Geschichte meines Lebens. George Sand
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Название: Geschichte meines Lebens

Автор: George Sand

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783754183267

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СКАЧАТЬ schreibe ich Dir einmal wieder von einem Meierhofe oder Lehensgute, das ich, in Erwartung des Generals Dupont, für den Generalstab eingerichtet habe. Ostrohow ist ein reizendes Dorf und liegt auf einer Anhöhe, welche Boulogne und das Meer beherrscht. Unser Lager ist auf Römerweise abgesteckt, es ist ein vollkommenes Quadrat. Heute Morgen habe ich eine Skizze davon entworfen, sowie von den andern Divisionen, welche am Meere liegen, und habe das Ganze in einem Briefe dem Seigneur Dupont geschickt. Wir sind hier im Schmutz bis an die Ohren. Hier giebt es weder gute Betten, um auszuruhen, noch gute Feuer, um sich zu trocknen, noch große Sessel, um sich darin zu dehnen, noch eine gute Mutter von übermäßiger Sorgfalt, noch eine feine Kost. Den ganzen Tag umherlaufen, um die Truppen unterzubringen, die ankommen und deren Hütten noch nicht aufgeschlagen sind, sich beschmutzen, sich durchnässen, die Küste im Lauf des Tages hundert Mal hinauf- und hinabsteigen, das ist unsere Arbeit. Es ist das Mißgeschick des Krieges, aber eines Krieges, dem aller Reiz geraubt ist, da wir uns nicht vom Flecke bewegen und nicht einen Schuß abfeuern können, um uns das Warten auf die große Expedition zu erleichtern, von der hier so wenig die Rede ist, als ob sie niemals stattfinden sollte. Aengstige Dich also nicht, liebe Mutter, nichts ist bereit, und es dauert vielleicht noch über ein Jahr, ehe wir uns englische Pferde holen.“

      Vom 7. Pluviose des Jahres XII (Januar 1803). Im Lager von Ostrohow.

      „Es giebt Augenblicke des Glücks, welche alle Leiden auslöschen! Eben habe ich Deinen Brief vom 26. erhalten — Ach, meine liebe Mutter, kaum vermag mein Herz die Gefühle zu fassen, die es durchdringen, meine Augen füllen sich mit Thränen, die mich zu ersticken drohen. Bei jedem Ausdrucke Deiner Liebe oder Deiner Güte muß ich weinen wie ein zehnjähriger Knabe — und ich weiß nicht, ob vor Schmerz oder vor Freude! O, meine gute Mutter, meine vortreffliche Mutter, wie soll ich Dir den Schmerz beschreiben, den mir Dein Kummer, Deine Unzufriedenheit bereitet haben. Ach! Du weißt es wohl, daß die Absicht Dich zu betrüben nie in meiner Seele Raum finden kann, und daß von allen Leiden, die ich zu tragen habe, das Bitterste ist, wenn ich Dir Thränen erpresse. Dein letzter Brief hatte mir das Herz zerrissen, der heutige giebt mir Frieden und Freude wieder. Ich finde darin endlich die Sprache und das Herz meiner Mutter wieder; sie sieht es ein, daß ich kein schlechter Sohn bin, und daß ich nicht verdiente, so viel zu leiden. Ich versöhne mich wieder mit mir selbst; denn wenn Du mir sagst, daß ich schuldig bin, suche ich mich zu überreden, daß Du Recht haben mußt, auch wenn mein Gewissen mir nichts vorwirft. Und ehe ich Dir widerspreche, will ich mich lieber aller Verbrechen schuldig bekennen.

      „Ich weiß nicht, wer Dir gesagt haben mag, daß ich mich in's Meer stürzen wollte. Ich habe diesen Gedanken nie gehabt, denn dadurch würde ich mich gegen Dich zu versündigen glauben, die Du mich so innig liebst. Wenn ich mich mehrere Male dem Tode in den Fluthen ausgesetzt habe, so geschah es ohne zu bedenken, was ich that. Ich mißfiel mir in Wahrheit so sehr auf der Erde, daß ich mich auf den Wogen behaglicher fühlte; das Toben des Windes, die heftigen Stöße der Barke, paßten besser als alles Uebrige zu dem, was in mir vorging, und inmitten dieser Bewegung fühle ich mich gleichsam in meinem Elemente.

      „Lebe wohl, meine geliebte Mutter; bewahre die Feder, mit welcher Du mir den letzten Brief geschrieben hast, und bediene Dich nie einer andern, um an Deinen Sohn zu schreiben, dessen Liebe für Dich Deiner Güte gleichkommt, und der Dich so zärtlich umarmt, wie er Dich liebt.

      „Ich möchte wohl Cato-Deschartres hier haben, um das hübsche Gesicht zu sehen, das er beim Schwanken des Schiffes und dem Tosen des Meeres machen würde.“

      Hauptquartier zu Ostrohow, den 30. Pluviose, Jahr XII.

      „Der Divisions-General Dupont, Kommandeur der 1. Division des Lagers von Montnui! [Dies war ein gedruckter Briefanfang.] ... hat mich in diesen Tagen so sehr in Anspruch genommen, mich bald an die Küste, bald auf das Meer geschickt, daß ich nicht einen Augenblick finden konnte, um Dir zu schreiben. Vorgestern, als ich eben einen Brief für Dich begann, wurde ich durch ein Dutzend Kanonenschüsse unterbrochen. Es war das Vorspiel einer Kanonade, welche den ganzen Tag zwischen unsern Batterien und der englischen Flotte stattgefunden hat. Wir haben uns natürlich sofort an die Küste begeben und haben dort sieben Stunden lang das interessanteste und angenehmste Schauspiel gehabt, denn die ganze Küste war ein Feuer, die ganze Rhede war mit Schiffen bedeckt und trotz der zweitausend Schüsse, die von beiden Seiten abgefeuert sind, haben wir nicht einen Mann verloren. Die feindlichen Kugeln flogen über unsre Köpfe weg und verloren sich, ohne irgend Jemand Schaden zu thun, im Felde.

      „Nachdem ich den General Bertrand wenigstens sechs Mal vergebens aufgesucht hatte, habe ich ihn endlich hier gesehen. Er kam zum General Dupont, um mit ihm zu speisen, und ich bin von ihm entzückt. Er hat ein offnes, liebenswürdiges, freundschaftliches Wesen, ohne „feinen Ton“, ohne Ansprüche. Wir haben vom Berry gesprochen, mit der Freude zweier Landsleute, die sich fern von ihrer Heimath begegnen und die sich von allem Interessanten und Fesselnden unterhalten, was sie dort zurückgelassen haben, von ihren Müttern besonders.“

      Vom Fayel, den 12. Prairial.

      „Wir sind hier sehr beschäftigt. Seit vier Tagen haben wir ungeheure Touren machen müssen, „zu dem Zwecke“, uns über die Fassung der Adresse zu vereinigen, die wir gezwungnermaßen dem ersten Consul überreichen werden „zu dem Zwecke“, ihn zur Annahme der Kaiserkrone und des Thrones der Cäsaren dringend aufzufordern.“

      Während Moritz dies an seine Mutter schrieb, war Victorie (oder Sophie, wie er sich gewöhnt hatte sie zu nennen) zu ihm nach Fayel gekommen. Sie war ihrer Niederkunft nahe und so war ich also auch im Lager von Boulogne, freilich bewußtlos, wie Jeder denken kann, und bald darauf erblickte ich das Licht der Welt, ohne mehr Bewußtsein zu haben. Das Ereigniß meiner Geburt fand in Paris statt, am 16. Messidor des Jahres XII, gerade einen Monat nach dem Tage, an welchem sich meine Eltern unauflöslich mit einander verbanden. Da meine Mutter ihre Stunde nahen fühlte, wollte sie nach Paris zurückkehren, und mein Vater folgte ihr am 12. Prairial. Am 16. begaben sie sich im Geheimen nach der Mairie des 2. Arrondissements und denselben Tag schrieb mein Vater an meine Großmutter:

      Paris, den 16. Prairial, Jahr XII.

      „Ich habe die Gelegenheit benutzt, nach Paris zu gehen, und bin nun da. Dupont hat seine Einwilligung dazu gegeben, weil ich jetzt, da ich vier Jahre lang als Lieutenant gedient habe, ein Recht auf den Rang eines Rittmeisters habe und mich dazu melden will. Ich wollte Dich in Nohant überraschen, aber heute früh erhielt ich einen Brief von Dupont, in welchem er mir ein eigenhändiges Gesuch schickt, das die erste offne Stelle für mich vom Minister verlangt und nun werde ich dadurch für einige Tage zurückgehalten. Wenn ich diesmal nichts erlange, werde ich Mönch. Vitrolles, der das Gut Ville-Dieu zu kaufen beabsichtigt, wird mit mir nach dem Berry gehen. Herr von Ségur unterstützt mein Gesuch. Ich hoffe Dich endlich und zwar bald zu sehen. Deinen letzten Brief, der mir von Boulogne nachgeschickt ist, habe ich erhalten ... wie gut ist er! — Nun, ich hoffe Dich wo möglich Mittwoch zu umarmen, und das wird ein glücklicher Tag für mich sein. Es giebt deren so einige im Leben, die uns für alle andern trösten. Meine geliebte Mutter, ich umarme Dich!“

      Mein Vater war an diesem Tage zugleich glücklich und zum Tode betrübt. Er hatte nun seine Pflicht gegen eine Frau erfüllt, die ihn aufrichtig geliebt hatte und durch welche er bald Vater werden sollte. Er hatte seine Liebe durch eine unauflösliche Verbindung heiligen wollen, aber wenn er sich glücklich und stolz fühlte, dieser Liebe gehorcht zu haben, die mit seinem Gewissen eins geworden war, so hatte er doch den Schmerz seiner Mutter zu täuschen und ihr ungehorsam СКАЧАТЬ