Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Alexandra Lavinia Zepter
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ) - Alexandra Lavinia Zepter страница 10

СКАЧАТЬ Konzept gibt an, welche Lerninhalte im Fokus stehen und was die Lernziele sind. Im Schreibunterricht könnte z. B. ein didaktisches Konzept zum Einsatz kommen, das auf das motorische Schreiben fokussiert und hier im Besonderen den Lernenden das Ziel setzt, eine Hand-/Arm- und Körperhaltung zu entwickeln, die ein flüssiges Schreiben bestmöglich unterstützt.

      Die Methode richtet sich komplementierend auf das Wie des Erwerbs und die Vermittlung in der Lehr-Lern-Situation: Die Methode gibt an, wie Lerninhalte verhandelt und Lernziele angesteuert werden. Im Beispiel des Unterrichts zum motorischen Schreiben könnte z. B. eine Methode zum Einsatz kommen, bei der eine bestimmte Handhaltung körperlich vorgemacht und mit spezifischen Bewegungsübungen praktiziert wird, oder eine Methode, bei der eine angestrebte Handhaltung nur verbal (mit Worten) erklärt wird.

      Sondiert man die verschiedenen Ansätze zur Performativität in Pädagogik und Didaktik, wird deutlich, dass sich die Theoriebildung der letzten zwei Jahrzehnte komplex entfaltet hat und dass sie bis heute nicht abgeschlossen ist. Interdisziplinär betrachtet, treffen die pädagogischen und didaktischen Disziplinen auf eine facettenreiche Diskussion zu den Begriffen Performativität, Performanz und Performance in der Sprachphilosophie, den Kultur-, Kunst- und Medienwissenschaften. Sie sehen sich vor die Aufgabe gestellt, die Begriffe vor diesen Hintergründen für die eigene Disziplin auszuloten und zu konturieren (für umfassende Diskussionen siehe u.a. Wulf & Zirfas 2007; Even & Schewe 2016; Hudelist & Krammer 2017; Even, Miladinović & Schmenk 2019).

      In seiner Bestimmung einer performativen Deutschdidaktikperformative Deutschdidaktik diskutiert z. B. Krammer (2017), in welcher Weise sich in den Arbeitsbereichen des Deutschunterrichts kulturelle Praktiken des Aus- und Aufführens finden lassen – wie relevant etwa SprechakteSprechakt und körperliche Handlungen für sprachliche Lehr- und Lernprozesse sind und welche Bedeutung das Aufführen für die unterrichtliche Verhandlung von Literatur hat (ebd.: 30). Nach Krammer erforscht eine performative Deutschdidaktik u.a., „inwiefern [bei sprachlichen und literarischen Lehr- und Lern-Prozessen] Aspekte wie Körperlichkeit, Räumlichkeit, Zeitlichkeit oder Lautlichkeit berücksichtigt werden“ (ebd.: 38). Schlägt man die Brücke von den Kunst- und Theaterwissenschaften zur Deutschdidaktik, liegt es nahe, generell performative Prozesse künstlerischen Handelns auch hinsichtlich ihrer didaktisch-methodischen Gestaltungsmöglichkeiten für die Vermittlung und Unterstützung sprachlichen Lernens zu analysieren und nutzbar zu machen (vgl. ebd.).

      Solch eine Perspektive wird vor allem dann wünschenswert, wenn man Sprachtheorien voraussetzt, die Sprache – ausgehend vom Sprachgebrauch – als ein zugleich kognitives und sinnliches Gebilde erfassen (vgl. Zepter 2013). Involvieren Sprachproduktion und Sprachrezeption (Sprechen, Zuhören, Lesen, Schreiben) körperlich-sinnliche Dimensionen (Sinneswahrnehmung, Emotionen, Bewegung), impliziert dies, dass auch Lernprozesse in diesen Bereichen von einem vermittelnden bzw. angeleiteten Einbezug der körperlich-sinnlichen Dimensionen profitieren. Im folgenden Kapitel gehen wir darauf noch genauer ein und stellen eine theoretische Grundlage vor.

      Im Kontext der Arbeiten von Manfred Schewe und Susanne Even (vgl. u.a. Schewe 1993; Even 2011; Even & Schewe 2016; Even, Miladinović & Schmenk 2019) hat sich in der Fremdsprachendidaktik ein Diskurs zu performativen Lehr- und Lernkonzepten entwickelt, der einen expliziten Schwerpunkt auf die Bedeutung von Kunst und Theatralität legt. Exemplarisch greifen wir einen Beitrag von Dragan Miladinović auf, der systematisierend acht Prinzipien für einen performativen Fremdsprachenunterricht zusammenführt. Bei deren Anwendung kommen „sowohl spracherwerbsorientierte als auch ästhetisch-künstlerische bzw. körper(sprach)liche Elemente zum Tragen“ (Miladinović 2019: 17). Die Idee eines entsprechenden Fremdsprachenunterrichts ist in diesem Sinne, sprachliches Lernen (einer Fremdsprache) mit ästhetisch-künstlerischem und körperbezogenem Lernen gleichwertig zu verzahnen – in der Erwartung, dass sich Synergieeffekte einstellen. Die folgende Grafik zeigt alle acht Prinzipien im Überblick (vgl. ebd.: 17-19):1

      Abb. 1.12:

      Acht Prinzipien eines performativen FremdsprachenunterrichtsPrinzipien eines performativen Fremdsprachenunterrichts (vgl. Miladinović 2019: 17-19)

      Zusammenfassend lässt sich zu den letzten drei Abschnitten festhalten: Wir haben den Begriff der Performativität in (grob eingeteilt) drei verschiedenen Fachkontexten nachgezeichnet: Sprachwissenschaft, Theaterwissenschaft und Didaktik. Im Fokus stehen stets Handlungsvollzüge; jedoch werden diese im ersten (sprachwissenschaftlichen) Kontext nicht notwendig ganzheitlich begriffen, in den anderen beiden schon. Überdies wird das Attribut performativ jeweils auf unterschiedliche Gegenstände angewendet: (i) auf sprachliche Äußerungen; (ii) auf Kunstformen, künstlerische Produkte und Prozesse; (iii) auf Lehr- und Lernprozesse, Lehr-Lern-Konzepte und Didaktiken. Dabei ist auch der Begriff des Handlungsvollzugs nicht eindimensional und kann sowohl auf das Ausführen einer Handlung (in (i) und (iii)) als auch auf das Aufführen einer Handlung (in (ii) und (iii)) verweisen.

      Dieses Lehr- und Praxisbuch stellt performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache in den Mittelpunkt und verortet sich im Rahmen der deutsch- und fremdsprachendidaktischen Perspektiven auf Performativität. Das bedeutet, auch hier wird Performativität als didaktische Ressource erkannt. Die damit verbundenen Möglichkeiten des zweitsprachlichen Lehrens und Lernens werden am Beispiel von verschiedenen didaktischen Konzepten bzw. Methoden und konkretisierenden Unterrichtsvorschlägen aufgezeigt (siehe Teil II).

      Im nun folgenden und letzten Abschnitt dieses begriffsklärenden Kapitels fassen wir abschließend zusammen, welche Kriterien genau einen ‚performativen Zugang‘ ausmachen.

      1.6 Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ)

      Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache werden mittels didaktischer Konzepte geschaffen, die bei der Idee ansetzen, dass der Körper und dass künstlerisch-kreatives Arbeiten und ästhetische Erfahrung Ressourcen für (zweit-)sprachliches Lernen darstellen. Sie setzen damit eine Sprachauffassung voraus, die Sprache – ausgehend vom Sprachgebrauch – kognitiv und sinnlich begreift (Zepter 2013). Sprachgebrauch und sprachliche Handlungen werden generell ganzheitlich verstanden, da sie kognitive und körperliche Dimensionen (Sinneswahrnehmung, Emotionen, Bewegung) einbinden und kognitive Prozesse an sich körperlich verankert sind (siehe Kapitel 2).

      Ebenso sind Handlungen in performativen Zugängen zu Deutsch als Zweitsprache ganzheitlich zu verstehen: als ein raum-, zeit- und situationsgebundenes Zusammenwirken von kognitiven und körperlich-sinnlichen Dimensionen des kreativ-spielerischen Miteinander-Handelns und ästhetischen Erlebens/Erfahrens. Handlungen werden in performativen Zugängen körperlich vollzogen und man kann sie in diesem Rahmen in Bezug zu mentalen Vorstellungen, begrifflichen Abstraktionen und sprachlichen Beschreibungen setzen. Handlungen werden nicht nur im Geiste vorgestellt, sie werden ausagiert. Vor diesem Hintergrund ergibt sich abschließend folgende Definition:

      Abb. 1.13:

      Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache

      Aufgaben

       1.* Sie haben in diesem Kapitel drei fachliche Perspektiven auf das Attribut ‚performativ‘ kennengelernt.Rekapitulieren Sie die mit den drei Perspektiven jeweils verbundenen Bedeutungen und entwerfen Sie eine eigene grafische Form, in der Sie die Bedeutungen zusammen abbilden und zueinander in Bezug setzen.

       2.** Analysieren Sie die folgenden Äußerungen. Welche sind explizit performativ im Sinne Searles?Ich verspreche dir, dass ich morgen einen Kuchen backen werde.Ich werde morgen einen СКАЧАТЬ