Название: Spanische Lexikologie
Автор: Bernhard Pöll
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301059
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Anhand der Beispiele sordomudo und hombre-rana kann man die beiden grundlegenden Beziehungen zwischen den Komponenten von Komposita beschreiben: (a) koordinativ: sordomudo bedeutet das gleichzeitige Vorhandensein der durch die Adjektive ausgedrückten Eigenschaften, (b) subordinativ: in hombre-rana ist das zweite dem ersten Nomen untergeordnet und bestimmt dieses näher. Diese Einteilung in koordinative (Kopulativ-) Komposita und subordinative (Determinativ-) Komposita ist sehr grob, wie die folgenden Beispiele zeigen, in denen das Verhältnis zwischen den Komponenten der N+N-Komposita durch eine Paraphrase verdeutlicht wird (cf. Zierer 1993, 120f.):
alumno problema: N1 ist N2
vestido sastre: N2 ist der Urheber von N1
viaje relámpago: N1 hat ein wesentliches Merkmal von N2
radio periódico: N1 dient als Medium oder Instrument für N2
papel periódico: N1 ist für N2 bestimmt
decreto ley: N1 hat die Wirkung von N2
usw.
Im Vergleich zum Deutschen sind echte Komposita im Spanischen relativ selten; in vielen Fällen behalten die spanischen Komposita gewisse Eigenschaften von freien Kombinationen bei, insbesondere, wenn die zugrundeliegenden Beziehungen syntaktisch interpretiert werden können. Dies gilt insbesondere für Bildungen des Typs N + N,2 N + A und A + N. Während z.B. Komposita des Typs V + N oder A + A vollständig verschmolzen sind und die Pluralmarkierung daher am Ende der neu entstandenen lexikalischen Einheit erfolgt, zeigen die erwähnten Kompositionstypen ein sehr uneinheitliches Verhalten: contestador automático ‘Anrufbeantworter’ markiert den Plural an beiden Konstituenten, ricadueña ebenfalls, obwohl es im Unterschied zum ersten Beispiel nur eine Akzentstelle hat und auch graphisch verschmolzen ist; das nach dem gleichen Prinzip gebildete caradura wiederum bildet den Plural “regelmäßig” (caraduras), obwohl formal der gleiche Verfestigungsgrad festzustellen ist (eine Akzentstelle, graphische Amalgamierung). Diese Unterschiede korrelieren nicht mit der Bedeutungsstruktur der Komposita und betreffen gleichermaßen endozentrische wie exozentrische Komposita.
Mit diesen Begriffen beschreibt man den Umstand, dass im ersten Fall die Bildung das bezeichnete Objekt auch formal ausdrückt und das Determinatum die grammatische Kategorie, das syntaktische Verhalten und die Distribution festlegt, während im zweiten Fall keine Komponente auf das Denotat hinweist, cf. hombre-rana ‘Froschmann’ vs. piel roja ‘Indianer’: Ein hombre-rana ist ein hombre, das Kompositum übernimmt von dieser Komponente die syntaktischen und kategoriellen Merkmale; piel roja bezeichnet keine spezifische Form von Haut und erhält weder das Genus noch die Distribution von piel.
Ein im Spanischen – und den romanischen Sprachen generell – häufigerer Wortbildungstyp sind die sog. syntagmatischen Komposita des Typs N + P (+Art.) + N: viga de acero, libro de bolsillo, balanza del poder usw. Auch deren syntaktisches Verhalten variiert, was man deutlich erkennt, wenn man sie modifizieren will: libro estupendo de cocina vs. *libro estupendo de bolsillo vs. libro de bolsillo estupendo; caballo negro de carrera vs *mano cara de obra. Bei diesem Typ scheint die Semantik (transparent/kompositionell vs. nicht transparent) eine Rolle für die Modifizierbarkeit zu spielen (cf. Cartagena/Gauger 1989 II, 79).
Einen Sonderfall stellen gelehrte Komposita dar, da hier ein Grundmerkmal fehlt: Die Komponenten kommen in der Regel nicht frei vor. Beispiele aus griechisch-lateinischem Material wären: geólogo (gr.-gr.), democracia (gr.-gr.), radiólogo (lat.-gr.), polivalencia (gr.-lat.) uvam. Aufgrund des reihenbildenden Charakters sowie des nur gebundenen Vorkommens der Komponenten werden Wortbildungsprodukte mit tele-, bio-, -logo etc. von vielen Morphologen im Kontext der Derivation behandelt (cf. Kapitel 3.3.1.2).
3.3.3 Andere Verfahren
Neben Derivation und Komposition existieren noch verschiedene, quantitativ weniger bedeutende Verfahren der Wortbildung.
Im weiteren Sinne als syntagmatisch kann man auch die Univerbierung bezeichnen, da sich dabei ebenfalls Phrasen verfestigen: nomeolvides ‘Vergissmeinnicht’, enhorabuena ‘Glückwunsch’, pagaré ‘Schuldschein’ etc.
Die Wortkürzung kann am Ende (Apokopierung, Kopfformen) oder am Anfang (Aphärese, Schwanzformen) der Basiseinheit erfolgen; es kommen auch Bildungen vor, die Elemente aus dem vorderen und dem hinteren Teil der Basis bzw. der Basen kombinieren und bei denen dazwischenliegende Morpheme ausfallen (Kontraktionen, Wortkreuzungen):
Apokopierungen: cine ← cinema; kilo ← kilograma; radio ← radiotelefonía etc. Manche Kurzformen sind umgangssprachlich oder gruppenspezifisch (Jugendsprache; cf. Montero 2013): profe ← profesor; mani ← manifestación; bici ← bicicleta. Bei der Kürzung kann es zu einer Bedeutungsdifferenzierung kommen; so bedeutet taxímetro, die Vollform von taxi, heute nur mehr ‘Fahrpreisanzeiger’ (cf. Thiele 1992, 128).
Aphäresen sind in der Gemeinsprache relativ selten: bus ← autobus; fono ‘Hörer’ ← teléfono
Kontraktionen: helipuerto ← helicóptero + aeropuerto; docudrama ← documento + drama
Die Bildung von Siglen und Akronymen (Initialwörtern) ist ein Ausdruck von Sprachökonomie. Mit Rainer (1993, 705f.) versteht man unter Siglen Einheiten, die nur aus den Anfangsbuchstaben der Komponenten bestehen: BOE (← Boletín oficial del Estado), AP (← Alianza Popular), OUA (← Organización de la Unidad Africana) etc. Akronyme bestehen aus mehr als dem Anfangsbuchstaben der Komponenten (muss nicht für alle Komponenten gelten): RENFE (← Red Nacional de Ferrocarriles Españoles), MATESA (← Material Textil S.A.). Akronyme werden immer wie Wörter gelesen, Siglen werden entweder buchstabiert (z.B. PSA, DNI) oder – wenn es phonotaktisch möglich ist – ebenfalls gelesen (OTAN, ETA, ONU etc.).1
Vor allem aus der Kindersprache ist uns die Reduplikation gut bekannt: Wörter oder Segmente, die manchmal einen Bezug zu einer Ausgangsform erkennen lassen, werden verdoppelt, und so entsteht ein neues Wort mit oft affektiver Konnotation: nene ‘niño’ (fam.); (hacer) pipí ‘Pipi’ (fam.); (polvos de) picapica ‘Juckpulver’ usw.
3.3.4 Produktivität, Aktivität, Blockierungen
Wir haben eingangs festgehalten, dass neue komplexe Wörter in Analogie zu bereits vorhandenen Wortbildungen entstehen. Der Kreativität der Sprecher sind dabei – Wortspiel, poetische Sonderverwendung u.Ä. ausgenommen – vielerlei Grenzen gesetzt: 1. Ein Wortbildungsmittel oder -modell hat in einem bestimmten Zeitraum ein gewisses Ausmaß an Produktivität, z.B. kann man heute neue Verben auf der Basis von Substantiven nicht (mehr) mit -er oder -ir bilden, sehr wohl aber mit -ar bzw. -ificar, -izar und -ear. Produktiv ist auch die deverbale Ableitung von Substantiven mit -ción, nicht jedoch mit -zón. Ein Beispiel aus dem Bereich der evaluativen Suffixe wäre das unproduktive -uelo, das äußerst СКАЧАТЬ