Spanische Lexikologie. Bernhard Pöll
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Название: Spanische Lexikologie

Автор: Bernhard Pöll

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823301059

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СКАЧАТЬ dass auf diesen Bildungstyp zwingend zurückgegriffen wird (z.B. -isa für die Motion, d.h. Femininbildung). Produktivität ist nichts anderes als die Intuition der Sprecher, dass ein bestimmtes Muster zur Bildung neuer Wörter verwendet werden kann. Voraussetzung dafür ist die semantische Regularität des Schemas – d.h. Wortbildungsbedeutung und Wortschatzbedeutung dürfen nicht zu stark divergieren – und das Fehlen von Beschränkungen (cf. Piera/Varela 1999, 4378).

      Beschränkungen sind z.B. semantischer bzw. pragmatischer Art:1 So muss ein Verb *desnadar wohl als inakzeptabel abgelehnt werden, weil die Bedeutung des Präfixes nicht mit jenem der Basis verträglich ist, die einen umkehrbaren Vorgang ausdrücken müsste (z.B. descolonizar, desempaquetar etc.). Arbiträr semantisch begründet ist die Einschränkung des Adjektivsuffixes -uno (für Relationsadjektive) auf Tiere. In der Phonologie sind z.B. die Gründe für Beschränkungen bei Ableitungen von Dichternamen mit -iano (*gracianiano vs. kafkiano) zu suchen. Phonotaktische Beschränkungen liegen dann vor, wenn das entstehende Wort nicht den akzeptablen Lautkombinationen der Sprache gehorchen würde (z.B. pollo + -illo > *pollillo).

      Da Wortbildung zur Begriffsbildung dient, können Wörter grundsätzlich nur dann gebildet werden, wenn der entsprechende Begriff nicht bereits abgedeckt ist: Das Präfix in- verbindet sich beispielsweise nicht mit der Basis guap- (*inguapo), weil dafür bereits feo existiert. Ganz ähnlich steht es mit dem Begriff DIEB, der im Spanischen mit dem Wort ladrón ausgedrückt ist, deshalb ist es nicht möglich, robador zu bilden, obwohl dieses deverbale Substantiv semantisch unproblematisch wäre und sich der Bildungstyp durch hohe Produktivität auszeichnet (synonymische Blockierung, Synonymieverbot). Diese Blockierung könnte nur durchbrochen werden, wenn robador z.B. eine Spezialbedeutung bekäme.2 Eine analoge, aber formbezogene Blockierung liegt vor, wenn das neu gebildete Wort homonym zu einem bereits existierenden Wort ist (homonymische Blockierung).3

      3.4 Wortfamilien

      Unter Wortfamilie versteht man eine Gruppe von Lexemen, die etymologisch betrachtet über einen gemeinsamen Stamm verfügen: viaje, viajar, viajero, viajante; historia, historiador, historial, historiar, histórico etc.; nudista, nudismo, desnudo, desnudar etc. (< lat. NUDU; nicht aber nudo ‘Knoten’ < NODU). Bei all diesen Fällen handelt es sich um Ableitungen von einem Grundwort.

      Daneben gibt es aber zahlreiche Beispiele, bei denen der etymologische Zusammenhang nicht sofort klar ist: humo vs. fumar, fumata, fumador etc.; niebla vs. nebuloso, nebulosidad, neblina, nebulizador; dedo vs. digital, digitación ‘Fingersatz’; voz vs. vocal etc. Solche Beispiele sind zwar nicht so häufig wie etwa im Französischen, dennoch gibt es auch im spanischen Wortschatz zahlreiche Asymmetrien dieser Art.

      Unter Beibehaltung einer streng synchronen Perspektive können solche Beispiele auch als (gelehrte) Ableitungen betrachtet werden: hijofilial; madrematernal; aguaacuoso, acuático; ojoocular; monedamonetario. Die Variation im Stamm wäre als Allomorphie zu beschreiben. Aus diachroner Perspektive handelt es sich aber um spätere Entlehnungen aus dem Lateinischen bzw. um Neubildungen mit lateinischem Material, wodurch sich das Fehlen der zu erwartenden Lautwandelprozesse erklärt. In einigen durch Analogie regularisierten Fällen scheint auf den ersten Blick eine normale, genuin spanische Ableitung vorzuliegen (cf. Lüdtke 1998, 512), z.B.: nutrir (16. Jhdt.; < NUTRIRE) – nutrición (13. Jhdt.; ursprünglich: nudrición).

      3.5 Zusammenfassung: Formelemente des Lexikons

      Die unten stehende, aus Schwarze/Wunderlich (1985, 10) entnommene und für das Spanische adaptierte Graphik verdeutlicht noch einmal die hierarchischen Strukturierungen der lexikalischen Einheiten nach formalen Gesichtspunkten.

      Besonders im Hinblick auf das mentale Lexikon müssen wir unsere Bestimmung von minimalen Einheiten vom einfachen Wort nicht nur – wie im vorhergehenden Kapitel – auf mehrgliedrige und komplexe Bildungen ausweiten, sondern auch nach unten hin zu den Morphemen öffnen: Das mentale Lexikon ist sicherlich nicht nur ein “Vollformlexikon”.

      Bsp.:

      1 crimen de guerra; ahorcar los libros ‘abandonar los estudios’

      2 bocacalle; dentista; hablamos

      3  pelirrojo

      4  avión, contra

      5 cant-, des-, -oso

      4 Die Inhaltsseite des Lexikons

      4.1 Semasiologie, Onomasiologie, Semantik

      Die Beschäftigung mit der Bedeutung kleinerer oder größerer sprachlicher Einheiten stellt für verschiedene sprachwissenschaftliche Forschungsrichtungen eine zentrale Aufgabe dar. Der Begriff der Semantik für jene Disziplin, die sich exklusiv mit sprachlichen Inhalten beschäftigt, wurde Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt1 und war zunächst gleichbedeutend mit Semasiologie (auch: Bedeutungslehre), die – ausgehend von sprachlichen Formen – nach Inhalten fragt.

      Traditionell beschäftigt sich die Semasiologie mit dem Wandel der Bedeutung von Lexemen bzw. mit dem Hinzutreten neuer Bedeutungen und Verschwinden alter Bedeutungen im Laufe der Zeit. Meist unterscheidet man die folgenden Typen des Bedeutungswandels:

       Bedeutungsverengung bzw. -spezialiserung: lat. secare ‘schneiden’ → sp. segar ‘mähen’; lat. materia ‘Baustoff’ → sp. madera ‘(Bau-)Holz’; lat. collocare ‘setzen, stellen, legen’ → sp. colgar ‘(auf)hängen’; lat. femina ‘Frau, weibliches Tier’ → sp. hembra ‘weibliches Tier’.

       Bedeutungserweiterung/Generalisierung: armario ‘Waffenschrank’ → ‘Schrank’; lat. passer ‘Spatz’ → sp. pájaro ‘(kleiner) Vogel’; vlat. plicare (vela) ‘(die Segel) falten, d.h. anlegen, landen’ → sp. llegar ‘ankommen’;2 lat. tenere ‘halten’ → sp. tener ‘haben’.

       Bedeutungsübertragung, z.B. durch Metonymie: paella ‘tipo de sartén’ → ‘typisch valenzianisches Gericht’; durch Metapher: pie ‘Bein’ → pie ‘(Tisch-)bein’; sp. boca ‘Mund’ → ‘Flussmündung’/‘Eingang’ (cf. boca de metro).

       Bedeutungsverschlechterung: lat. vulgaris ‘gewöhnlich, alltäglich’→ sp. vulgar ‘(auch:) vulgär’; ar. alwazir ‘Minister, Statthalter, Beauftragter’ → sp. alguacil ‘Gerichtsdiener’.

       Bedeutungsverbesserung: mlat. comite ‘Begleiter (des Herrschers)’ → sp. conde ‘Graf’; lat. casa ‘Häuschen, Baracke’ → sp. casa ‘Haus’; lat. mancipiu ‘Sklave’ → sp. mancebo ‘Gehilfe; Bursche’.

      Die beschriebenen Wandelprozesse darf man sich nicht als abrupten Wechsel vorstellen; vielmehr handelt es sich um länger andauernde Prozesse, die u.U. über verschiedene Zwischenstufen laufen und mit synchroner Variation verbunden sind (d.h. die betroffenen Wörter СКАЧАТЬ