Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Alexandra Lavinia Zepter
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СКАЧАТЬ so dass im Anschluss mehr Ressourcen für die Erinnerungsaufgabe zur Verfügung stehen (vgl. Goldin-Meadow et al. 2001: 521).

      Darüber hinaus konnten Broaders et al. (2007) nachweisen, dass die Ermutigung zur Ausführung von Handgesten bei Grundschulkindern die Wahrscheinlichkeit erhöht, zuvor ungelöste Mathematikaufgaben schlussendlich zu bewältigen. In der betreffenden Studie galt es, Mathematikaufgaben an der Tafel selbstständig zu lösen und dabei gleichzeitig die gewählte Strategie zu erläutern. Dabei zeigte sich, dass Kinder, die an den gestellten Aufgaben zuerst scheiterten, von einem zusätzlichen Gesteneinsatz durchschlagend profitierten. Offensichtlich setzte der Weg über die Gestik weitere Kreativität frei bzw. ermöglichte es, zuvor unzugängliches Wissen verfügbar zu machen und neue Problemlösungsstrategien anzuwenden.

      Ein weiteres Beispiel von Beilock & Goldin-Meadow (2010) belegt, dass das Potenzial von Gesten so weit greift, dass ihre Ausführung unmittelbar den Aufbau kognitiver Repräsentationen beeinflussen kann. D. h., hier zeigte die experimentelle Untersuchung, dass nicht nur der Handlungsvollzug, sondern auch Gestik relevante Aktionsinformationen zu den kognitiven Repräsentationen, die Personen von einer betreffenden Handlungsaufgabe haben, hinzufügt. Mit anderen Worten, die Beschreibung einer Handlungsaufgabe qua Gestik verändert unser Denken über die Aufgabe. Ist die ergänzte Information kompatibel mit den für die Aufgabe erforderlichen Teilhandlungen, verbessern sich im Anschluss weitere Durchführungen der Aufgabe; ist sie es nicht, so tritt eine Verschlechterung ein.

      So funktionierte die Studie: Die Teilnehmer:innen mussten in einem ersten Schritt das mathematische Geduldsspiel der ‚Türme von Hanoi’ lösen; ein Problem, bei dem es gilt, einen Turm aus nach oben hin kleiner werdenden Scheiben unter bestimmten beschränkenden Stapelbedingungen ab- und wieder aufzubauen.

      Abb. 2.4:

      Türme von Hanoi (plus Lösungsweg)

      Anschließend sollte mittels Gestik der gefundene Lösungsweg beschrieben und abschließend das Turmspiel wiederholt werden.

      In einem Teil der Fälle wurden nun die Türme für den Wiederholungsgang manipuliert. Die Gewichte der Scheiben wurden so verändert, dass die kleinste Scheibe schwer und nicht mehr gut mit einer Hand tragbar, die größte dafür leicht war usw. Das Spiel wurde also so verändert, dass die zuvor etablierten gestischen Informationen nicht mehr zu den erforderlichen Teilhandlungen der Aufgabe passten. Das Resultat: Die Ausführungsleistung verschlechterte sich signifikant.

      Ein wesentlicher Punkt ist dabei: Die Ausführungsleistung litt bei entsprechend widersprüchlicher Manipulation auch bei Testpersonen, denen der Lösungsweg zuvor nur mittels Gestik demonstriert worden war; also bei Personen, die die ‚Türme von Hanoi’ noch nicht selbst gelöst hatten, jedoch durch die Ansicht einer gestischen Demonstration auf die Handlungsaufgabe vorbereitet bzw. kognitiv beeinflusst worden waren (vgl. Beilock & Goldin-Meadow 2010: 1609).

      Dieser Abschnitt hat illustriert, wie eng Kognition und Körper generell verbunden sind und wie sie sich wechselseitig beeinflussen können. Das folgende Kapitel 2.2 zeigt auf, dass diese enge Verknüpfung auch unser Sprachvermögen und unseren Sprachgebrauch bzw. die sprachliche Begriffsverarbeitung betrifft.

      2.2 Sprache und Körper: Embodied Cognition und SprachverarbeitungSprachverarbeitung

      Wie kommen wir eigentlich zu unseren kognitiven Repräsentationenkognitive Repräsentationen von der Welt? Wie erwerben wir z. B. einen BegriffBegriff wie Flugzeug? Gemeint ist hier das Bedeutungskonzept von dem deutschen Wort Flugzeug, das im Englischen plane heißt und im Französischen avion. Wie entsteht auf kognitiver Ebene dieses BedeutungskonzeptBedeutungskonzept? Und wenn wir das Wort Flugzeug im Rahmen unseres Sprachgebrauchs benutzen – wenn wir das Wort z. B. hören oder lesen und das Bedeutungskonzept (= den Begriff) kognitiv erschließen bzw. reaktivieren –, was passiert dann auf der Ebene unserer kognitiven Sprachverarbeitung?

      In traditionellen Kognitionstheorien ist man lange davon ausgegangen, dass die betreffenden SprachverarbeitungsprozesseSprachverarbeitungsprozesse komplett isoliert und als solche amodal ablaufen und im genannten Fall z. B. nichts (mehr) mit unseren zurückliegenden individuellen Wahrnehmungserfahrungen von Flugzeugen zu tun haben. Anders ausgedrückt: Man nahm an, dass die aktuale Sprachverarbeitung völlig unabhängig ist von der kognitiven Verarbeitung von konkreten Situationen, in denen man z. B. ein Flugzeug am Himmel gesehen, es bei einem Abflug oder einer Landung gehört hat oder in denen man selbst in einem Flugzeug geflogen ist.

       Amoda leamodale Sprachverarbeitung vs. multimodale Sprachverarbeitu ngmultimodale Sprachverarbeitung

      In traditionellen kognitionspsychologischen Theorien wird unser Geist bzw. Gehirn als ein System mit verschiedenen, getrennt arbeitenden Modulen betrachtet. Hierbei hat jedes Modul eine spezifische Aufgabe. Nach diesen Theorien besitzen wir ein spezifisches Modul für Sprache, das unabhängig von Motorik und Wahrnehmung funktioniert.

      Der Modularitätsgedanke, d. h. die Annahme von isolierbaren Subsystemen mit bereichsspezifischen Operationen, hat sich insbesondere durch die Schriften von Jerrold Katz und Jerry Fodor (u.a. Katz & Fodor 1963; Fodor 1983) in der Sprachwissenschaft (vor allem in der Generativen Grammatiktheorie nach Noam Chomsky; vgl. Kap. 1.2) etabliert. Unter dem Einfluss ihrer Arbeiten betrachtete man Sprache als von anderen kognitiven Systemen abzugrenzendes Modul, welches in sich selbst wiederum in einzelne Subsysteme untergliedert ist. Die moderne Kognitionspsychologie distanziert sich von diesen Annahmen.

      Es sind vor allem vier Aspekte der sprachtheoretischen Modularitätsannahme, die von kognitions-psychologischer Seite angezweifelt werden: (i) Das konzeptuelle System ist von anderen kognitiven Systemen unabhängig und arbeitet nach modulspezifischen Prinzipien. (ii) Bedeutungsrepräsentationen sind amodal (abstrakt) und nicht modalitätsspezifisch (z. B. visuell, auditiv, taktil, olfaktorisch). (iii) Bedeutungsrepräsentationen sind dekontextualisiert – sozusagen enzyklopädische Einträge, welche die typischen Merkmale erfassen. (iv) Bedeutungsrepräsentationen sind stabil und werden in nahezu gleicher Ausprägung personen- und situationsübergreifend abgerufen. (Bryant 2012a: 76, nach Barsalou 2009: 237)

      Katz & Fodor (1963) gingen z. B. davon aus, dass amodale kognitive Repräsentationen von Begriffen mit abstrakten Merkmalslisten vergleichbar sind; Listen die aktiviert werden, wenn der Begriff kognitiv verarbeitet wird (vgl. Katz & Fodor 1963). (Kognitiv abgespeichert wäre dann bei Flugzeug z. B. eine Liste der Art ‚Maschine, motorbetrieben, zwei Flügel, flugfähig …‘ o. Ä.).

      In den letzten ca. 20 Jahren haben sich in den Kognitionswissenschaften im Kontext der Embodied Cognition verschiedene Schulen bzw. Strömungen herausgebildet, die (bei aller Divergenz) eines verbindet: die Infragestellung amodaler Bedeutungsrepräsentationen und die Annahme einer multimodalen Sprachverarbeitung. Danach läuft die Sprachverarbeitung in komplexer Verzahnung mit anderen kognitiven Domänen ab, welche u.a. die Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen, motorischen und sozial-interaktiven Handlungen oder auch von Emotionen betreffen.

      In diesem Theorienspektrum ist auch der Ansatz der ErfahrungsspurenErfahrungsspuren (Zwaan & Madden 2005) zu verorten, demzufolge Erfahrungen auf multimodale Weise gespeichert und später als СКАЧАТЬ