Название: Sprachliche Bildung und Deutsch als Zweitsprache
Автор: Kristina Peuschel
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301370
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Weitere Konzepte und Ausblick
Neben den bisher angeführten Konzepten existiert eine Vielzahl weiterer Ansätze für die Unterstützung sprachlichen Lernens im Fachunterricht, die hier lediglich kurz und mit weiterführenden Literaturhinweisen benannt seien: das 3-Phasen-Modell der Förderung von Textkompetenz nach Schmölzer-Eibinger (2008 u.a.) und die Planung von Unterricht nach dem SIOP-Modell (Sheltered Instruction Observation Protocol nach Echevarria/Vogt/Short 2013 u.a.). Zudem kann auf das seit den 1990er Jahren etablierte Konzept des Bilingualen Sachfachunterrichts bzw. CLIL (Content and Language Integrated Learning) zurückgegriffen werden. Hier werden zahlreiche Vorschläge für das explizit parallel verlaufende sprachliche und fachliche Lernen gemacht (Rüschoff/Sudhoff/Wolff 2015; Zydatiß 2010, 2017).
Abschließend zu diesem Überblick über etablierte Konzepte von Sprachförderung und sprachlicher Bildung in den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern soll die These formuliert werden, dass Unterricht nur dann guter Unterricht sein kann, wenn darin die sprachlichen Ressourcen aller Schüler*innen so erkannt und weiterentwickelt werden, dass neben und mit dem fachlichen Kompetenzerwerb die sprachliche Entwicklung gewinnt, und dass neben einem besseren Fachverständnis in jedem Fach auch ein Beitrag zu bildungs- und gesellschaftlicher Teilhabe sowie zur Bildungsgerechtigkeit geleistet wird. Petersen/Tajmel (2015) fassen treffend zusammen:
In den entsprechenden Diskursen der DaZ-Didaktik, der Linguistik, der Erziehungswissenschaften und der empirischen Bildungsforschung gilt als Konsens, dass zum erfolgreichen Fachlernen auch die Vermittlung von sprachlichen Kompetenzen gehört […]. Unsicherheiten in der Umsetzung können den Lehrkräften allerdings nur in Ansätzen angelastet werden, schließlich ist die Verknüpfung sprachlichen und fachlichen Lernens eine komplexe Aufgabe, für die die wenigsten Lehrenden systematisch ausgebildet wurden. (Ebd., 106)
Die hier vorgestellten Konzepte beinhalten jeweils eigene, aber auch einige übergreifende Elemente. Vor allem der Bereich eines grundlegenden sprachdidaktischen Methodenrepertoires lässt sich stets wiederfinden. Dazu gehören zum Beispiel die Gestaltung unterstützender Unterrichtskommunikation wie beim Scaffolding, aber auch Wortschatzarbeit im Fachunterricht, vorbereitende Textentlastungen für das Lesen von Fachtexten, das Trainieren von Lese- und Schreibstrategien sowie andere Techniken und Methodiken, die der Arbeit an und mit Sprache im Unterricht dienlich sind. Einige davon werden im Kapitel 2 des Buches unter fachübergreifender Perspektive vertieft. Andere werden in den fachdidaktischen Ansätzen im Teil II des Buches fachspezifisch ausbuchstabiert.
1.5 Wissenswertes zum Zweitspracherwerb Deutsch
Obwohl im vorliegenden Studienbuch insgesamt fachdidaktische und zweitsprachdidaktische Perspektiven so miteinander verbunden werden, dass Lehramtsstudierende der geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer ein Angebot an Konzepten und Handlungsoptionen für die konkrete Unterrichtsgestaltung bekommen, ist es an mancher Stelle hilfreich zu verstehen, wie der Erwerb des Deutschen als Zweitsprache systematisch und grundsätzlich verläuft. Die Spracherwerbsforschung hält eine Reihe von theoretischen Ansätzen und Hypothesen bereit, die implizit oder explizit zentrale Referenzen für Maßnahmen der DaZ-Förderung und Sprachbildung darstellen (vgl. z.B. die Beiträge dazu in Ahrenholz/Oomen-Welke 2017; Krumm et al. 2010; Rösch 2011, Schramm/Schroeder 2009 u.a.). Wenn Lehrpersonen die außerordentliche Bedeutung von Sprache für die Bildungschancen der Schüler*innen akzeptieren, sollten sie auch grundsätzliche Regularitäten des Zweitspracherwerbs kennen. Zunächst werden daher drei spracherwerbstheoretische Ansätze knapp skizziert, bevor anschließend ausgewählte Erkenntnisse der Forschung dargestellt werden.
Theoretische Modelle des Zweitspracherwerbs
Nativistische Modelle des Erst- und Zweitspracherwerbs gehen davon aus, dass Menschen über ein genetisch vorgegebenes, angeborenes, universalgrammatisches Wissen über Sprache verfügen. Spracherwerb ist demnach ein Prozess, bei dem Lernende eine eher passive Rolle einnehmen (Leimbrink 2017, 214; für eine Übersicht siehe auch Lightbown/Spada 2010, 104ff.). Innerhalb des nativistischen Ansatzes wird dem sprachlichen Input eine weniger wichtige Rolle für den Spracherwerb zugesprochen als in anderen spracherwerbstheoretischen Ansätzen.
Eine weitaus größere Bedeutung wird sprachlichem Input innerhalb kognitiv-interaktionistischer Ansätze beigemessen, die eine „kognitive Perspektive auf die Interaktion“ (Aguado 2010, 817) einnehmen und (Zweit-)Spracherwerb in erster Linie als mentalen Entwicklungsprozess verstehen (ebd.). Eine Hypothese innerhalb dieses Ansatzes ist die Interaktionshypothese (Long 1996), die als Weiterentwicklung der Inputhypothese (Krashen 1985) verstanden werden kann. Bei beiden Hypothesen wird davon ausgegangen, dass eine Zweitsprache erworben wird, indem Input von Lernenden aufgenommen, verarbeitet und angepasst wird. Liegt der sprachliche Input oberhalb des bereits vorhandenen sprachlichen Niveaus des Lernenden, kommt es zu Verständigungsschwierigkeiten, aber auch zu Lernprozessen, da die Interaktionspartner*innen den sprachlichen Input gemeinsam bearbeiten, ihn verändern und seine Bedeutungen aushandeln können. Nach einem gemeinsamen „negotiation of meaning“ kann die Aufmerksamkeit der Beteiligten auch auf die Formseite der Sprache gelenkt werden (Schoormann/Schlak 2011, 47).
Soziokulturelle Ansätze sprachlichen Lernens gehen auf die so genannte kulturhistorische Schule um Wygotski zurück, in der jede Art von Lernen als sozial gebundener Prozess modelliert wird, der sich in Wechselwirkung zwischen Individuum und Gesellschaft vollzieht. Die eigene sprachliche Tätigkeit ist hierbei zentral (Leont'ev 1984; Lantolf 2008; Ehlers 1995). Als zwei zentrale Motive für sprachliche Tätigkeit gelten Erkenntnisgewinn und Kommunikation. Diese gelten zugleich auch als grundlegende Funktionen von Sprache. Für das Lernen einer zweiten Sprache wird darüber hinaus eine weitere originär sprachliche Tätigkeit angenommen, deren Motiv die Sprache selbst ist und mit deren Hilfe Lernen erfolgt (vgl. auch Peuschel 2012). Soziokulturellen Ansätzen wird vor allem dank der breiten Rezeption des Scaffolding-Ansatzes nach Gibbons (2015) im Diskurs um Sprachförderung und Sprachbildung eine hohe Bedeutung beigemessen. Unter Bezugnahme auf Wygotski schreibt Lengyel (2016):
Sprache ist aus dieser Perspektive also ein kognitives Werkzeug, was sich insbesondere in höheren geistigen Tätigkeiten wie Planung, Evaluation und Reflexion zeigt. Gleichzeitig ist sie ein kulturelles Werkzeug, das dazu dient, Erfahrungen über Generationen hinweg in Wissen und Verstehen zu transformieren. In diesem Sinne ist der Lehr-Lern-Prozess ein Interaktionsprozess, in dem eine Person einer anderen hilft, Wissen und Verstehen zu entwickeln. Lehren und Lernen werden hier als zusammengehörig, als ein gemeinsamer Prozess betrachtet. (Ebd., 510)
Diese knappe Darstellung dreier theoretischer Ansätze verdeutlicht unterschiedliche Perspektiven, mit denen sich der Komplexität des Lernens zweiter und weiterer Sprachen angenähert werden kann. Während manche theoretischen Ansätze stärker auf Input fokussieren, sind Interaktion, Bedeutungsaushandlung und gesellschaftliche Teilhabe in anderen Ansätzen eher im Fokus. Für die Bedarfe eines sprachlich und fachlich bildenden Unterrichts in sprachlich heterogenen Klassen der Sekundarstufen ist von besonderer Relevanz, dass der Erwerb und das Lernen einer Sprache ein langer kognitiver und sozialer Entwicklungsprozess sind, auf den vielfältige Faktoren zu vielfältigen Zeitpunkten einer individuellen Biographie Einfluss nehmen können. Monokausale Erklärungen von Spracherwerb unter Rückgriff auf eine einzige Theorie greifen daher für Langzeitprozesse im Kontext Schule zu kurz.
Spracherwerb und Sprachlernen
Beim ungesteuerten Erwerb des Deutschen als Zweitsprache wird begrifflich zwischen СКАЧАТЬ