Genderlinguistik. Helga Kotthoff
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Название: Genderlinguistik

Автор: Helga Kotthoff

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823301523

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СКАЧАТЬ Perspektive treu.

      2.3.6 Kommunikation von Identitäten

      Wir stilisieren uns nicht einfach als Frau oder Mann, sondern sehr viel spezifischer als eine „performable persona“ (Agha 2007, 160). Wenn wir eine bestimmte Kleidungs- und Sprechsemiotik an den Tag legen, machen wir uns zu einem spezifischen sozialen Typ, bedienen uns also zunächst an einem historisch bereits zur Verfügung stehenden Zeichenrepertoire, um den Typus aufzuführen, der für andere als solcher erkennbar wird (Bucholtz 1999). Der Zeichengebrauch ist insofern reflexiv, als er soziale Typensoziale Typisierung so auch durch Bestätigung fortleben lässt. Schon Kindergartenkinder wissen beispielsweise, wie sie in ihren Rollenspielen Polizisten, autoritäre Mütter und quengelnde Kleinkinder aufführen. Sie können in diesen Rollen Anweisungen erteilen oder weinerlich tun, je nachdem. In der Terminologie von Agha (2007) führen sie metapragmatischemetapragmatisch Modelle auf, die sie über typische Äußerungen (die Mutter äußert z.B. Mahnungen), typische Prosodie und Kleidungsstile gestalten (in Cahills Aufnahmen legen sich Kinder für die Mutterrolle eine Kette um den Hals oder sie tun, als würden sie rauchen). Transgender-Personen stilisieren ihre Spezifik über bestimmte Kombinationen aus bekannten semiotischen Genderrepertoiren (Barrett 2017). Die Rekonstruktion von Typisierungsprozessen (z.B. typischem Vaterverhalten in der Familie), in die sich Machtbeziehungen einschreiben, fassen wir entschieden nicht als „Zitat“ im Sinne von Butler (1991, 217), die Geschlechterfestschreibung als im Diskurs des performativen Akts konstituiert sieht, das heißt durch ständige repetitive PraktikenKommunikative Aktivität. Wenn ich jemanden zitiere, schreibe ich mir die Worte oder die Aufführung nicht selbst zu, verhalte mich dazu mit Distanz. Das Konzept der sozialen StilisierungStilisierung (Selbst- und Fremd-S.), das wir hier stattdessen verwenden, integriert durchaus Verfahren der Imitation, die den Butler’schen Zitaten ähnlich sein könnten; unten entfalten wir, wie wichtig es für die wissenschaftliche Rekonstruktion ist, dass Individuen über das Imitieren in der Regel hinausgehen.

      2.3.7 Stil-Basteln – Gender-Basteln

      Sprachverhalten und Selbststilisierungen hat vor allem die heutige Jugendsprachforschung als soziale Positionierungsaktivität fest im Blick. Jugendliche nutzen ihr Wissen um sprechstilistische Zuordnungen, um sich als ein bestimmter Typus zu entwerfen, aber auch, um Typen zu zitieren, zu karikieren und mit Zuordnungen zu spielen. Das Sprachrepertoire von Jugendlichen bildet oft ein komplexes und dynamisches Spektrum „ererbter“ und „erworbener“ Zugehörigkeiten und Abgrenzungen einerseits ab (als Produkt von Aneignungs- und Auswahlprozessen), wie es zugleich ein Instrumentarium zur Verfügung stellt, um kulturelle Identität immer wieder neu zu definieren, zu bestätigen, anzupassen und kontextbezogen zum Ausdruck zu bringen. Verschiedene Soziolinguist/inn/en (wie etwa Bierbach/Birken-Silverman 2014) zeigen wie Sprachvarietäten, Aktivitäten, in denen sich die Jugendlichen engagieren (in ihrem Fall Break-Dance), die Gestaltung ihres Äußeren und vieles mehr, zusammenwirkend kontextuelle Bedeutungen produzieren, Beziehungen zwischen den Interaktanten abstecken und diese in ihrem sozialen Umfeld positionieren. Gender ist dabei eine relevante, aber verwobene und vermittelte Größe.

      

Die Autorinnen setzten ihren Schwerpunkt auf die Rekonstruktion einer spezifischen, italo-deutschen Männlichkeit junger Break-Dancer. Bildung stellt für die meisten der männlichen Mitglieder der von Bierbach/Birken-Silvermann im Raum Mannheim in langjährigen Ethnografien erforschen Cliquen jugendlicher Italo-Deutscher beispielsweise kaum ein erstrebenswertes Ziel dar (sie entsprechen in mancher Hinsicht Eckerts „burnouts“); dem Selbstbild der Jungen entspricht eher die Kunst des „arrangiarsi“, ein geschicktes „Irgendwie-Durchkommen“, verbunden mit dem Image des „bad boy“. Zu dieser sprachlichen SelbststilisierungStilisierung (Selbst- und Fremd-S.) gehört viel Switching ins Sizilianische, ansonsten Mannheimerisch mit Anleihen beim überregionalen Kiezdeutsch (Wiese 2012) und wenig Standarddeutsch. Angeben ist eine anerkannte Aktivität in der aus vielen Jungen und wenigen Mädchen bestehenden Clique, aber auch Geschichten vom Schuleschwänzen und andere Zurückweisungen eines geordneten Lebens.

      2.4 Sozial-konstruktivistische und radikalkonstruktivistische Ansätze

      Wir haben uns oben in der rekonstruktiven Sozial- und Kommunikationsforschung verortet. Diese arbeitet empirisch mit bestimmten Aufzeichnungsmethoden von Diskursen. Goffman hat die Institutionalisierung von Gender beispielsweise in der Werbung und in der Geschlechteretikette aufgezeigt. Wir haben oben viele Studien rekapituliert, die in dieser Tradition kontextuelle Arrangements der Geschlechter weiter ausgeleuchtet haben. Immer stehen in sozio- und diskurslinguistischen Studien überindividuelle Verankerungsprozesse genderisierter Zuschreibungen und Handlungsmöglichkeiten im Zentrum der Analyse.

      Im universitären Fach der Gender Studies werden demgegenüber oft aus der Philosophie kommende Reflexionen zu Gender fokussiert.

      2.4.1 Judith Butlers Diskursidealismus

      Da die Schriften der Philosophin Judith Butler sehr einflussreich sind, seien sie hier kurz gestreift. Butler hatte zunächst mit dem „Unbehagen der Geschlechter“ (1991) eine Theorie entwickelt, nach der die Geschlechter sich hauptsächlich durch den Diskurs erst konstituieren. Auch der Körper ist in ihrer Theorie wesentlich ein Konstrukt, das über „Sprechakte“ hergestellt wird. Sie greift auf John L. Austins Theorie der performativen Sprechakte und Jacques Derridas Konzepte der Iterierbarkeit von „différance“ zurück, um behaupten zu können, auch das biologische Geschlecht sei „herstellt“. Völlig unklar bleibt in ihrem Werk, wie metaphorisch dieses „Herstellen“ eigentlich gemeint ist. Zunächst einmal ist der Körper mit all seinen Prozessen des Wachsens, Alterns usw. gegeben, die selbstverständlich kulturell mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen werden. Aber wie weit geht dieses Aufladen in den Körper hinein? Wie und warum stellen Menschen körperliche Differenzen aus, die in der heutigen Mode ähnlich zelebriert werden wie vor 50 Jahren? Da finden wir keine Beschreibungssprache, die wir für die Rekonstruktion von Geschlechterverhältnissen nutzen können.

      Auch in „Körper von Gewicht“ (1995) betreibt Butler eine Art von Diskursidealismus, dem wir uns nicht anschließen. Da auch die deutschen Gender Studies von der Butler-Rezeption sehr stark geprägt werden, kommen wir um eine Stellungnahme dazu nicht herum. Sie beschreibt sich selbst generierende Normen, die Gender prägen und auch tief in den biologischen Bereich eingreifen. Für die Auseinandersetzung damit, wie genau kulturelle Normen, die sich nach Butler als „Sprechakte“ im Sinne Austins äußern, auf Körperlichkeit einwirken, tritt sie nicht in den notwendigen Austausch mit Medizin und Biologie, sondern setzt sich mit der griechischen Mythologie auseinander und verbleibt somit in der Textwelt (dazu kritisch z.B. Meyer 2015; Vukadinovič 2017). Platon entwickle im „Timaios“ die Vorstellung des „Aufnehmenden“ (S. 82), das als „Chora“ beschrieben wird. Indem dieses aufnehmende Prinzip als „Amme“, die alle Körper aufnimmt, weiblich verfasst sei, komme ihm der Status von etwas Ausgeschlossenem, Verworfenem zu. So lässt sich allerdings kein Bezug zur realen Leiblichkeit herstellen. Des Weiteren besteht das Buch sehr stark aus einer Auseinandersetzung mit den Schriften des Psychoanalytikers Jacques Lacan, für den der Phallus eine alles signifizierende Kraft besitzt. So bleiben die verschiedenen Darlegungen im Buch sehr empiriefern. Nirgends ist die Rede von Kindergärten oder Sportclubs, in denen reale Körper aufeinander treffen und ein Mit- oder Gegeneinander sprachlich und multimodal aushandeln. Gegen die Macht der „iterativ“ hergestellten Normalität stellt Butler die Subversion von „queerness“ und Transvestitenbällen. Radikal ist dieser KonstruktivismusKonstruktivismus nur innerhalb von Traditionen philosophischen Denkens (Hall 2003), aber er tritt mit keiner Empirie in Kontakt, sei diese ökonomisch, sozial, sprachlich oder sonstwie kulturell.

      Butler gilt als wichtigste Theoretikerin des diskursanalytischen СКАЧАТЬ