Stil und Text. Michael Hoffmann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Stil und Text - Michael Hoffmann страница 5

Название: Stil und Text

Автор: Michael Hoffmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823300175

isbn:

СКАЧАТЬ der Direktheit bzw. Indirektheit eines Wegs zu verstehen? Gemeint ist der Unterschied zwischen der Wörtlichkeit und der Nichtwörtlichkeit des Gesagten. Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn sich der Sprecher (Textproduzent) metaphorischMetapher/Metaphorisieren oder ironisch äußert. So kann sich eine metaphorische Ausdrucksweise als aussichtsreicher herausstellen, einen intellektuellen ErtragErtragintellektueller zu erzielen, eben weil sie es vermag, abstrakte Sachverhalte zu veranschaulichen. Metaphorik verlangt allerdings auch dem Hörer (Textrezipienten) höhere geistige Kosten ab, denn sie impliziert die an ihn gerichtete Aufforderung, „etwas als etwas anderes zu sehen“ (ebd.: 224). Eine ironische Ausdrucksweise kann sich als aussichtsreicher herausstellen, einen emotionalEmotionalität/Emotionalisieren-psychischen ErtragErtragemotional-psychischer zu erzielen, eben weil sie es vermag, die Bewertung von Sachverhalten als distanziert-spöttisch erscheinen zu lassen, etwa im Rahmen der journalistischen TextsorteTextsorte Glosse (vgl. Lüger 1995: 137ff.). Vom Hörer (Textrezipienten) wird bei dieser Form von Indirektheit erwartet, dass er sein Wissen einbringt, um die IronieIronie/Ironisieren zu erkennen. Es wird außerdem erwartet, dass er den SpottSpott als gerechtfertigt ansieht. Auch er hat also erheblich höhere Kosten, doch der mögliche Nutzen liegt auf der Hand: Der Text kann Vergnügen bereiten.

      2 Definitionsmerkmale der Textkategorie Stil

      2.1 Einleitung

      Vor mehr als hundert Jahren beginnt Richard M. Meyer seine „Deutsche Stilistik“ mit folgenden Worten:

      Die Stilistik wird insgemein als eine Art Geheimmittellehre aufgefaßt, die allerlei Kunstgriffe zur Erzielung ästhetischer Wirkungen an die Hand geben soll. Davon kann im Ernst nicht die Rede sein; vielmehr ist sie eine wissenschaftliche Disziplin, die als solche das Verständnis vorhandener Erscheinungen zu fördern und zu verbreiten sucht. In diesem Sinn behandeln wir die Stilistik in dem folgenden Abriß als ein System theoretischer Erkenntnisse, das sich selbstverständlich praktisch verwerten läßt, gerade wie die Grammatik (im Sprachunterricht) oder jede andere Wissenschaft. (Meyer 1913: 1)

      Aktuell an diesen Worten ist einiges: der Status der Stilistik als Wissenschaft, die Systemhaftigkeit theoretischer Erkenntnisse, die praktische Verwertbarkeit von Einsichten in stilistische Regularitäten. Nicht mehr aktuell ist natürlich auch einiges: Von einer Geheimmittellehre spricht heutzutage niemand mehr. Statt um Kunstgriffe geht es heute um theoretisch fundierte methodische Instrumentarien. Und schlösse man sich der Auffassung Meyers an, dass die Stilistik letztlich nichts anderes sei „als eine vergleichende Syntax“ (ebd.: 3), bliebe das Blickfeld eingeengt auf ein Teilsystem des SprachsystemsSprachsystem als Stilmittelreservoir und der Blick versperrt auf den eigentlichen Stilbereich in seiner Bindung an und seiner Einbindung in die Kommunikation. Erstaunlicherweise gelingt es dem Autor dennoch, den Blick zu weiten und Stilistisches auch im Rahmen von „Gattungen“ wie ‚Essay‘, ‚Literarisches Porträt‘ und ‚Wissenschaftliche Darstellung‘ zu beschreiben.

      Vor mehr als zehn Jahren beginnt die „Einführung in die Stilistik“ von Karl-Heinz Göttert und Oliver Jungen folgendermaßen:

      Das hat Stil! Oder auch: Das hat keinen Stil! – erstaunlicherweise verstehen wir solche Aussagen bestens, ohne sagen zu können, was Stil eigentlich ist. Diese definitorische Verlegenheit stellt kein kleines Manko für die Stilistik dar. Eine Einführung in die Disziplin der Stilistik hat es da etwas einfacher, weil sie das Manko nur zu benennen, nicht zu beheben braucht. (Göttert/Jungen 2004: 13)

      Kritikwürdig an diesen Ausführungen ist erstens, dass das Wort Stil in den angeführten Beispieläußerungen ein ästhetisches Werturteil zum Ausdruck bringt, im Sinne von ‚ästhetischÄsthetik/ästhetisch ansprechender Gestaltung‘ verwendet wird, während die Aufgabe der Stilistik darin besteht, den Grundbegriff Stil so zu bestimmen, dass damit die Vielfalt an Gestaltungsweisen mit neutralen Kennzeichnungen (Stil der Wissenschaft, Werbestil, Märchenstil, Stil Thomas Manns usw.) erfassbar wird. Kritikwürdig an den zitierten Worten ist zweitens die Annahme, dass Einführungen in eine Wissenschaftsdisziplin ohne eine Definition des jeweiligen Gegenstands auskommen können. Der Verzicht auf eine Definition hat zwangsläufig zur Folge, dass lediglich diffuse Vorstellungen vom Gegenstand entstehen, was wenig hilfreich und letztlich unwissenschaftlich ist. So nährt der Verzicht auf eine Stildefinition berechtigte Zweifel, ob die Stilistik überhaupt zu den Wissenschaftsdisziplinen gehört. Die Zweifel daran potenzieren sich, wenn anstelle des Bemühens, zu einer Stildefinition zu gelangen, spöttische Vergleiche angestellt werden, wenn Stil z.B. mit einem Fabelwesen wie dem Ungeheuer von Loch Ness verglichenVergleichen wird: „Man spricht davon, schreibt und hält Vorträge darüber, doch über etwas, was unsichtbar bleibt.“ (Dubois u.a. 1974: 24)

      Dabei ist über Stil als Grundbegriff der Stilistik wahrlich schon viel gesprochen und geschrieben worden. Der Begriff bietet unerschöpflichen Diskussionsstoff. Es gibt mittlerweile zahlreiche Stilrichtungen (Text-, Gesprächs-, Pragma-, Sozio-, Literatur-, Funktionalstilistik u.a.) und weitaus mehr Stilauffassungen, -konzepte und -definitionen. Selbst innerhalb einer Stilrichtung können verschiedene Sichtweisen zur Geltung kommen. So ist es im Rahmen der Textstilistik möglich, den Fokus auf pragmatischePragmatik/pragmatisch Aspekte des Stils zu richten: Stil wird als die Art und Weise des Vollzugs einer TexthandlungTexthandlung (z.B. ERZÄHLENERZÄHLEN/Erzählen, WERBENWERBEN, BEURKUNDENBEURKUNDEN) begriffen. Im Rahmen der Textstilistik ist es aber auch möglich, im Stil eines Textes ein mehr oder weniger komplexes kommunikatives Zeichen zu sehen, mit sprachlichen und nichtsprachlichen Komponenten, in monologischer oder dialogischer Form, mit individueller oder überindividueller Prägung, mit pragmatischer, sozialer oder ästhetischer BedeutungSemantik/semantisch, in poetischenPoetizität/poetisch oder nichtpoetischen Kommunikationszusammenhängen. Von dieser semiotischen Sichtweise (Stil als Zeichen in der Kommunikation) sind die stiltheoretischen Ausführungen im vorliegenden Buch getragen. Die Problematik vieler Stiltheorien resultiert aus einem Universalitätsanspruch bzw. aus der Verabsolutierung eines ganz bestimmten Aspekts. Eine semiotisch orientierte Textstilistik legt sich zwar auch fest, hat aber das Potential, die verschiedensten Aspekte unter einem Dach zusammenzuführen.

      Bei dem hier vorzustellenden Stilkonzept gehen wir nicht von einer fertigen Stildefinition aus. Stattdessen werden Definitionsmerkmale der Textkategorie Stil in der Art eines Puzzles aneinandergelegt und an Beispieltexten erläutert, um sie am Ende in einer Stildefinition zusammenzuführen. Strittiges bleibt weitestgehend ausgeblendet, doch auf eine Diskussion stiltheoretischer Fragen wird nicht gänzlich verzichtet, denn auch die Problematisierung von Positionen kann dazu beitragen, möglichst viel Klarheit über das Phänomen Stil zu gewinnen. In diesem zweiten Kapitel wird deshalb an das Ende eines Abschnitts gelegentlich ein Block mit der Überschrift „Diskussion“ gestellt, in dem Fragen, die sich aus dem Studium der Fachliteratur ergeben, erörtert oder offene Fragen, die sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht befriedigend beantworten lassen, formuliert werden.

      2.2 Musterbasiertheit

      2.2.1 GestaltungsmusterGestaltungsmuster allgemein: Komponenten des Musters Gestalten

      An unserer ersten Station auf dem Weg zu einer Stildefinition wollen wir auf die Frage eingehen, wie der Stil eines Textes eigentlich in den Text „hineinkommt“. Für die Antwort auf diese Frage erweist es sich als nützlich, wenn nicht als unumgänglich, den stilistischen Aspekt der Textproduktion mit dem Begriff Gestaltung zu erfassen. Mit Hilfe dieses Begriffs können wir Stil als ein Gestaltungsprodukt bestimmen. Wir können sagen, dass er durch einen GestaltungsaktGestaltungsakt hervorgebracht wird und dass Gestaltungsakten ein GestaltungsmusterGestaltungsmuster zugrunde liegt. Ein prägnanterPrägnanz/Prägnant-Machen stiltheoretischer Leitsatz lautet ganz in diesem Sinne: Stil beruht auf dem Muster Gestalten (vgl. Püschel 1995: 306). Da es naturgemäß viele unterschiedliche Stile gibt, müsste es eigentlich dementsprechend viele Gestaltungsmuster geben. Nun besagt der Leitsatz aber gerade, dass es ein einziges Muster gibt, nämlich das Muster Gestalten. Wie lässt sich diesem offensichtlichen Widerspruch Logik abgewinnen? Etwa so: Wenn von dem Muster СКАЧАТЬ