Название: Textlinguistik
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301066
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In der linguistischen Textlinguistik werden die erzähltheoretischen und sprachtheoretischen Ansätze von Greimas allerdings selten beachtet und sein Isotopie-Konzept auf das Phänomen der semantischen Verwandtschaft von benachbarten Textelementen aufgrund gemeinsamer Bedeutungsmerkmale reduziert.
Isotopieansätze, die auf der Semanalyse basieren, können nur so leistungsfähig sein wie die Semanalyse selbst. Diese aber ist umstritten. Bei der konkreten Anwendung der Semanalyse ist es oft schwierig, Wortbedeutungen restlos in klar definierbare Seme aufzugliedern. Es ist oft auch unzureichend, Bedeutungen als bloße Addition von Semen darzustellen, denn zwischen Bedeutungselementen bestehen vielfach kompliziertere Beziehungen.
‚Erfrieren‘ ist nicht einfach eine Addition von ‚sterben‘ und ‚frieren‘, sondern impliziert ein Kausalverhältnis zwischen Frieren (bzw. Unterkühltwerden) und Sterben. Methodisch gesehen ist sehr oft auch nicht klar, was in einem durch Semanalyse gewonnenen Bedeutungsmerkmal semantisch tatsächlich enthalten ist. Die bloße Identifikation von Merkmalen wie ‚weiblich‘ oder ‚männlich‘ besagt wenig über deren Inhalt. Zudem basiert die Identifikation von semantischen Merkmalen aus der Gegensatzbildung oft zu sehr auf der Intuition des Analysierenden, um stringente Gültigkeit beanspruchen zu können.
In Rastier (1987) ist das Isotopiekonzept allerdings weiter entwickelt worden und elastischer geworden. Als Bedeutung wird nicht eine fixe lexikalische Bedeutung angenommen, sondern eine Bedeutung, wie sie die Wörter in ihrem Textzusammenhang bekommen (Rastier 1987: 81). Seme können innerhalb des Textes unterschiedlicher Natur sein: Sie können einem Wort aufgrund seiner lexikalischen Bedeutung zukommen („inhérence“), sie können konventionell konnotiert sein („afférence“), im Text können solche Seme konkret aktualisiert sein („actualisation“), aber auch in ihrer Geltung aufgrund des Kontextes aufgehoben, rein virtuell vorhanden sein („virtualisation“). Rastier (1987: 81) zitiert dazu einen Satz von Emile Zola:
(4–3) Guillaume war die Frau im Haushalt, das schwache Wesen, das gehorcht, das den Einflüssen von Fleisch und Geist unterworfen ist.
‚Inhärent‘ ist dem Ausdruck Frau das Merkmal ‚weiblich‘, konventionell konnotiert („afféré“) das Merkmal ‚schwach‘. Im konkreten Text wird dieses konnotierte Merkmal aktualisiert, das inhärente Merkmal wird virtualisiert.
Isotoptische Bedeutungselemente werden also in dieser Auffassung nicht nur aus den Bedeutungselementen der einzelnen Ausdrücke als vorgegebene Merkmale konstruiert, sondern auch aus dem Zusammentreffen im Text. Das wird etwa sichtbar an Rastiers (1987: 115f.) Isotopieanalyse einer Sequenz aus der Novelle „Coco“ von Guy de Maupassant:
(4–4) Die Miststöcke waren gut gepflegt; die Hunde wohnten in Hundehütten, ein Volk von Geflügel spazierte im hohen Gras herum.
Zusammengenommen ergeben sich für Rastier aus diesen Formulierungen die Elemente ‚Ordnung‘ und ‚Überfluss‘, die allerdings in den einzelnen Wörtern nicht in dieser Weise als Bedeutungselemente enthalten sind. Dieses Beispiel zeigt im Übrigen, dass Greimas und Rastier Isotopie in letzter Konsequenz sehr abstrakt auffassen: Auch sehr allgemeine Motive, die aus einzelnen Aussagen abgeleitet werden können, gelten als Isotopieelemente, nicht nur enge semantische Beziehungen zwischen einzelnen Lexemen. Auf diese Weise kann ein isotopieschaffendes Element ein Bedeutungselement sein, das im Text nirgends ein Bedeutungselement eines konkret vorkommenden Lexems ist, das auch nirgends explizit ausgeführt wird, das aber im Hintergrund, in der Bedeutungstiefe des Textes alles zusammenhält, weil aus dem Zusammentreffen aller einzelnen Ausdrücke mit ihrer Textbedeutung ein solches Bedeutungselement als übergeordneter gemeinsamer Nenner sozusagen „herausdestilliert“ wird. In der Konsequenz scheint sich aus solchen Überlegungen zu ergeben, dass die Bedeutungselemente, welche als rekurrente Seme einen Text zusammenhalten, nicht direkt aus den Bedeutungen oder den vorgegebenen Konnotationen einzelner Lexeme „herausdestilliert“, sondern in der Lektüre durch den Leser als übergreifende thematische Zusammenhänge hergestellt werden. Damit entfernt sich der Isotopieansatz von der ursprünglichen, wortsemantischen Konzeption und nähert sich einem Ansatz, der die Herstellung von Textkohärenz als Herstellung übergreifender thematischer Kerninformationen versteht, wie sie im Abschnitt 4.5 behandelt werden.
4.2.2 Semrekurrenz und semantische KontiguitätKontiguität
Der Ansatz, dass textuelle Kohärenz zwischen Sätzen durch Bedeutungsbeziehungen, also SEMREKURRENZSemrekurrenz entsteht, ist über andere Entwicklungen auch in der deutschsprachigen Textlinguistik entwickelt worden. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Analyse von Formen der PRONOMINALEN WIEDERAUFNAHMEWiederaufnahme im Text und ihrer Rolle als Bedingung von Textkohäsion durch Harweg (21979) (siehe ausführlich unter 3.1.2).
Bei der Herstellung derartiger Textbeziehungen können sehr verschiedenartige lexikalische Bedeutungsbeziehungen eine Rolle spielen, zum Teil mehr, als in einer Merkmalssemantik direkt dargestellt werden können (siehe Kleine Enzyklopädie 1983: 222, Heinemann/Viehweger 1991: 38):
SYNONYMIE (Bedeutungsähnlichkeit): Verstorbener – Leiche, Ehemann – Lebenspartner
HYPO-/HYPERONYMIE (Unter-/Überordnung): Familienmitglieder – Angehörige, Reh – Rotwild, Eichensarg – Sarg
KOHYPONYMIE (Bedeutungsverwandtschaft mit gleichem Oberbegriff): Filmdarsteller – Künstler, Täter – Krimineller
ANTONYMIE (Bedeutungsgegensatz): ausgraben – bestatten
PARAPHRASE (Umschreibung): Ehemann – die bessere Hälfte.
Über reine Bedeutungsverwandtschaft können auch logische und sachliche Beziehungen zwischen Ausdrücken, so genannte SEMANTISCHE KONTIGUITÄTEN textuelle Kohärenzbeziehungen stiften (Harweg 1968: 192ff., siehe auch Brinker 62005: 37f.):
LOGISCH (BEGRIFFLICH) BEGRÜNDETES KONTIGUITÄTSVERHÄLTNIS: Niederlage – Sieg, Aufstieg – Abstieg, Problem – Lösung
ONTOLOGISCH (NATURGESETZLICH) BEGRÜNDETES KONTIGUITÄTSVERHÄLTNIS: Blitz – Donner (Kausalverhältnis), Elefant – Rüssel (Teil-von-Beziehung), Kind – Mutter (biologische/soziale Beziehung)
KULTURELL BEGRÜNDETES KONTIGUITÄTSVERHÄLTNIS: Kirche – Turm, Haus – Tür, Krankenhaus – Chefarzt.
Ein Beispiel für Textkohärenz aufgrund solcher Kontiguitätsbeziehungen ist folgender Textausschnitt (aus Brinker 62005: 38):
(4–6) Eine Richterin beim Amtsgericht in Mettmann hat ein mutiges Urteil gesprochen. Sie lehnte die Klage eines 18jährigen Gymnasiasten ab, der von zu Hause weggezogen war und von seinen Eltern monatlich 200 Mark Unterhalt forderte.
Zwischen Richterin, Amtsgericht und Urteil gesprochen einerseits und lehnte Klage … ab andererseits besteht ein kulturell begründetes Kontiguitätsverhältnis, d.h. ein Zusammenhang, der durch kulturell entstandene Institutionen hergestellt wird. In der Institution Amtsgericht amten Richterinnen und Richter, die Urteile sprechen, und ein möglicher Inhalt eines Urteilsspruchs kann die Ablehnung einer Klage sein.
Auch gegen diesen Ansatz sind Einwände und Einschränkungen formuliert worden: Isotopie- und Kontiguitätsbeziehungen sind zwar ein wichtiges СКАЧАТЬ