Название: BePolar
Автор: Martha Kindermann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: BePolarTrilogie
isbn: 9783748590385
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Den nächsten Stopp legen wir auf der gegenüberliegenden Seite an einer Tür mit schwarzem Viereck ein.
»Das Computerkabinett«, erklärt Mamaente und scannt ihren Daumen. Diesmal ist kein Zischen zu hören, denn die Tür muss von Hand geöffnet werden. Ceyda drückt die Klinke kraftvoll nach unten und die Tür öffnet nach innen. Ein wahres Paradies für Hacker und Computernerds liegt vor uns.
»Ihr dürft euch gern umsehen, aber ohne etwas anzufassen, verstanden?« Ceyda spricht mit überzeugender Erwachsenenstimme und alle Anwesenden nicken ihr geistesabwesend zu. Caris setzt sich an einen der Tische und starrt auf den Flatscreen vor sich.
»Wie bedient man dieses Ding? Es gibt doch nirgendwo eine Maus, geschweige denn eine Tastatur.« Sie fährt suchend mit ihren Händen die Tischplatte ab.
»Mentalismus, Caris, hast du der Pfefferhauser nicht zugehört?« Ich glaube, meine Zimmergenossin ist mit allem etwas überfordert. Mein Sarkasmus macht es nicht gerade besser. Das bemerke ich aber immer erst, wenn es zu spät ist. Plötzlich beginnt sich an der Decke eine rote Lampe wie verrückt zu drehen und eine schreckliche Sirene ertönt.
»Alle sofort hinlegen!« Ceydas Anweisung lässt uns gesammelt zu Boden gehen. Nur Kuno, der Angeber, steht wie angewurzelt da und hält beide Hände in die Luft.
»Kuno, leg dich gefälligst auf den Boden, oder willst du von einem Laserstrahl gegrillt werden?« Ceydas Stimme klingt messerscharf und augenblicklich liegt der lange, hagere Kerl kerzengerade unter dem Stuhl. Ich glaube, es vergehen fünf Minuten, bis das rote Licht ausgeht und das Lied der Sirene verstummt. Niemand regt sich.
»Sind die Laser ausgeschaltet?«, fragt Taranee, auf ihre penetrante Art und ich wundere mich, wie sie es schafft, trotz ihrer Angst, den arroganten Touch beizubehalten. Dennoch, ihre Frage ist berechtigt. Ich habe durch meine ungünstige Liegeposition seit zwei Minuten einen Krampf in der Hüfte und hätte nichts gegen Bewegung einzuwenden. Ceyda schwingt sich elegant auf ihre Rollschuhe und klatscht in die Hände.
»Die Gefahr ist gebannt, ihr dürft euch erheben.« Die Klasse atmet erleichtert auf. »Dies war eine Demonstration. Bei unbefugtem Betreten, illegalem Surfen, Diebstahl, Vandalismus oder Essen am Arbeitsplatz kann schon einmal der Alarm ausgelöst werden. Solch eine Aktion endet normalerweise immer im Büro des Chefs, welches sich direkt um die Ecke befindet. Soll heißen: Lasst es lieber bleiben und haltet euch an die Hausordnung! Wir sind eine Eliteschule und hier werden ausschließlich disziplinierte, intelligente und ernsthafte Schüler studieren. Wem diese Regeln widerstreben – da ist die Tür.« Sie zeigt zum Ausgang und das Lächeln ist gänzlich aus ihrem Gesicht verschwunden. »Bei mir erhaltet ihr die Chance, die Schule und ihre Werte auf eine lockere Art kennen und verstehen zu lernen. Sollte euch das nicht gelingen, hat Frau Prof. Pfefferhauser noch ganz andere Methoden auf Lager, glaubt mir. Wir wollen niemandem etwas Böses. Unsere Aufgabe besteht darin, euch die Wichtigkeit dieses Projektes und die Wichtigkeit eurer eigenen Funktion in diesem Gefüge verständlich zu machen. Wer sich einfügen kann, hat die Möglichkeit, Großes zu leisten und sein Wissen weiterzugeben. Allen anderen wünsche ich gute Heimreise!« Sie macht eine kleine Drehung und rollt aus dem Zimmer.
Ich bin verwirrt und mein Kopf ist hohl, hohl, hohl. Ich bin nicht sicher, ob ich Teil eines ›Gefüges‹ sein will. Es ist ungewohnt, eine wichtige Rolle zu spielen. Dieser Umstand übt einen starken Druck auf mich aus. Keine Ahnung, ob ich das auf Dauer aushalten kann. Ich habe gern eine Aufgabe, bin gern unter Menschen und tue gern sinnvolle Sachen, aber ich habe noch nicht besonders oft Verantwortung übernommen. Können sich meine Mitmenschen auf mich verlassen? Ich werde darauf vertrauen müssen, dass die Dozenten schon wissen, was sie tun.
Ceyda fährt zum Ende des Ganges und öffnet eine schwere Flügeltür. Noch ist alles dunkel und ich hoffe, diesmal ist keine Sirene eingeschaltet. Sie bedient einen Stromkasten neben der Tür und schaltet die Lichter ein. Wir stehen in einem Kinosaal. Circa fünfzig weinrote Samtstühle sind auf eine große Leinwand gerichtet. Schön, dass ich mit meinen Vermutungen einmal richtig lag.
»Bitte Platz nehmen und bequem machen.« Ceyda rollt zum Technikraum und löscht die Lichter. Dann startet sie den Filmprojektor und sucht sich einen Sitzplatz.
Die Nationalflagge von Polar in den Farben Indigo, Weiß und Gelb erscheint, begleitet von einer Instrumentalversion der Landeshymne. Nun wird eine Landkarte gezeigt und langsam in unsere Hauptstadt gezoomt. Die graphischen Bilder verwandeln sich in Luftaufnahmen und plötzlich finden wir uns vor dem Regierungspalast wieder. Das Bild wird unscharf und die Musik verwandelt sich in reale Hintergrundgeräusche. Herr Moreno tritt auf und zeigt mit der rechten Hand in Richtung des Regierungsgebäudes.
»Ich stehe hier vor dem Wahrzeichen unseres Landes. Hier wird die Vergangenheit abgespeichert und die Zukunft vorprogrammiert. In unterschiedlichen Gremien werden die Pfeiler dieser Gesellschaft gestrickt, gebaut und gefeilt, wieder eingerissen und neu errichtet. Ein Kreislauf, der seit Jahrzehnten zu funktionieren scheint. Alle Mitarbeiter hier sind an ein und demselben Ziel interessiert: dieses Land sicher zu machen, von Hunger und Arbeitslosigkeit zu befreien, die Familien zu stärken, die Forschung voranzutreiben, die Umweltkatastrophen einzudämmen und die Welt in kleinen Schritten ein wenig besser zu machen. Alle sieben Jahre werden neue Kräfte mit innovativen Ideen in sämtlichen Bereichen benötigt, denn die Welt dreht sich oft schneller, als wir mithalten können.
»Ihr seid diese neuen Kräfte. Wir haben euch ganz bewusst ausgewählt, denn jeder Einzelne bringt Fähigkeiten mit, welche diesem Gefüge nützlich, ja unabdinglich, sein werden.« ›Gefüge‹, da ist es wieder dieses fremde Wort. Er ist also tatsächlich der Meinung, wir sind die Zukunft Polars? Kuno und Taranee kümmern sich als Minister um die Familienpolitik? Na, viel Spaß auch.
»Ich kann mir vorstellen, dass ihr Zweifel hegt, ob ihr dieser Aufgabe gewachsen seid. Doch glaubt mir, Professor Pfefferhauser und unserem Team hochqualifizierter Psychologen, Pädagogen, Politikwissenschaftlern und Wirtschaftsingenieuren – ihr seid die Eleven von morgen. Ihr seid Innovation, ihr seid Perspektive, ihr seid die Zukunft!« Ich schaue mich um und blicke in hypnotisierte Gesichter. Alle starren gebannt auf Moreno. Bin ich die Einzige, die sich eigene Gedanken erlaubt? Mir schwirren unzählige Fragen im Kopf herum und ich hätte gern Raum, um meine Knoten im Gehirn zu ordnen.
Warum bin ich hier? Warum soll ich mich auf diese dämlichen Auswahltests vorbereiten, an denen ich keinerlei Interesse habe? Warum lassen sich die anderen so blind führen? Ist dieser Moreno ein Staatsdiener auf der Suche nach jungen Talenten oder bastelt er sich seinen eigenen Fanclub aus fehlgeleiteten jugendlichen Mängelexemplaren zusammen und winkt ihnen mit leeren Versprechungen? Was immer hier vor sich geht, ich werde es früher oder später durchschauen, auch wenn ich just in diesem Moment den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen kann. Ich schließe die Augen, um den Ablenkungen des Kinosaals zu entfliehen und kurz abzutauchen.
Unbefugten kein Zutritt
Ich schlage die Augen auf und bin zu Hause. Mist, aus dem kurz abtauchen wird also nichts. Ich bin unsicher, ob mich das traurig stimmt oder glücklich macht. Es war alles ein Traum. Der Traum aus der vergangenen Nacht – ich konnte ihn ohne Anstrengung weiter träumen – krass.
05:55 Uhr – noch fünfundzwanzig Minuten, bis der Wecker sich meldet. Ich drehe mich um und versuche, an die nächtlichen Geschehnisse anzuknüpfen. Der Kinosaal, Morenos Präsentation. Nichts. Sehr schade!
Ich betrachte die abgeschliffenen Glasscherben meines Traumfängers und die unruhigen Ornamente, die sie an die Zimmerdecke zaubern. Rhea hatte recht, dieses mystische Geschenk beschert mir gute Träume – oder nennen СКАЧАТЬ