiel dieser Uebergangsperiode. Alles, was sie von dem Civil-Akte ihrer Heirath begriffen hatte, war, daß er die Legitimität meiner Geburt sicherte.

      Sie war fromm und blieb es immer, ohne sich der Frömmelei zu ergeben — und was sie als Kind geglaubt hatte, glaubte sie so lange sie lebte, aber sie kümmerte sich nicht um die bürgerlichen Gesetze und dachte nicht daran, daß ein Akt des Municipal-Beamten ein Sakrament ersetzen könnte. Sie machte sich also auch keine großen Skrupel wegen der Unregelmäßigkeiten, welche die Schließung der Civil-Ehe erleichterten, aber sie trieb dieselben soweit, als es sich um die kirchliche Trauung handelte, daß meine Großmutter derselben, trotz ihrer Abneigung, beiwohnen mußte. Aber das fand später statt, wie ich erzählen werde.

      Bis dahin hielt sich meine Mutter nicht für die Mitschuldige einer rebellischen Handlung gegen die Mutter ihres Mannes, und wenn man ihr sagte, Madame Dupin sei sehr aufgebracht gegen sie, so pflegte sie zu antworten:

      „— Wirklich, das ist sehr ungerecht СКАЧАТЬ