Sprachliche Bildung und Deutsch als Zweitsprache. Kristina Peuschel
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СКАЧАТЬ / Esra fährt morgen weg.

       Stufe 3 = Inversion von Subjekt und finitem Verb nach vorangestelltem Adverbial: Dann geht sie nach Hause. / Jetzt brennt die.

       Stufe 4 = Nebensätze mit finitem Verb in Endstellung: …, dass sie so groß ist.

      Die Kenntnis grundlegender Theorien des Zweitspracherwerbs und ausgewählter Einzelaspekte seines Verlaufs erlaubt auch für den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fachunterricht der Sekundarstufen darüber zu reflektieren, welche Wege spracherwerblich begründet zur Unterstützung der individuellen (bildungs)sprachlichen Entwicklung im Unterricht gegangen werden können. Zusammenfassend ist es für Fachlehrkräfte wichtig,

       ein Gespür zu entwickeln für die Prozesse des DaZ-Erwerbs, in denen sich einzelne mehrsprachige Schüler*innen in schulischen Kontexten und darüber hinaus befinden,

       ein dementsprechend prozesshaftes Verständnis von Fehlern zu entwickeln und neben sprachlichen Korrekturen systematisch sprachliche Hilfen (scaffolds) zu erarbeiten und

       die unterstützende Bedeutung von Erstsprachkompetenzen sowie von weiteren, zuvor gelernten Sprachen einschätzen zu können und diese nicht allein als Schwierigkeit, sondern auch als Ressource zu verstehen.

      1.6 Beschreibungsansätze für Sprache(n) in der Schule

      Nachdem bisher vor allem der gesellschaftliche und schulische Rahmen für die weiteren Ausführungen zur fachintegrierten Sprachförderung (DaZ) und Sprachbildung im Kontext sprachlicher Heterogenität als Normalfall abgesteckt wurde, wird nun das Themenfeld ‚Sprache(n) in der Schule‘ einführend in seinen zentralen Konzepten und Herausforderungen dargestellt.

      Schulisches Lernen besteht zu einem hohen Anteil aus dem Lesen und Schreiben von überwiegend bildungs- und fachsprachlichen Texten sowie aus dem weiterführenden Umgang mit schriftlich fixierten Informationen, also dem Sprechen und Schreiben in Auseinandersetzung mit Texten. Daher ist es notwendig, den schrift- und bildungssprachlichen Anteilen und Anforderungen des schulischen Lernens eine hohe Aufmerksamkeit zu gewähren, wie dies in diversen aktuellen wissenschaftlichen und praxisorientierten Publikationen geschieht (z.B. Ahrenholz 2010; Ahrenholz/Hövelbrinks/Schmellentin 2017; Becker-Mrotzek et al. 2013; Benholz/Frank/Gürsoy 2015; Michalak/Lemke/Goeke 2015).

      Die Begriffe ‚Bildungssprache‘ und ‚Fachsprache‘ deuten auf abgrenzbare Konzepte von Sprache hin, die sich von einem alltäglichen Sprachgebrauch unterscheiden. Eine erste Annäherung an mögliche Unterschiede liefert das folgende Beispiel, das als Seminaraktivität in Seminaren zum Thema DaZ/Sprachbildung mit Lehramtsstudierenden durchgeführt wurde.

      In einem Seminar zur sprachlichen Bildung in den Fächern stellt die Dozentin einer Gruppe von Lehramtsstudierenden die folgende geteilte Aufgabe. Ziel der Aufgabe ist es, für unterschiedliche Varianten des Sprachgebrauchs zu sensibilisieren. Die Studierenden erhalten den Auftrag, ihre Lösungsvorschläge online in ein Seminarwiki zu posten.

      Gruppe A: Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Aufgabe, einem 10-jährigen Kind zu erklären, was unter ‚Bildungssprache‘ zu verstehen ist. Was sagen Sie? Antwort: „Also, Bildungssprache, das ist die Sprache, die du in der Schule benutzt. Nicht die Sprache, mit der du auf dem Schulhof mit deinen Freunden und Freundinnen sprichst, sondern die, in der die Schulbücher geschrieben sind. Da findest du ja oft Wörter, die du sonst nicht benutzen würdest und manchmal sind die Sätze auch ganz schön lang, oder? Aber Bildungssprache kann man auch sprechen. Zum Beispiel, wenn du einen Vortrag in Sachunterricht über das Sonnensystem hältst. Dann redest du ja auch anders, als wenn du mit deinem Freund spielst.“

      Gruppe B: Stellen Sie sich vor, Sie müssten in einem Referat den Begriff ‚Alltagssprache‘ definieren. Was sagen Sie? Antwort: „Als Alltagssprache wird ein konzeptionell und medial mündliches Sprachregister bezeichnet, das zur alltäglichen Kommunikation verwendet wird. Charakteristisch sind umgangssprachliche Äußerungen, deren Verständnis vom Kontext abhängig ist.“

      Zwischen alltäglich verwendeten Formulierungen und dem Sprachgebrauch in schulischen Kontexten bestehen ganz offensichtlich Unterschiede, die in Merkmalsdarstellungen abgebildet werden können, die Alltags- und Bildungssprache einander gegenüberstellen. Einen kurzen historischen Überblick über die Dynamik des Begriffs ‚Bildungssprache‘ liefern Berendes et al. (2013). Dort werden „zunächst der Gebrauch des Begriffs ‚Bildungssprache‘ bzw. verwandter oder synonym verwendeter Begriffe (z.B. ‚(alltägliche) Wissenschaftssprache, ‚Büchersprache‘, ‚Sprache der Schule‘, ‚akademische Sprache‘) und damit im Zusammenhang stehende Terminologien (z.B. Sprachvarietät, Sprachregister, Sprachgenres, Sprachcode) thematisiert“ (ebd., 17). Allein die Nennung der zahlreichen, parallel verwendeten Begriffe deutet darauf hin, dass es derzeit kein einheitliches Verständnis der in schulischen Kontexten verwendeten Sprache(n) gibt.

      Großen Einfluss auf die Herausarbeitung von Spezifika unterschiedlicher sprachlicher Register, als die der alltägliche und schulische Sprachgebrauch gelten können, hat die Unterscheidung von konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit sowie medialer Mündlichkeit und Schriftlichkeit nach Koch/Oesterreicher (1985 und 2007). Dabei ist der Begriff der ‚Alltagssprache‘ dem konzeptionell mündlichen Pol und der Sprache der Nähe zuzuordnen.

      Die erste damit getroffene Festlegung ist, dass Alltagssprache grundsätzlich sowohl im gesprochenen wie im geschriebenen Medium möglich ist, wenngleich das phonische Medium das primäre ist. Konstitutiv für Alltagskommunikation sind Merkmale wie Informalität und (raum-)zeitliche Nähe der Kommunikationssituation, Spontaneität und Routinisierung der Interaktion […]. Daraus leitet sich als zweite Festlegung ab: Am distanzsprachlichen Pol des konzeptionellen Kontinuums stehen der Alltagssprache Texte gegenüber, denen sich tendenziell die Merkmale formell, auf raum-zeitliche Distanz angelegt, geplant, monologisch etc. zuschreiben lassen. In einer schriftkulturell geprägten Gesellschaft sind dies Texte, für die sich Sprecher-Schreiber der (konzeptionell schriftlichen) Hochsprache bedienen. (Elspaß 2010, 419)

      In einer breit rezipierten Definition nach Gogolin (2010) ist der Begriff ‚Bildungssprache‘ für Maßnahmen der Sprachförderung und Sprachbildung in schulischen Kontexten und zunehmend auch für Forschungszwecke angenommen worden.

      Der Begriff [‚Bildungssprache‘, K.P./A.B.] wurde entwickelt im Anschluss an englischsprachige Forschung über ‚academic language‘ […] als das sprachliche Register, das benötigt wird, um kognitiv anspruchsvolle Lernangebote und Aufgabenstellungen des Unterrichts zu bewältigen (Textkompetenz). […] [Bildungssprache] differenziert sich im Laufe einer Bildungsbiographie zunehmend in die Register der Fächergruppen aus. Sie ist für Bildungserfolg relevant, weil sie das Medium ist, in dem schulisches Wissen vermittelt und angeeignet wird, und zugleich das Medium, in dem der Nachweis einer erfolgreichen Aneignung des Wissens und Könnens erbracht wird. (Ebd., 29)

      Gogolin nimmt hier Bezug auf die Unterschiede zwischen Cognitive Academic Language Proficiency (CALP) auf der einen Seite und Basic Interpersonal Communicative Skills (BICS) auf der anderen. Diese Begriffe sind auf das umfangreiche Werk von Jim Cummins zur Bilingualitätsforschung und zum schulischen Lernen bilingualer Kinder zurückzuführen (z.B. Cummins 2000). Cummins hat sich bereits in den 1980er und 1990er Jahren intensiv mit Fragen eines erfolgreichen Zweitspracherwerbs (des Englischen) und den damit verbundenen Bildungschancen von mehrsprachigen Schüler*innen befasst (vgl. dazu auch Gogolin/Duarte 2016; Petersen/Tajmel 2015, 94; Rösch 2011, 26).

      Zu den wichtigsten Merkmalen von Bildungssprache werden sprachliche Elemente und Strukturen wie Komposita, Partizipial- und Infinitivkonstruktionen, mehrgliedrige СКАЧАТЬ