Schule – quo vadis?. Peter Maier
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Название: Schule – quo vadis?

Автор: Peter Maier

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783752956931

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СКАЧАТЬ im gegenwärtigen Schulsystem zu wenig Zeit bestünde, echtes Wissen zu vertiefen. Damit schlägt sie indirekt in die gleiche Kerbe wie der Kulturkritiker Liessmann, der durch die Kompetenzorientierung der Lehrpläne echte Bildung und echte Wissensvermittlung verschwinden sieht. Auf die Frage, was die ideale Schulform für sie wäre, antwortet die Schülersprecherin: „Eine Schule für alle, die viele Möglichkeiten bietet, damit jeder seine Stärken entwickeln kann. Die den Schülern Zeit gibt, herauszufinden, wo ihre Stärken liegen. Lernen sollte aktiver vom Schüler ausgehen. Uns wird der Stoff vor allem vorgesetzt, wir haben keine Zeit, uns Wissen in den Gebieten zu erarbeiten, die uns interessieren. Es gilt immer nur die nächste Prüfung. Bulimielernen eben.“28

      Besonders bemerkenswert finde ich, was Luka Fischer zum Thema „Demokratische Schule“ vorbringt – das Hauptanliegen des Symposiums „Basis 15“: „Wir wollen, dass die Schule demokratischer wird … Wir möchten, dass auch das staatliche Schulsystem ein bisschen mehr in die demokratische Richtung geht und nicht alles so strikt ist. Der Grundgedanke unserer Schulpflicht ist Chancengleichheit, die als Grundstein der Demokratie gilt. In unserem jetzigen Schulsystem wird man zu einem passiven stummen Bürger erzogen. Das lassen wir uns nicht gefallen. Auch deswegen organisieren wir Basis 15.“29

      Vielleicht handelt das Schüler-Symposium im Geiste Mahatma Ghandis, ohne sich dessen aber bewusst zu sein. Er sagte, dass Mittel und Ziel eines Prozesses untrennbar zusammen gehören. Man kann ein gutes Ziel nur erreichen, wenn man dazu gleichzeitig gute Mittel einsetzt, die mit dem Ziel korrespondieren und in denen das Ziel bereits „vorvorhanden“ ist. Auf den Wunsch der Schüler nach mehr Demokratie in den Schulen angewandt, könnte dies dann bedeuten: Wenn man unsere Schüler zu jungen Demokraten erziehen will, müssen auch die Methoden und Mittel des Bildungssystems demokratische Strukturen haben, in denen das Demokratieverständnis eingeübt werden kann. Ich jedenfalls vertrete die Meinung, dass den Ideen und Vorschlägen der Hauptbetroffenen, der Schüler, in Zukunft mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden soll – gerade wenn es um Reformen im Bildungsbereich geht.

      In jedem Fall ist bemerkenswert, dass dieser Schüler-Kongress „Basis 15“ überhaupt stattfand und dass am letzten Tage zur Ergebnis-Präsentation fast alle in den bayerischen Landtag gewählten Parteien sowie Lehrerverbände Vertreter geschickt hatten. Abgesehen davon, dass der Kongress selbst ein Beispiel für eine basisdemokratische Entwicklung neuer Ideen im Bildungsbereich geben könnte, halte ich die Forderungen der Schüler für bedenkenswert. Sie wünschen sich echte Partizipation und wollen bei bildungspolitischen Themen in Zukunft mehr Einfluss nehmen können, wie ein Bericht nach dem Kongress zeigt: „Bei der Gestaltung des Lehrplans sowie des Unterrichts oder der Beurteilung von Lehrproben im Referendariat wollen die Schüler mitreden … Außerdem forderten die Jugendlichen mehr Pädagogik im Lehramtsstudium, ein flexibleres System, etwa um kreativ zu arbeiten oder aktuelle Themen im Unterricht zu besprechen, und eine längere gemeinsame Schulzeit.“30

      Die Lehrer stehen den Schülern näher

      Mit dem letzten Zitat wird bereits die Art des Schulsystems berührt, das in mehreren westlichen Bundesländern seit Jahren in der Dauerdiskussion ist. Dabei geht es zur Zeit fast ausschließlich um den „richtigen“ Schulrahmen, also um die „geeignete“ Schulstruktur achtjähriges (G 8) oder neunjähriges Gymnasium (G 9). Es wäre klug, dazu auch Pädagogik-Verbände zu befragen. Ein Verband vertritt zwar in erster Linie die Bedürfnisse seiner Mitglieder: in diesem Falle die der Lehrer. Sie aber sind es, die täglich mit den Schülern arbeiten. Daher sind sie Experten, wenn es um Fragen der Lernfähigkeit und Lernbereitschaft oder um die sozialen und emotionalen Bedürfnisse ihrer Schüler geht – vor allem in der Pubertät.

      Am Beispiel des mitgliederstarken Bayerischen Philologenverbandes soll dies näher aufgezeigt werden. Sein Vorsitzender, Max Schmidt, hat sich 2014 engagiert in die Diskussion um das „richtige“ Bayerische Gymnasium eingebracht. Im Namen seines Verbandes hat er bereits im März 2014 Eckpunkte für eine Rückkehr zu einem modifizierten neunstufigen Gymnasium vorgestellt. Seine Argumente könnten meiner Ansicht nach auch für die Bildungsdiskussion in anderen Bundesländern von Bedeutung sein: „'Das achtjährige Gymnasium hat uns zwei Dinge gelehrt ... Erstens, dass die Zeit zum Erwachsenwerden nicht qua Verordnung reduziert werden kann und zweitens, dass theoretische Überlegungen, die im Hauruckverfahren eingeführt werden, jahrzehntelangen Ärger zur Folge haben.'“31

      So werden in diesen Eckpunkten die Schüler und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt gestellt. Die Gymnasiasten sollen entlastet werden, um wieder mehr Zeit für Persönlichkeitsentwicklung und außerschulische Lernerfahrungen zu haben. „Pro Woche sollen die Jugendlichen nicht mehr als 30 bis 32 Stunden Pflichtunterricht haben. Es soll mehr Zeit für Vertiefung, Festigung und Förderung geben; außerdem ein 'vielfältiges Wahlangebot im musisch-ästhetischen Bereich.'“32

      Diese Stimme des Bayerischen Philologenverbands stellt eine wohltuende Abkehr von überstürzten und am grünen Tisch entworfenen Reformen im Schulbereich dar. Schüler sind keine Ware, keine Dinge, keine Produkte und keine Schachfiguren, die man beliebig herumschieben kann. Sie sind junge Menschen in der Entwicklung – auf dem Weg zu sich selbst. Der Bayerische Philologenverband hat dies erkannt und versucht, sich in der gegenwärtigen Bildungsdiskussion um das G 8- oder G 9-Gymnasium kompetent einzubringen.33

      In den Kultusbehörden mancher Bundesländer hat man nämlich in der Vergangenheit das Kind mit dem Bade ausgeschüttet – beeindruckt vom Pisa-Schock und von Forderungen von Wirtschaftsverbänden, die möglichst viele Gymnasialabsolventen in möglichst kurzer Zeit für Berufsausbildung oder Studium haben wollen. Reformen im Bildungsbereich waren notwendig, weil sich alles in der Welt mit hoher Geschwindigkeit weiterentwickelt. Die Schulen, die ja unsere Jugendlichen „fit for the job“ machen möchten, müssen sich dieser globalen Entwicklung auch in Zukunft stellen, gerade weil Deutschland das „Land der Ingenieure“ bleiben will, um es einmal plakativ zu formulieren. Deutschland ist ein Bildungsland und muss Schritt halten können mit der Weltentwicklung – mit der Entwicklung in den anderen Industrieländern oder in Schwellenländern wie etwa China, dem aufstrebenden Riesen.

      Wenn dabei aber etwa mit einem unausgegorenen Turbo-Gymnasium die eigentlichen Bedürfnisse der Schüler übersehen oder gar die Seele der Jugendlichen verraten wird, hat dies mittel- und langfristig fatale Konsequenzen. Jugendliche brauchen genügend Freiraum für ihre Entfaltung und Persönlichkeitsentwicklung. Schülern in der Unter- und Mittelstufe ist vor allem die Beziehung zum Lehrer wichtig, erst in zweiter Hinsicht geht es um das Fach, das er vertritt. Die Verantwortlichen in Gesellschaft, Wirtschaft und Bildungspolitik hingegen haben offensichtlich nur ein Ziel: Sie wollen die Schüler in möglichst kurzer Zeit an unsere Leistungs- und Konsumgesellschaft heranführen. Um eine Persönlichkeitsentwicklung oder gar um eine Herzensbildung geht es immer weniger, auch wenn überall von „individueller Förderung“ die Rede ist.

      Persönlichkeitsentwicklung braucht Zeit

      Anders als etwa in Bayern wurde in Hessen 2013 eine landesweite echte Wahlmöglichkeit zwischen dem G-8- und dem G-9-Gymnasium eingeführt. Die Hessische Landesregierung unter Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) ermöglichte diesen Schritt, weil sie Stimmenverluste bei der Landtagswahl 2013 befürchtete.34 Die Leiterin der Schillerschule in Frankfurt, Karin Hechler, die zunächst mit großer Begeisterung das Gymnasium G 8 eingeführt hatte, ist mit ihrer Schule als eine der ersten wieder zum G-9-Gymnasium zurückgekehrt. Ihre Argumente dafür sind von Bedeutung, weil sie wieder ganz die Schüler und ihre Bedürfnisse in den Blick nehmen:

      „Wir mussten lernen, dass man in acht Jahren nicht dasselbe machen kann wie in neun Jahren – selbst dann nicht, wenn die Kinder auch nachmittags an der Schule sind und die Zahl der Unterrichtsstunden aufgestockt wird. Vieles, etwa die zweite Fremdsprache, wurde im G 8 nach vorne verlagert. Dadurch mussten die Kinder in der fünften bis siebten Klasse plötzlich viel mehr Stoff bewältigen. Die Kinder wurden gestopft und reiften nicht. Und zur Bildung СКАЧАТЬ