Schule – quo vadis?. Peter Maier
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Название: Schule – quo vadis?

Автор: Peter Maier

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783752956931

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СКАЧАТЬ gelitten. Nach der Prüfung war vieles sofort wieder vergessen ...

      Die Schüler haben sich immer seltener für kreative Fächer angemeldet, die nicht Pflicht waren. Es gab eine regelrechte Abhak-Mentalität. Die Schüler haben nur noch das gemacht, was unbedingt erforderlich war, und zwar nicht aus Interesse, sondern um es hinter sich zu bringen. Die Schulkultur ist dadurch sehr glatt gebügelt worden ...

      In einer Umfrage haben sich die Schüler beklagt, dass sie keine Zeit mehr für Sport und Musik außerhalb der Schule haben, dass selbst an den Wochenenden keine Zeit bleibt, Freunde zu treffen ... Sehr viele Kinder wünschen sich freie Zeit für sich, in der sie autonom bestimmen können, was sie tun.“35

      Frau Hechler hat sich zusammen mit ihrem Kollegium Gedanken gemacht, was das eigentliche Ziel von Bildung und Schule sein sollte und was ein Jugendlicher braucht, um in der immer komplexer werdenden heutigen Welt leben und bestehen zu können: „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schule Bildungsreichtum vermitteln muss. Hochschulreife bedeutet, über den Tellerrand hinauszuschauen. Aber um das zu vermitteln, braucht man Zeit.“36 Dennoch ist Frau Hechler der Meinung, dass sie nicht zurück zum G 9, sondern vorwärts zum G 9 gegangen ist, weil viele positive Erkenntnisse aus dem G-8-Modell beibehalten wurden – zum Beispiel die intensive Hausaufgabenbetreuung.

      Achtjähriges Gymnasium – eine Schule der Angst?

      Zu diesen Überlegungen über die Schulstruktur und ihre Konsequenzen soll noch eine ganz andere Stimme zu Wort kommen: die des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Im März 2014 titelte die SZ anlässlich des 20. Jugendkongresses des BVKJ in Weimar: „Schule der Angst. Achtjähriges Gymnasium – der Druck macht immer mehr Schüler krank ... Depressionen seien schon häufiger als Masern und Mumps ... Fast jeder dritte Schüler hat Kopfschmerzen, Schlafprobleme oder Niedergeschlagenheit.“37 In diesem Zusammenhang wird auch der Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler Klaus Hurrelmann zitiert, der einen deutlichen und engen Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Störungen vieler Schüler im psychischen und psychosomatischen Bereich mit dem System Schule sieht: Die verkürzte Gymnasialzeit und der damit verbundene gestiegene Leistungsdruck führen zu immer mehr Verhaltensauffälligkeiten und eben zu Erkrankungen.38

      Lehrermangel, Inklusion und vor allem das Gymnasium G 8 sind auch nach Meinung vieler Ärzte des BVKJ die Hauptursachen, dass das seelische Leid der Schüler immer mehr zunimmt. Viele von ihnen sind wie in einem Hamsterrad gefangen und können nicht mehr richtig abschalten: Die Gedanken kreisen dann womöglich zwanghaft um den nächsten Termin, die nächste Klausur, die nächsten Noten. Viele Schüler machen sich diesen Druck selbst, weil sie gut sein und ihre Eltern nicht enttäuschen wollen. Sie wollen sich auf keinen Fall als Versager fühlen – nicht selten ein Teufelskreis von Leistungsdruck, Angst und infolgedessen von psychosomatischen Symptomen. Für die Kinder- und Jugendärzte des BVKJ sind dies alarmierende Zeichen. Zudem kämpfen landesweit Elternverbände seit Jahren um die Abschaffung des G 8, weil ihre Kinder in diesem Schulsystem mit mehrfachem Nachmittagsunterricht zu wenig Freizeit haben, um sich entspannen und ihre Persönlichkeit besser ausbilden zu können.39

      In dem G-8-Gymnasium ist es die Regel, dass Schüler etwa der Mittel- und Oberstufe an zwei oder sogar an drei Nachmittagen die Woche herkömmlichen (!) Unterricht haben. Dabei kann es passieren, dass sie an einem Tag acht, neun oder sogar zehn Unterrichtsstunden bewältigen müssen, unterbrochen nur durch eine 45-minütige Mittagspause. Viele Schüler sind dann in den Nachmittagsstunden nicht mehr in der Lage, den unterrichteten Stoff wirklich gut aufzunehmen und sind abends nur noch total erschöpft. Wenn sie so lange in der Schule verweilen, bräuchten Sie Freizeit, Ausgleich, Sport, Hausaufgabenbetreuung, aber nicht immer neuen Stoff – auch am Nachmittag. Diese Art von Schulsystem kann noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, höchstens eine Übergangsphase, die noch einer sinnvollen Weiterentwicklung bedarf. Die Gefahr ist groß, dass solch ein Schulsystem zunehmend nur noch rational ausgerichtete „Hirnkinder“ hervorbringt, denen eine wirkliche Herzensbildung fehlt.

      Außerdem gerät das zweite schulische Bildungsziel neben der reinen Stoff- und Kompetenzvermittlung gerade im G-8-Gymnasium immer mehr unter die Räder: die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler sowie der Prozess ihrer Initiation, das heißt ihres Erwachsenwerdens. Dies braucht Zeit, die es für viele Jugendliche im G 8 nicht mehr oder nicht ausreichend gibt. Die Hauptintention dieses Buches ist es, vor allem diesem vernachlässigten zweiten Bildungsziel Raum zu geben und in den nachfolgenden Kapiteln den eigentlichen Schlüssel der Pädagogik zu finden. Doch zunächst sollen in diesem ersten Kapitel noch einige Aspekte der berühmten „Hattie-Studie“ genannt werden, die in einem Buch über Schule nicht fehlen darf, weil sie eine wichtige Orientierung in Bildungsfragen geben und ein wohltuendes Korrektiv zur gegenwärtig so aufgeheizten Bildungsdiskussion darstellen kann.

      Seit 2009 erregt das Werk des Neuseeländers John Hattie weltweit großes Aufsehen in der Bildungsdiskussion. Dazu titelt Martin Spiewak in DIE ZEIT: „Ein neuer Name geht um in der Pädagogik. Man liest Aufsätze und hört ihn in Vorträgen. Einige der wichtigsten deutschen Schulforscher kommen ohne ihn nicht mehr aus. Und schon bald, das sei prophezeit, werden es alle sein. Vom 'Hattie-Faktor' und vom 'Hattie-Ranking' ist die Rede. Und man fragt: 'Was steht bei Hattie dazu?'“40

      John Hatties Werk

      John Hattie ist Bildungsforscher und Professor an der Universität von Melbourne. Sein Buch „Visible Learning“, das man sinngemäß etwa mit „Sichtbare Lernprozesse“ übersetzen könnte, hat die pädagogische Welt elektrisiert. Denn das Werk hat den Anspruch, die wichtigste Frage aller Bildungsforschung umfassend zu beantworten: Was ist guter und effektiver Unterricht?41

      Gerade hinsichtlich pädagogischer Fragen wird eine Untersuchung nur dann wirklich ernst genommen, wenn sie den Anspruch von Wissenschaftlichkeit zweifelsfrei erfüllt. Offensichtlich ist dies John Hattie überzeugend gelungen, ja er wird mittlerweile als internationale Größe in Bildungsfragen verehrt. In der Bildungsbeilage der englischen Times wird er als „wohl einflussreichster Bildungswissenschaftler der Welt“ bezeichnet, andere stellen seine Forschungsergebnisse in Visible Learning mit den Untersuchungen von „Pisa“ auf eine Stufe, ja selbst in kritischen Artikeln zu Bildungsthemen wird gefragt: „Hat John Hattie tatsächlich den Heiligen Gral der Schulforschung gefunden?“42 Was hat Hattie gemacht, dass er solch ein Aufsehen in der Bildungsforschung erregen konnte? Dazu nochmals Martin Spiewak in DIE ZEIT:

      „John Hattie tat, was vor ihm noch niemand versucht hatte: sämtliche englischsprachigen Studien weltweit zum Lernerfolg zu sichten, zu gewichten und zu einer großen Synthese der empirischen Unterrichtforschung zusammenzuführen. Mehr als 800 Metaanalysen wertete er dafür aus, also jene Art von Untersuchungen, die verschiedene Studien zu einem Thema zusammenfassen, sei es zu Hausaufgaben oder Förderunterricht, zum Vokabellernen, zur Elternarbeit oder zum Sitzenbleiben.

      Aus diesen Metaanalysen erstellte er mit dem Handwerkszeug des Statistikers eine Megaanalyse, in der mehr als 50.000 Einzeluntersuchungen mit 250 Millionen beteiligten Schülern eingeflossen sind. Für die verschiedenen Unterrichtsmethoden und Lernbedingungen errechnete Hattie dann einen Erfolgsfaktor, Effektstärke genannt. Anderthalb Jahrzehnte benötigte der Forscher für seine Fleißarbeit. Am Ende erstellte Hattie eine Art Bestenliste der wirkungsvollsten pädagogischen Programme.“43

      Um seinem Werk eine notwendige Systematik zu geben, ordnete Hattie seine Forschungsergebnisse sechs Bereichen – sogenannten „Domänen“ – zu: Lernende, Elternhaus, Schule, Lehrperson, Curricula (Lehrpläne der einzelnen Fächer), Unterrichten. Diese Bereiche sind wiederum in verschiedene „Einflussfaktoren“ unterteilt, insgesamt 138, die Hattie jeweils mit der oben genannten „Effektstärke“ bewertete СКАЧАТЬ