Название: Textlinguistik
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301066
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(4–15) Ich ging zum Bahnhof. Ich kaufte eine Fahrkarte. Ich stieg in den Zug nach Frankfurt. Der Zug fuhr ab. [Konstruieren/Integrieren]
→ Ich nahm den Zug nach Frankfurt.
Alle diese Operationen können nach van Dijk sukzessive angewendet werden, also auch auf ihr Ergebnis, auf MakrostrukturenMakrostruktur. Reihen von Makrostrukturen können wiederum durch diese Operationen vereinfacht werden, bis wir zu einer obersten, einfachen Makrostruktur gelangen, welche den Inhalt des ganzen Textes zusammenfasst.
Bei allen diesen Regeln gilt ferner das semantische Prinzip der IMPLIKATION: Aus dem Input einer Regel folgt semantisch deren Output. Wenn die komplexere Information gilt, gilt auch die vereinfachte Information (aber natürlich nicht das Umgekehrte). Das garantiert, dass in den einzelnen Reduktionsschritten keine semantischen Widersprüche entstehen.
Brinker (62005: 57) formuliert ebenfalls einige Prinzipien der Themenanalyse, allerdings vorsichtiger und mehr als intuitive Strategien. Auch für ihn ist die Analyse der verschiedenen Wiederaufnahmeformen ein wichtiger Ausgangspunkt. Was oft vorkommt, ist offenbar thematisch wichtig. Dabei ergeben sich für einen Text in der Regel mehrere Themen. Es ist zu entscheiden, was das HAUPTTHEMA und was NEBENTHEMEN in einem Text sind; Entscheidungskriterium ist, aus welchem Thema sich andere Themen „ableiten“ lassen (Ableitbarkeitsprinzip). Außerdem müssen die inhaltlich-semantischen Beziehungen der einzelnen Aussagen und der TEILTHEMEN untereinander und zum Textthema klar gemacht werden. Eine wichtige Rolle für Brinker spielt auch die Funktion des Textes: Textthema und TextfunktionTextfunktion müssen kompatibel sein (Kompatibilitätsprinzip). Dasjenige Thema ist als Hauptthema zu betrachten, das am besten zur Hauptfunktion des Textes passt. Mit diesem Kriterium schafft Brinker eine Verknüpfung zwischen der thematischen und der funktionalen Analyse von Texten.
Jede Theorie, welche annimmt, dass die Kohärenz von Texten auf einem übergeordneten Thema im Sinne einer einheitlichen Themenstruktur beruht, macht die Voraussetzung, dass jeder Text eine klare, hierarchisch organisierte Themenstruktur mit einem Hauptthema und allenfalls Unterthemen hat. Ob diese Voraussetzung generell erfüllt ist, wird in den dargestellten Ansätzen nicht grundsätzlich hinterfragt und auch nicht grundsätzlich diskutiert. Eine Ausnahme macht hier Brinker (62005); er nimmt eine differenzierte Position ein, indem er je nach Textfunktionstyp unterschiedliche ThemenentfaltungstypenThemenentfaltungstyp (s.o.) annimmt.
Ferner ist es trotz den Vorschlägen von Agricola und van Dijk kaum möglich, einfache operationelle Verfahren anzugeben, mit denen für gegebene Satzfolgen klar und unzweideutig ein Thema ableitbar ist. Die Verfahren von Agricola und van Dijk zur Ableitung von Textthemen bzw. MakrostrukturenMakrostruktur aus konkreten Textpartien sind gleichzeitig zu abstrakt und zu speziell formuliert, um immer zu einem Resultat zu führen; im Einzelfall ist oft überhaupt nicht klar, wie sie anzuwenden sind (siehe auch die Kritik in Gülich/Raible 1977: 274f. und Schröder 2003: 54–58). Auch kann man nicht immer einen Text auf genau eine Kernaussage reduzieren. Wenn konkret aus einer Menge von Einzelaussagen eine generelle, allgemeinste Aussage hergestellt wird, wird ja dabei immer Information weggelassen, Information, welche eigentlich den Sinn des Textes ausmacht. Deshalb bleibt als Textthema meist eine relativ inhaltsarme Aussage übrig. Beispielsweise ergibt bei Agricola (1976) die Analyse einer Zeitungsmeldung über eine archäologische Ausgrabung einer Burg bei Brandenburg, die wertvolle Aufschlüsse über Lebensweise und Kultur der ehemaligen Bewohner liefert, als Zusammenfassung schließlich die relativ vage Aussage „Ausgrabungen informieren über Topographie und Lebensweise“.
Schließlich gehen wohl bei jeder Textinterpretation zu viel spezielles Hintergrundwissen und individuelle Leseerwartung in deren Anwendung ein, als dass man generelle, objektive Rekonstruktionsverfahren definieren könnte. Eine Themenzusammenfassung kann sich nicht auf die isolierte Bedeutung von einzelnen Sätzen beziehen, sondern muss die gesamte Interpretation eines Satzes im Kontext berücksichtigen, und diese ist vom ganzen Text und von seiner Mitteilungsabsicht abhängig. Die Mitteilungsabsicht kann sich auf ein Detail beziehen, das bei der Zusammenfassung eines Textabschnitts zu einer allgemeinen Aussage gerade verschwindet. Brinker (62005: 56) stellt denn auch fest: „Es kann hier keine ‚mechanische‘ Prozedur geben, die nach endlich vielen Schritten automatisch zur ‚richtigen‘ Themenformulierung führt. Die Bestimmung des Themas ist vielmehr abhängig von dem Gesamtverständnis, das der jeweilige Leser von dem Text gewinnt.“
Mit anderen Worten, das Verständnis des Themas eines Textes ist das Resultat eines hermeneutischen Prozesses, was auch den hermeneutischen Zirkel impliziert: Die Interpretation der Teile hängt ab von der Interpretation des Ganzen, die Interpretation des Ganzen hängt ab von der Interpretation der Teile. Erst in der Zusammensicht der Teile und des Ganzen kann man ein Verständnis beider gewinnen. Dazu wird man bei jeder Interpretation auch die vermuteten Absichten des Autors eines Textes mit einbeziehen. Was beispielsweise wesentlich, was nicht wesentlich ist, was eine sinnvolle Zusammenfassung von Inhalten ist, kann man nur entscheiden, wenn man den ganzen Text und seinen Zweck kennt. Die Verfahren von Agricola und van Dijk sind so letztlich Abstrahierungen aus konkreten praktischen Vorgehensweisen, die bei praktischen thematischen Analysen von Texten tatsächlich mehr oder weniger intuitiv angewendet werden; sie können aber Intuitionen nicht ersetzen, sondern allenfalls bewusst machen.
4.6 Thema als Textvorgabe
4.6.1 Funktionale Themabegriffe
Neben dem in Abschnitt 4.5 behandelten Themabegriff – ‚Thema als Kerngedanke eines Textes‘ – gibt es einen anderen, der für die Textlinguistik ebenfalls von Bedeutung geworden ist und den man mit der Umschreibung ‚Thema als Textvorgabe‘ etikettieren könnte. Die beiden Verwendungsarten des Ausdrucks Thema werden oft nicht scharf getrennt, sind jedoch klar zu unterscheiden.
Ausgangspunkt des zweiten Ansatzes ist zunächst die so genannte Funktionale Satzperspektive der Prager Schule und ihrer Vorläufer (siehe Eroms 1986). Diese Theorie ist zunächst keine Texttheorie; vielmehr will sie etwas über den funktionalen Informationsgehalt einzelner Sätze und dessen Auswirkung in der grammatischen Gestalt von Sätzen aussagen, vor allem über die Rolle der Satzgliedstellung. Zwischen (4–16a) und (4–16b) besteht ein subtiler, kommunikativ aber wichtiger Unterschied, obwohl sich die beiden Sätze nur in der Wortstellung unterscheiden:
(4–16a) Die Rolling Stones treten im Mai in Zürich auf.
(4–16b) In Zürich treten im Mai die Rolling Stones auf.
Traditionellerweise beschreibt man den Unterschied so, dass die beiden Sätze Aussagen über unterschiedliche Gegenstände sind: In (4–16a) sagt man etwas über die Rolling Stones, in (4–16b) darüber, was in Zürich im Mai los ist. Anders formuliert: Die beiden Sätze sind Antworten auf unterschiedliche Fragen: (4–16a) antwortet auf die Frage: „Was machen die Rolling Stones?“, (4–16b) auf die Frage: „Was ist in Zürich los?“ Die beiden Sätze übermitteln die sachlich gleiche Information aus unterschiedlichen Frageperspektiven.
Nach der Funktionalen Satzperspektive und den verwandten Theorien ist eine Aussage (immer oder wenigstens fast immer) aus zwei Teilen aufgebaut: einem THEMA – dem Satzgegenstand, über den etwas ausgesagt wird – und einem RHEMARhema – der Aussage über das Thema; (4–16a) und (4–16b) weisen dementsprechend eine unterschiedliche Thema-Rhema-StrukturThema-Rhema-StrukturStrukturThema-Rhema-Struktur auf. СКАЧАТЬ