Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Alexandra Lavinia Zepter
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      1 Die Dimension der SinneSinne bzw. der sinnlichen Wahrnehmung. Traditionell werden fünf Sinne unterschieden: die visuelle Wahrnehmung (Sehen), die auditive WahrnehmungWahrnehmung (Hören), die olfaktorische Wahrnehmung (Riechen), die gustatorische Wahrnehmung (Schmecken) und die taktile Wahrnehmung (Fühlen über die Haut). Relevant ist aber auch die propriozeptive Wahrnehmung (die Eigenwahrnehmung); sie bezieht sich auf die Wahrnehmung des eigenen Körpers, dessen Haltung, Stellung im Raum und dessen Bewegungen.

      2 Die Dimension der MotorikMotorik, die alle Bewegungen des Körpers bzw. einzelner Körperteile umfasst.

      3 Die Dimension der EmotionenEmotionen (vgl. detaillierter u.a. Holodynski 2006).

       Ästhetische Erfahru ngästhetische Erfahrung

      Ästhetische Erfahrung wird in zahlreichen kunst- und theatertheoretischen Diskursen und oft auch in unserem alltäglichen Sprachgebrauch thematisiert; eine genaue Definition ist aber kaum möglich, da der Begriff des Ästhetischen äußerst vielschichtig ist und (ähnlich wie der Begriff der Performativität) in diversen Fachdiskursen aus unterschiedlichen Perspektiven verhandelt wird.

      Wir folgen hier im Wesentlichen Brandstätter (2012/2013):

      In einem engeren Begriffsverständnis bezeichnet ästhetische Erfahrung das, was wir im Rahmen der sinnlichen Wahrnehmung von Kunst bzw. Kunstwerken erfahren. Solche auf Kunst gerichteten sinnlichen Wahrnehmungen können sich sowohl im Zuge der Kunstrezeption ereignen (→ ich betrachte ein Bild, das ich nicht selbst gemalt habe; ich höre ein Musikstück von meiner Lieblingssängerin etc.) als auch im Kontext der Kunstproduktion (→ ich komponiere ein Musikstück und in diesem Prozess halte ich inne und höre mir das bereits Komponierte an etc.).

      Brandstätter (2012/2013) betont, dass begrifflich weiter gefasst nicht nur der Umgang mit ausgewiesenen Kunstwerken, sondern auch alltägliche Begebenheiten Anlässe für ästhetische Erfahrungen bieten können. Wesentlich für eine ästhetische Erfahrung ist u.a., dass die sinnliche Wahrnehmung:

      1 ganzheitlich körperlich vollzogen wird: Dass also ggf. mehrere Sinne (z. B. bei einem Musikstück Hören und Propriozeption) und auch die Dimension der Emotionen die Erfahrung gemeinsam konstituieren;

      2 nicht einseitig zweckorientiert ist: Dass also die ästhetische Erfahrung quasi sich selbst genügt und als solche auch wahrgenommen wird. Ich muss z. B. das, was ich akustisch höre, als Musik erleben und empfinden bzw. wertschätzen; oder ich muss einen Text, den ich lese, als eine Form von Literatur/Kunst erfahren und wertschätzen und nicht nur als eine einfache Quelle für Sachinformationen.

      Wie in der Philosophie und den Kulturwissenschaften sind auch die Fachdiskurse zur Performativität in den Kunstwissenschaften breit gefächert; sie werden bis heute intensiv geführt. Wir beschränken uns in der Darstellung auf die einschlägigen theaterwissenschaftlichen Arbeiten von Erika Fischer-Lichte (vgl. 2001; 2002; 2012). Fischer-Lichte richtet ihr Erkenntnisinteresse auf eine theoretische Klärung des Begriffs der Performativität im Kontext ästhetischer Erfahrung und verschiedener Kunstformen. Weiterführend stellt sie auch Überlegungen dazu an, welche lebensweltlichen (Kommunikations-)Situationen(Kommunikations-)Situation bzw. welche von Menschen hervorgebrachten Prozesse und Produkte ebenfalls performativen Charakter haben können. Performativität wird in diesem Sinne in ihrer Relevanz für Kultur und Gesellschaft allgemein interpretiert. Das Theater, dessen performative Funktion sich „auf den Vollzug von HandlungenVollzug von Handlung – durch die Akteure und zum Teil auch durch die Zuschauer“ richtet (Fischer-Lichte 2002: 279), erfasst Fischer-Lichte dabei „als performative Kunst par excellence“ (ebd.: 288).

      Was ist damit gemeint? Wenn wir uns überlegen, bei welchen Kunstformen der Vollzug von Handlungen für das Kunstwerk an sich von zentraler Bedeutung ist, dann gilt das offensichtlich in besonderem Maße für das Theater. Das Kunstwerk beim Theater – das theatrale Kunstwerktheatrales Kunstwerk – entsteht ja in der Regel erst im Moment seiner Aufführung und durch das Miteinander-Handeln von Personen auf und vor der Bühne und es existiert nur in dieser Flüchtigkeit. Ästhetische Wirklichkeit und Bedeutung konstituieren sich derart notwendig im Rahmen von dynamischen Prozessen und in der körperlich verankerten Kopräsenz von Agierenden und Zuschauenden (vgl. auch Paule 2017: 43f.).

      Weitergedacht trifft das Gleiche sehr wohl auf alle darstellenden Künstedarstellende Künste zu: neben Theaterschauspiel, Musiktheater und Kleinkunst auch auf Tanz, Filmkunst, Kunst im Kontext von (neuen) Medien etc. Denn die darstellenden Künste werden klassisch darüber definiert, dass sich das Kunstwerk in der Präsentation, der Darbietung vor Publikum – und somit auch im Zuge der damit verbundenen Handlungen – ereignet.

      In der Klassifizierung der verschiedenen Kunstformen und Kunstgattungen grenzt man die darstellenden Künste in der Regel von den bildenden Künstenbildende Künste ab. D. h., man stellt ihnen die Kunstgattungen Malerei, Zeichnung, Bildhauerei, Fotografie etc. gegenüber, bei denen das Kunstwerk visuell gestaltet und als solches in einem Handlungsprodukt fixiert ist. Ähnliches gilt für die Literatur als sprachlich gestaltete Kunst, wenn man bei Literatur ausschließlich an das in Schrift und Text fixierte Kunstwerk denkt. Fehlt dann den bildenden Künsten und der Literatur die performative Funktion, die den darstellenden Künsten inhärent ist?

      Mitnichten: Gerade der letztgenannte ‚Gegensatz‘ – darstellende Kunst vs. Literatur – weicht in seinen Konturen auf, wenn man erkennt, dass die Übergänge fließend sind und dass Performativität bzw. der Vollzug von Handlungen im Literaturkontext ebenso wesentlich werden kann. Denken Sie z. B. an Lyrik und an ein Gedicht, das sich als Kunstwerk erst in der sprechenden, stimmlichen Gestaltung und Präsentation und dem damit verbundenen Handeln realisiert. Ähnliches gilt für das Drama bzw. alle Texte mit verteilten Rollen. Oder was ist mit Erzähltexten, die in der mündlichen Präsentation unter Einsatz des gesamten Körpers der Erzählerin/des Erzählers (Mimik, Gestik, Bewegung) und unter Einbezug der Zuschauer:innen und Zuhörer:innen zu (neuem) Leben erweckt werden? Fischer-Lichte (2002: 285) macht auf die heute immer häufiger entstehenden performativen „Grenzgänge zwischen den Künsten“ aufmerksam, bei denen neben Film, Tanz, Dichtung und Musik auch Malerei u.a. beteiligt sind, bei denen z. B. ein Bild auf der Bühne entsteht/gemalt wird usw.

      Auch die noch weiter generalisierende Auffassung von Fischer-Lichte, dass nicht nur Kunstwerke, sondern auch andere von Menschen hervorgebrachte Prozesse und Produkte performativen Charakter haben können, ist aus einer lehr-lern-bezogenen Perspektive nicht unerheblich (siehe auch Abschnitt 1.5). Im Prinzip muss z. B. ein einfacher Text an sich kein großartiges ‚Kunstwerk‘ sein und doch kann eine gekonnte mündliche Präsentation ebendies entstehen lassen oder sich diesem zumindest stärker annähern. Je nach Präsentationsgeschick gelingt dies sogar mit einem Sachtext oder einem Auszug aus dem Telefonbuch. Dabei bedeutet, eine performative Perspektive auf Literatur und sprachlich gestaltete Kunst bzw. allgemeiner auf Schrift, Text und Sprechen einzunehmen, keineswegs eine Senkung des Anspruchs, im Gegenteil. Es bedeutet eine Verschiebung des Fokus von den HandlungsproduktenHandlungsprodukt auf die HandlungsprozesseHandlungsprozess und allgemeiner auf alle Handlungen, die die Entwicklung, die Konstitution und die Wahrnehmung, die ästhetische Erfahrung der Produkte formen und unterstützen können.

      Aber noch einmal zurück zum Theater als der performativen Kunst par excellence: Der enge Bezug zwischen den Begriffen Performativität und TheatralitätTheatralität ergibt sich für Fischer-Lichte (2002) im Zuge einer Systematisierung auf der Grundlage von vier Aspekten: InszenierungInszenierung, KorporalitätKorporalität, WahrnehmungWahrnehmung und Aufführung/PerformanceAufführung/Performance. Alle vier Aspekte gemeinsam definieren Theatralität. СКАЧАТЬ