Название: Schule – quo vadis?
Автор: Peter Maier
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783752956931
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Herrn Grünwald geht es bei seinen Überlegungen in erster Linie ganz grundsätzlich um den Wirtschaftsstandort Deutschland, der sich immer mehr von einem Industriestaat zu einem wissensbasierten Dienstleistungsland entwickelt hat, wenn er überraschend folgende Kernfrage stellt: „Ist Ökonomisierung noch gut für die Wirtschaft?“9 Denn Wissensgesellschaften sind vor allem auf den „Schlüsselrohstoff“ für Innovationen angewiesen: auf immer neue Ideen. Ideen aber verlangen Kreativität – in Forschung, Verwaltung, im Management und vor allem in der Bildung. Daher fordert er: „Statt kürzerer Bildungswege mit verschulten Abschlüssen sollte das freie Denken, das Sich-Ausprobieren an Schulen und Hochschulen wieder gefördert werden – anstelle eines Systems, das aller Individualisierung zum Trotz vermehrt Gleichförmigkeit produziert. Standardisierung fördert eindimensionales, lineares Denken und tötet Kreativität.“10
Es tut gut, im ganzen Orchester von aufgeregten Stimmen zur Bildungspolitik auch solch eine wie die von Herrn Grünwald zu hören, der weiterdenkt und aufzeigt, wohin eine Dominanz ökonomischen Denkens führen kann, vor allem wenn es auf externe Gebiete wie den Bildungsbereich ausgedehnt wird: auf eine geistige Verarmung. Doch nun zur Situation des Lehrers in der heutigen Bildungsdiskussion: Was hat sich geändert, was aber müssen auch in Zukunft bleibende und essentielle Aufgaben des Lehrers sein?
(2) Methodenreformen und Digitalisierung: Lehrer – quo vadis?
Der „Pisa-Schock“ von 2001 hat eine umfangreiche Reformtätigkeit im Bildungsbereich ausgelöst, deren Ende nicht abzusehen ist. Mir kommt es manchmal so vor, als ob damals der „Bildungs-Unbildungs-Geist“ aus der Flasche gelassen wurde. Dadurch kam auch das herkömmliche traditionelle Bild des Lehrers in Bewegung – besonders an den weiterführenden Schulen.
Kritik an den Lehrern
Es wurde vor allem der lehrerzentrierte Unterricht, plakativ bisweilen als „Frontalunterricht“ bezeichnet, heftig kritisiert. Hier glaubten einflussreiche gesellschaftliche Gruppen – Wirtschaftskreise, Bildungsforscher, selbsternannte oder tatsächliche Reformer – eine der Hauptursachen zu finden, warum Deutschland im Pisa-Vergleich 2001 der OECD nur mittelmäßig abgeschnitten hatte.
Was dann folgte, wurde von manchen Lehrern, die viele Jahre eine engagierte und verantwortliche pädagogische Arbeit geleistet hatten, als wahrer „Tsunami in der Bildungspolitik“ erlebt und als Methoden-, Digitalisierungs- und Strukturveränderungs-Wahn empfunden. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass dabei das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wurde. Da sich Bildung seit Pisa als Mega-Thema entwickelt hat, vergeht keine Woche mehr, in der nicht neue Vorschläge zur Verbesserung der Schule medial wirksam propagiert werden, die den Anspruch erheben, „die“ Lösung aller Schulprobleme zu beinhalten. Kein Wunder, dass gerade ältere Lehrer, die viel Erfahrung mit dem Unterrichten von Kindern und Jugendlichen in der Pubertät haben, zunehmend verunsichert werden.
Manche Pädagogen fühlen sich und ihre Arbeit auch herabgewürdigt. Sollte denn alles falsch gewesen sein, was sie bisher im Unterricht gemacht haben? Sollte ihr ehrliches Engagement umsonst gewesen sein? Das bisherige Lehrerbild und der Lehrerberuf insgesamt wurden durch diesen öffentlichen „Hype“ in der Bildungsdiskussion in den letzten Jahren immer mehr in die Defensive gedrängt. Gleichzeitig wurden in zunehmendem Maße ungelöste gesellschaftliche Fragen auf die Schulen abgeschoben und dann zu „Schulproblemen“ erklärt.
Den Lehrern an weiterführenden Schulen wie etwa an den Gymnasien wurde vermittelt, wie altmodisch, „hinterwäldrerisch“ und konservativ sie doch seien, weil sie noch immer einem längst vergangenen, altertümlichen Lehrerbild anhingen; daher hätten sie eine gehörige Portion Mitschuld am schlechten Abschneiden in der Pisa-Studie. Von tatsächlichen oder selbsternannten Bildungsexperten wurde den Gymnasialpädagogen vorgeworfen, dass sie methodisch und informationstechnisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit seien und dass der Bildungsstandort Deutschland mit solch einer Einstellung zu Schule, Unterricht und Bildung im entfesselten Bildungswettkampf einer globalisierten Welt schnell den Anschluss verlieren würde. Diese Warnung darf natürlich nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die gleichen Leute sparten dann nicht mit Verbesserungsvorschlägen, mit deren Hilfe schnell und einfach alle Schulprobleme zu bewältigen seien. Hier einige dieser Forderungen, die meist von außen an die Schulen herangetragen wurden:
vollkommene Auflösung des Frontalunterrichts;
Verzicht auf möglichst jeden lehrerzentrierten Unterricht;
dafür nur noch neue Unterrichtsformen: Gruppenarbeit, Partnerarbeit, selbständiger Unterricht der Schüler;
ein Computer an jedem Schülertisch;
vollkommen digitalisierter Unterricht nur noch mit Whiteboards und Computern;
Verzicht auf gedruckte Bücher; dafür nur noch digitalisierte Bücher, die bei Bedarf heruntergeladen werden können;
Kommunikation Lehrer – Schüler zunehmend über Smartphone oder Mailkontakt;
Verzicht auf Noten und Hausaufgaben;
Lehrerraumprinzip: die Schüler haben keine Klassenzimmer mehr, sondern müssen zum Lehrer kommen;
nur noch Unterricht im Doppelstundentakt usw.
Natürlich hatten diese Vorschläge Konsequenzen für das Lehrerbild: der Lehrer als Bildungs-Manager, als Bildungs-Organisator und Bildungs-Initiatior, als Kompetenzvermittler, als bloßer Dienstleister bei der selbständigen Wissensorganisation der Schüler.
Es dauerte einige Zeit, bis sich die eine Gruppe der Hauptbetroffenen der Bildungsreformen – die Lehrer selbst – zu Wort meldete und sich gegen diese Fundamentalkritik an ihrer Tätigkeit und an den ihnen von außen her zugeschriebenen neuen Rollenbildern zu wehren begann: über ihre Berufsverbände, aber auch über Buchveröffentlichungen. Daher sollen im Folgenden einige solcher Stimmen exemplarisch für viele zur Sprache kommen: der Deutsche Philologenverband; Arne Ulbricht mit seinem Buch „Schule ohne Lehrer?“; und Michael Felten, Gymnasiallehrer für Mathematik und Kunst in Nordrhein-Westfalen. Er möchte mit seinem Buch „Auf die Lehrer kommt es an! Für eine Rückkehr der Pädagogik in die Schule“11 den Finger in die Wunden legen, die Schülern und Lehrern durch übereilte und naive Reformen im Bildungssektor immer mehr geschlagen werden.
Lehrer sind Helden des Schulalltags
Die Lehrer sind seit dem Pisa-Schock einem ständigen bildungspolitischen und vor allem medialen Veränderungsdruck ausgesetzt. Da jeder Bürger selbst einmal Schüler war, glaubt er, in Fragen der Bildung ein Experte zu sein. Meist erinnert man sich als Erwachsener jedoch nur noch an schlechte Lehrer, die es natürlich genauso gibt wie beispielsweise auch schlechte Ärzte oder Juristen. Lehrer zu loben, leistet sich die Gesellschaft viel seltener. Dies geht schon bei der Grundfrage los, wer denn ein guter Lehrer sei und was einen solchen ausmache. Die eigentlich Betroffenen, die Schüler, müssten dies am besten wissen. Die Vorschläge für den „Deutschen Lehrerpreis“, der jedes Jahr einmal vergeben wird, kommen daher teilweise von den Schülern selbst. In den Begründungen für die Preise kann man ihn finden – den guten Lehrer:
„Lehrer müssen zuhören können, sie müssen Vertrauen vermitteln; andererseits wird Verbindlichkeit geschätzt, kein Heute-so-und-morgen-so. Ein Klassenzimmer-Despot scheitert vor den Schülern ebenso wie ein Luftikus. Das Idealbild ist eine kuriose Mischung: der Lehrer auf Augenhöhe, zu dem man trotzdem aufblicken kann.“12 СКАЧАТЬ