Название: Spanische Lexikologie
Автор: Bernhard Pöll
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301059
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Mit letzterem Begriff ist eine Perspektive gemeint, die – im Gegensatz zum semasiologischen Herangehen – von den Sachen ausgeht und nach den sprachlichen Einheiten fragt, die zu ihrer Bezeichnung dienen; daher auch der deutsche Begriff Bezeichnungslehre. Zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen semasiologischer und onomasiologischer Perspektive: Eine klassische semasiologische Thematik wäre z.B. die Frage nach den Unterschieden in der Bedeutung der Adjektive inculto, ignorante und simple; aus onomasiologischer Perspektive könnte man sich fragen, welche Adjektive im Spanischen für die Konzepte DUMM und VERRÜCKT zur Verfügung stehen (cf. z.B. die Arbeit von Nagel 1972; zu Semasiologie und Onomasiologie grundlegend: Baldinger 1964). In ihrer Ausprägung als Wörter- und Sachen-Forschung, die eng mit der Sprachgeographie verbunden ist, hat die Onomasiologie vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Herausragendes geleistet.
4.2 Was ist eigentlich Bedeutung?
In unseren bisherigen Ausführungen haben wir stillschweigend mit einer der wesentlichsten Grundannahmen der modernen Sprachwissenschaft gearbeitet: der auf Ferdinand de Saussure zurückgehenden Annahme von der Gegliedertheit des sprachlichen Zeichens. Saussure hatte radikal mit der Ansicht gebrochen, die Wörter einer Sprache entsprächen, gleich einem Verzeichnis (er verwendete den Begriff nomenclature), den Dingen der realen Welt.
Anstelle dieser Sichtweise schlägt Saussure Folgendes vor: Das sprachliche Zeichen hat zwei untrennbar miteinander verbundene Komponenten, die Lautfolge (image acoustique, signifiant)1 und das dazugehörige Konzept (concept, signifié), d.h. das geistige Bild, das im Kopf des Sprechers/Hörers entsteht, wenn die betreffende Lautfolge geäußert wird.
Die Beziehungen zwischen signifiant, signifié und Denotat (Referent) lassen sich graphisch in Form des auf Charles K. Ogden und I.A. Richards zurückgehenden semiotischen Dreiecks darstellen:
Mit Hilfe des in dieser Form visualisierten Saussureschen Zeichenmodells lassen sich nun sehr einfach zwei grundlegend verschiedene Bedeutungstheorien unterscheiden (cf. Lyons 1991): die Referenztheorie und die Ideationstheorie.
I. Die Referenztheorie steht der vor-Saussure’schen Konzeption der Entsprechung von Wörtern und realen Dingen sehr nahe. Sie basiert auf dem Postulat, dass die Bedeutung eines Ausdrucks seine Referenz ist bzw. durch diese konstituiert wird. Mit anderen Worten: Die Bedeutung ist die Beziehung zwischen Ausdruck und Denotat. Diese Sicht lässt sich mit einfachen Argumenten aus dem Weg räumen (wir lehnen uns im Folgenden an Lyons (1991, 10) an, verwenden aber spanische Beispiele):
Mit dem Wechsel des Referenten müsste sich im Rahmen der Referenztheorie auch die Bedeutung ändern; dadurch gäbe es aber für Ausdrücke wie mi padre keine konstante, übersetzbare und in gleicher Weise variierende Bedeutung.
el jefe de Gobierno y de Estado und el máximo líder haben die gleiche Referenz (Fidel Castro), sind also im Rahmen der Referenztheorie synonym. Synonymie impliziert Austauschbarkeit in gleichen Kontexten, ohne dass dies Auswirkungen auf die Gesamtaussage hat. Mit den beiden Sätzen(1) Juan no sabía que el máximo líder era el jefe de Gobierno y de Estado.(2) Juan no sabía que el jefe de Gobierno y de Estado era el máximo líder.
müsste folglich unterschiedslos die gleiche Aussage gemacht werden können. Zudem müssten sie auch die gleiche Aussage implizieren wie(3) Juan no sabía que el máximo líder era el máximo líder.
Keine dieser Annahmen ist bei näherem Hinsehen haltbar.
Ganz offensichtlich referieren die in normalen Definitionswörterbüchern verzeichneten Wörter nicht (bzw. nur auf sich selbst), z.B. jefe als Lemma im DRAE. Referenz haben sie erst in einer Äußerung, z.B. el jefe necesita unas vacaciones.
II. Aus dem zur Referenztheorie Gesagten ergibt sich schon deutlich die repräsentationistische Position: Die Bedeutung eines Ausdrucks ist nicht seine Referenz, sondern sein Konzept. So lässt sich erklären, dass mi padre übersetzbar ist (sein Konzept ist konstant) und die Sätze (1) und (2) nicht gleichbedeutend sind: Die betreffenden Ausdrücke haben zwar den gleichen Referenten, ihnen liegt aber nicht das gleiche Konzept zugrunde, sie haben das gleiche Referenzpotential (Extension, d.h. die damit bezeichenbaren Referenten), nicht aber die gleiche Intension (Sinn, Bedeutungskomponenten).
Die Ideationstheorie ist der Ausgangspunkt strukturalistischer Bedeutungsbeschreibung, die trotz mancher Kritiken (s.u.) einen wesentlichen Beitrag zur semantischen Forschung geleistet hat und der wir deshalb besonderes Augenmerk schenken müssen. Die Referenztheorie darf man jedoch auch nicht einfach beiseite lassen, da Referenz sehr wohl für die Bedeutung konstitutiv sein kann: Man denke nur an die Deiktika (Personal- und Demonstrativpronomen, temporale und lokale Adverbien), die eine referentielle, d.h. nur in Bezug auf die Äußerungssituation fixierbare Bedeutung haben, oder auch an die in Kapitel 3.3.2 beschriebenen N + N-Komposita, deren Bedeutung sich u.U. auch erst durch die spezifische Referenz ergibt.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass auch repräsentationistische Positionen ihre Schwächen haben. Zum einen ist der (mentale) Status des Konzepts unklar: Handelt es sich wirklich um ein Bild? Lassen sich Konzepte unabhängig nachweisen? Zum anderen ist zu vielen Wörtern einfach kein Konzept oder Bild denkbar, sodass sich etwa die Bedeutung von Funktionswörtern oder Abstrakta letztlich nur aus ihrem konventionalisierten Gebrauch ableiten lässt (zur Kritik an repräsentationistischen Bedeutungstheorien cf. Keller 1995).
4.3 Strukturalistische Bedeutungsbeschreibung (“strukturelle Semantik”, “Lexematik”)
Der im Wesentlichen in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entstandenen “strukturellen Semantik”, die auf den Forschungen von Persönlichkeiten wie E. Coseriu, H. Geckeler, A.J. Greimas, G. Hilty, B. Pottier, P. Schifko1 u.a. beruht, liegt das Saussure’sche Postulat zugrunde, dass in der Sprache (als langue) nichts von sich aus gegeben ist, sondern alles als Produkt von Oppositionen angesehen werden müsse.
Diese Überzeugung kam erstmals in der Phonologie zum Tragen; gemäß der “Prager Schule” (insbesondere N.S. Trubetzkoy) erhält ein Phonem seinen Wert dadurch, dass es in direkter Opposition zu anderen Phonemen steht, von denen es sich in mindestens einer Eigenschaft unterscheidet: So ist beispielsweise im Spanischen das Phonem /b/ durch das Merkmal [+ stimmhaft] vom Phonem /p/, durch die Merkmale [– nasal] und [+ plosiv] vom Phonem /m/ geschieden. Die zitierten Beispiele unterscheiden sich natürlich noch durch andere Merkmale, die allerdings nicht distinktiv sind, also den funktionalen Wert des jeweiligen Phonems nicht mitbestimmen.
Implizit ist mit diesen Beispielen ein weiteres strukturalistisches Grundprinzip angesprochen: die Zerlegbarkeit in kleinere Einheiten bzw. die Kombinierbarkeit kleinerer zu größeren Einheiten.
Diese Prinzipien werden nun konsequent vom lautlichen auf den lexikalischen Bereich übertragen; so wie Phoneme durch ein Bündel von distinktiven Merkmalen bestimmt sind, wird die Bedeutung eines Lexems als die Summe seiner semantischen Merkmale (auch: Seme) verstanden. Man spricht deshalb von Merkmalssemantik (auch: Merkmalanalyse, Semanalyse).
Die Idee, die Bedeutung über Merkmale oder Komponenten zu definieren, ist nicht wirklich neu, СКАЧАТЬ