Название: Sprachliche Bildung und Deutsch als Zweitsprache
Автор: Kristina Peuschel
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301370
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Sprachförderung/Sprachbildung
Die große Aufmerksamkeit für Sprache in Bildungskontexten hat in Verbindung mit einer stärkeren Wahrnehmung unterschiedlicher Zielgruppen unter anderem zur Unterscheidung von Sprachförderung und Sprachbildung geführt. Dabei erfahren Sprachförderung, wie einleitend bereits benannt, vor allem solche Kinder und Jugendliche, die diagnostisch abgesichert Entwicklungsrückstände im Bereich sprachliche Kompetenzen (Deutsch) aufweisen. Hierfür werden den Schulen in der Regel besondere finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Sprachbildung hingegen sollen alle Kinder und Jugendlichen alltags- und fachintegriert erfahren. In ihrer intensiven Diskussion der Herkunft und Verwendungsweisen beider Begriffe definiert Jostes (2017) sie abschließend wie folgt:
Sprachbildung (bzw. sprachliche Bildung) ist als ein Oberbegriff zu verstehen, der alle Formen von gezielter Sprachentwicklung umfasst. Sprachbildung zielt darauf ab, die Sprachkompetenzen aller Schülerinnen und Schüler zu verbessern, unabhängig davon, ob sie in Deutschland aufgewachsen oder neu zugewandert sind. Sprachbildung findet im Sprach- und Fachunterricht statt […].
Sprachförderung bezeichnet eine spezielle Form von Sprachbildung. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche mit sprachlichen Schwierigkeiten, z.B. Geflüchtete, die Deutsch als Zweitsprache erlernen. Sprachförderung erfolgt sowohl im Regelunterricht als auch in gezielten Förderstunden […]. (Ebd., 118)
LRT – Linguistically Responsive Teaching
Aus dem US-amerikanischen Kontext, aber auch aus Australien, Kanada und Großbritannien, werden immer wieder Modelle aufgegriffen und auf ihre Umsetzbarkeit im deutschsprachigen Schulsystem hin diskutiert. Das Modell des LRT – Linguistically Responsive Teaching (Lucas/Villegas 2013) stellt ein umfassendes Modell des sprachförderlichen Unterrichts im Fach dar, das die Unterstützung des individuellen L2-Erwerbs im Blick hat. Es werden zentrale Voraussetzungen benannt, die Lehrkräfte für die Planung und Umsetzung eines sprachlich verantwortungsvollen und sprachlich förderlichen Unterrichts benötigen. Zu diesen Voraussetzungen im Modell des LRT gehören soziolinguistische Bewusstheit, die Wertschätzung der sprachlichen Vielfalt und ein Gefühl von Zuständigkeit für die Lernerfolge und persönliche Entwicklung der Zweitsprachlernenden im Unterricht, die im Fall von LRT Englisch als Zweitsprache erwerben. Zusätzlich benötigen Lehrpersonen eine Reihe von komplexen Wissensbeständen und Kompetenzen, die LRT ermöglichen, so die Kompetenz, die sprachlichen Anforderungen der einzelnen Fächer identifizieren zu können, Wissen über die bildungsbiographische und sprachliche Herkunft der Schüler*innen, Wissen über unterstützende Maßnahmen im Unterricht sowie Techniken der kontinuierlichen Professionalisierung für das Unterrichten in heterogenen Klassen. Die eher reflexiven Aspekte von LRT verweisen auf die Einstellungen von Lehrer*innen zu sprachlicher (und kultureller) Heterogenität (vgl. dazu auch Hammer/Fischer/Koch-Priewe 2016).
Sprachsensibler Fachunterricht, sprachbewusster Unterricht
Das Modell des sprachsensiblen Fachunterrichts geht auf den DaF-Didaktiker Leisen zurück, der bereits in den 1990er Jahren mit dem Handbuch des deutschsprachigen Fachunterrichts (DFU) (Leisen 1994) wirkmächtige Praxismaterialien vorgelegt hat, die in überarbeiteter Form vielfach auch für DaZ-Förderung und Sprachbildung eingesetzt werden (Leisen 2016, 2017). Grundlegend ist die systematische (fremd-)sprachdidaktische Aufbereitung von Unterrichtsinhalten. Mit dem Konzept des sprachsensiblen Fachunterrichts sollen parallel fachliche und sprachliche Kompetenzen entwickelt werden. Es zielt auf eine zunehmend bildungssprachliche, fachadäquate Kommunikation im Mündlichen und Schriftlichen ab. Vor allem die von Leisen entwickelten Methodenwerkzeuge sowie die praxisnahen Vorschläge zur sprachsensiblen Unterrichtsplanung und -durchführung wurden für zahlreiche Fächer adaptiert und weiterentwickelt, so z.B. in Oleschko/Weinkauf/Wiemers (2016) für das Fach Geographie.
Michalak/Lemke/Goeke (2015) stellen ein umfassendes Modell des sprachbewussten Unterrichts vor, das zehn Prinzipien folgt. Diese sind die Verknüpfung von fachlichem und sprachlichem Lernen, die Herstellung von Transparenz der Anforderungen, die Berücksichtigung der sprachlichen Voraussetzungen der Lernenden, die Möglichkeit, von alltagssprachlichen zu fachsprachlichen Formulierungen zu gelangen, die Vermittlung von Textkompetenz, der Fokus auf sprachliche Strukturen, die gezielte Wortschatzarbeit im fachlichen Kontext, ein Angebot an Anlässen zum sprachlichen Handeln, die Berücksichtigung sprachlicher Aspekte bei der Leistungsmessung sowie eine angemessene Lehrsprache. Tajmel/Hägi-Mead (2017) liefern mit einem stärkeren Fokus auf den naturwissenschaftlichen Unterricht ebenfalls Grundlagen der sprachbewussten Unterrichtsplanung.
Scaffolding: Makro- und Mikroperspektiven
Scaffolding ist eines der am prominentesten und umfassendsten rezipierten Konzepte im DaZ-/Sprachbildungsdiskurs (Gibbons 2015; Hammond/Gibbons 2001, 2005). Scaffolding ist ein umfassendes Unterrichtsmodell für den Unterricht in heterogenen Klassen. Es wird vor allem dann für die unterrichtliche Praxis relevant, wenn Lehrer*innen den Unterricht auf das Ziel hin ausrichten, Schüler*innen im Spracherwerb einer schulisch dominanten Zweitsprache zu unterstützen. Zu den im Scaffolding-Konzept formulierten Prinzipien gehören
der gemeinsame Aufbau von Wissen durch Interaktion mit Expert*innen (Lehrkräften) und (aufbereiteten) Materialien,
‚Gerüste‘ für die sprachliche Rezeption und Produktion, für den Wissensaufbau und die sprachlich-fachliche Entwicklung,
eine sprachfokussierte Reflexion und der gezielte Einsatz von (flexibler) Lehrsprache („assisted performance“),
das Anreichern konzeptionell mündlicher Sprache mit schriftsprachlichen und fachsprachlichen Strukturen im Unterrichtsverlauf,
der konsequente und gezielte Einsatz von Schreibaufgaben sowie
die (Sach-)Textarbeit nach fremdsprachendidaktischen Prinzipien (Kniffka 2010, 2012).
Lehrer*innen wird zudem empfohlen, in der Interaktion ein sprachliches Unterstützungsgerüst aufzubauen, welches bei Bedarf auch wieder abgebaut werden kann. Idealerweise geschieht Letzteres, wenn die Schüler*innen für eine bestimmte Aufgabe keine Unterstützung mehr benötigen (Hammond/Gibbons 2005, 8). Scaffolding bedeutet angewandt auf den Fachunterricht,
[…] für jede Unterrichtsreihe fachliche und sprachliche Lernziele zu definieren, die ein kleines Stück über dem aktuellen Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler liegen, und diese Lücke unter Zuhilfenahme von Gerüsten, das heißt von Zwischenschritten, Förderaufgaben und Hilfsmitteln zu schließen […]. (Beese et al. 2014, 34)
Als Hauptelemente von Scaffolding werden Makro- und Mikro-Scaffolding unterschieden. Ersteres umfasst die Analyse der Anforderungen des Unterrichts in Bezug auf fachliche und sprachliche Ziele, aber auch in Bezug auf die verwendeten Materialien, die Analyse des Lernstandes der Schüler*innen und die Unterrichtsplanung als sprachdidaktisch reflektierte Planung des Fachunterrichts mit der Möglichkeit, sprachliche Gerüste in jeder Phase des Unterrichts anzubieten (ebd. 34f.; Kniffka 2010; Kniffka/Roelcke 2016).
Die Strategien des Mikro-Scaffolding beziehen sich auf die bewusste Gestaltung der Unterrichtsinteraktion und den strategischen Einsatz der Sprache der Lehrer*innen. Dazu gehören der verlangsamte Sprachgebrauch, die Gewährung von Denk- und Formulierungszeit für Schüler*innen, die Variation der unterrichtlichen Interaktionsmuster, das Stellen von echten Fragen, das aktive Zuhören und die Reformulierung und konzeptionell-thematische Einbettung СКАЧАТЬ