Schule – quo vadis?. Peter Maier
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Название: Schule – quo vadis?

Автор: Peter Maier

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783752956931

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СКАЧАТЬ Daran wird nicht nur der Erfolg von Gesellschaften gemessen, danach richten sich auch die Investitionen im Bildungsbereich … Das Wirtschaftswachstum beschreibt allerdings nur einen Aspekt der gesellschaftlichen Entwicklung. Andere Dimensionen werden davon weder erfasst noch folgen sie gleichsam naturwüchsig aus der ökonomischen Prosperität: Gesundheit, Glücksfähigkeit, Gerechtigkeitschancen, Ausweitung demokratischer Rechte, Möglichkeiten der Partizipation und Verantwortung, Gleichberechtigung von Individuen ...“ (S. 169). Dies ist dann die „allgegenwärtige Praxis der Unbildung“. (vgl. S. 181).

      Anmerkungen aus Sicht eines praktizierenden Pädagogen

      Soweit in knappen Thesen die wichtigsten Aussagen von Herrn Liessmann über die gegenwärtigen Reformen im Bildungsbereich. Wie wirken diese Ansätze aus Sicht eines altgedienten Pädagogen? Nachfolgend ebenfalls zehn Anmerkungen:

      1.

      Die Stimme von Herrn Liessmann war in der Bildungsdiskussion notwendig und für mich persönlich ist sie erfrischend. Sie will aufrütteln und anregen. Sehr zutreffend finde ich die Erkenntnis, dass Schulen immer mehr Gefahr laufen, zu Versuchslaboratorien von gesellschaftlichen Gruppierungen gemacht zu werden, die gar nichts mit der Schule zu tun haben. Die Bildungsexperimente werden tatsächlich und oftmals unnötig auf dem Rücken von Schülern und Lehrern ausgetragen.

      2.

      Es ist fatal, wenn (Fach)Wissen immer mehr durch bloße Kompetenzfähigkeiten ersetzt wird. Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Beides ist gleichermaßen notwendig: fundierte Fachkenntnisse und ihre Anwendungskompetenzen. Beide Prinzipien dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wenn man sich etwa mit der fast ausschließlichen Orientierung an Kompetenzen nur noch auf ein Prinzip versteift, ist dies wie bei einer Monokultur. Irgendwann ist der (Bildungs)Boden ausgelaugt und leer. Mit reinen Kompetenzen als Ziel von schulischer Bildung lügt man sich zudem selbst in die Tasche. Kein Wunder, dass von den Universitäten immer mehr Klagen über das mangelnde fachliche Wissen von Abiturienten kommen.

      3.

      Die Ausrichtung der Fachlehrpläne auf Kompetenzen, Nützlichkeit und wirtschaftliche Verwertbarkeit tut aus Lehrersicht richtig weh. Denn Jugendliche in ihrer Entwicklung sollten auch in Zukunft die Möglichkeit haben, an einem Ort der Bildung mit der Schönheit und dem Mysterium von Allgemeinwissen, mit geisteswissenschaftlichen, literarischen, musischen und ethischen Themen in Berührung zu kommen, ohne sofort die Nützlichkeit im Blick zu haben.

      4.

      Herr Liessmann ist Philosoph, kein Lehrer. Er kann es sich leisten, wie ein Adler hoch in den Lüften, das heißt über dem Alltag von Schule, Bildung, Lehren und Lernen zu schweben und mit scharfem Blick zu erkennen, dass in der heutigen Bildungspolitik etwas grundsätzlich schief läuft. Er kann also durchaus zum Nachdenken anregen.

      5.

      Herr Liessmann sagt aber nichts über den Schulalltag selbst und über die konkrete Situation von Schülern und Lehrern. Dazu kann er auch nicht viel sagen. Als Pädagoge interessieren mich jedoch noch andere Fragen als die von Herrn Liessmann, die in der Schule nicht minder wichtig sind: Wie kann Unterricht in unserer hektischen Zeit gelingen? Wie kann ich als Lehrer im Zeitalter von Medienkonsum und Digitalisierung Schüler für meine Fächer weiterhin begeistern? Wie kann ich in meinen Klassen eine gute Beziehung zu den Schülern herstellen? Wodurch entsteht eine gute Arbeitsatmosphäre, so dass die Schüler bereit sind, neues Wissen aufzunehmen?

      6.

      Schüler sind in erster Linie Menschen, nicht Lernmaschinen. Darum dürfen sie niemals zu bloßen (Nutz)Objekten der Bildungspolitik werden. Sie sind Menschen in ihrer Entwicklung in bisweilen fundamentalen Umbruchssituationen, die vor allem die Pubertät mit sich bringt. Dies im Blick zu haben, muss auch in Zeiten einer beschleunigten Bildungsreformtätigkeit immer höchste Priorität haben.

      7.

      Bei all den Reformen im Bildungsbereich müssen stets zwei Bildungsziele gleichzeitig im Mittelpunkt stehen: die Wissens- und Kompetenzvermittlung auf der einen und die Persönlichkeits-, Charakter- und Wertebildung auf der anderen Seite. Beide Ziele dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, keines der beiden darf zugunsten des anderen vernachlässigt werden. Und schon gar nicht dürfen diese Ziele auf dem „Altartisch“ forscher „Reformer“ geopfert werden, die etwa nur wirtschaftliche Interessen verfolgen.

      8.

      Das „Kerngeschäft“ des Lehrers – das Unterrichten von Klassen und die individuelle Förderung einzelner Schüler – muss immer im Zentrum von Schule und Unterricht bleiben. Daher sollten Lehrer für die wissenschaftlichen Erfordernisse der heutigen Zeit und für eine „Pädagogik des Herzens“ gleichermaßen ausgebildet werden. Die Lehrerbildung kann sich nicht in technischen Neuerungen, im Einüben und Anwenden immer neuer Kommunikationsmittel oder in der Umsetzung zu vieler bürokratischer Vorschriften erschöpfen.

      9.

      Für einen guten Unterricht sind Mitgefühl und Empathiefähigkeit des Lehrers ebenso wichtig wie seine Fach- und Methodenkenntnisse. Diese „weichen“ Qualitäten können aber schwerlich in Pisa-Statistiken erfasst oder in externen Evaluationen gemessen werden. Wie denn auch? Daher verbreitet sich in der ganzen Hysterie von Bildungsreformen heute immer mehr die irrige Meinung, dass nur noch Wissensbildung und Kompetenzvermittlung die vorherrschenden und entscheidenden Aufgaben des Lehrers seien.

      10.

      Zum Schluss ein persönliches Bekenntnis: Ich habe es mir – je länger ich unterrichte, desto mehr – auf die Fahnen geschrieben, mein Herz für die Bedürfnisse und die emotionale Situation der Schüler zu öffnen, deren Entwicklung bisweilen von schweren Umbrüchen geprägt ist und die davon hin- und hergeworfen werden können. Immer mehr Schüler kommen aus zerrissenen Familien und sind davon bisweilen schwer belastet. Das kann mir als Lehrer nicht gleichgültig sein.

      Ich habe festgestellt, dass die Schüler zu fachlicher Höchstleistung bereit sind, wenn sie vom Lehrer wahr- und ernstgenommen und in ihrer Entwicklung auf dem Weg zu jungen Persönlichkeiten bestätigt und gewürdigt werden. Neugierde am Fach und Beziehung zum Lehrer gehören für die meisten Schüler untrennbar zusammen, zumindest in Unter- und Mittelstufenklassen.

      Darum möchte sich dieses Buch genau mit diesem fundamental wichtigen emotionalen Aspekt des Unterrichts – mit der Beziehungsebene zwischen Schülern und Lehrer – beschäftigen, der heute völlig in den Hintergrund zu geraten droht. Das wäre aber fatal und Schüler wie Lehrer haben dies nicht verdient.

      Der Mehrwert der schulischen Bildung

      Bevor ich mich der veränderten Rolle des Lehrers in der heutigen Bildungsdiskussion zuwende, soll zunächst noch kurz der Politikwissenschaftler Christian Grünwald zu Wort kommen. In seinem Beitrag mit dem Titel „Total vermessen“ in der Süddeutschen Zeitung weist er auf die Grenzen einer völligen Ökonomisierung von immer mehr Bereichen unseres Lebens hin, die auch vor dem Bildungssektors nicht Halt macht: „... der Trend zur Ökonomisierung scheint unaufhaltsam zu sein. Märkte sind effizienzgeprägt, ihre Mittel sind Standardisierung und Normierung. Was bei Produktion und Handel zu Kostenreduktion und vergleichbarer Qualität führt, ist auch im Bildungssektor präsent: G-8-Gymnasien, Pisa, Bologna, vom Schulkind bis zum Postgraduate wird verglichen, harmonisiert, effizienter gemacht.“8

      Im gesellschaftlichen Mainstream wird heute alles wirtschaftlichem Denken und ökonomischer Effizienz unterworfen, also auch СКАЧАТЬ