Sprachliche Bildung und Deutsch als Zweitsprache. Kristina Peuschel
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СКАЧАТЬ darf die Auseinandersetzung mit kritischen Perspektiven auf das Fach und vor allem auf die Verwendung der Bezeichnung ‚Deutsch als Zweitsprache‘ nicht fehlen, da auch hier fachgeschichtliche Entwicklungen widergespiegelt werden. Zunächst können mit Barkowski (2010, 49f.) drei verschiedene Gegenstände mit ‚Deutsch als Zweitsprache‘ benannt werden. Das sind erstens die „deutschsprachlichen Äußerungen von Sprechern, die das Deutsche als Fremdsprache in einer deutschsprachigen Region und weitgehend außerunterrichtlich erworben haben“ (ebd.), das ist zweitens das Unterrichtsfach, in dem der Spracherwerb unterstützt wird, und es ist drittens das

      Teil- und Spezialgebiet des wissenschaftlichen Faches Deutsch als Fremdsprache bzw. der Sprachlehr- und -lernforschung, das die Spezifika der sprachlichen Varietät DaZ, die Erforschung des Erwerbs von DaZ sowie die Entwicklung von methodisch-didaktischen Konzepten der Förderung des DaZ-Erwerbs zum Gegenstand hat. (Ebd.)

      Wenn mit DaZ die Deutschkenntnisse einer Person bezeichnet werden, steht der Begriff häufig in Abgrenzung und Ergänzung zu den Bezeichnungen Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Deutsch als Muttersprache (DaM). DaZ meint in diesem Zusammenhang also Kenntnisse und Kompetenzen in Deutsch, aufbauend auf einer bereits erworbenen Erstsprache oder auch aufbauend auf weiteren als der ersten Sprache, also Deutsch als zweite, dritte oder Folgesprache. Kenntnisse und Kompetenzen in Deutsch als einer schulisch erlernten Fremdsprache werden in der Regel mit Deutsch als Fremdsprache (DaF) bezeichnet. Kenntnisse und Kompetenzen in Deutsch als erster und einziger verfügbarer Sprache werden hingegen häufig mit Deutsch als Muttersprache (DaM) oder Erstsprache benannt. Mit den begrifflichen Abgrenzungen wird versucht, spezifische Merkmale des Deutschlernens bzw. des Deutscherwerbs abzubilden. Diese Merkmale sind zum Beispiel der Zeitpunkt des Beginns des Spracherwerbs, der Ort bzw. die sprachliche Umgebung oder das Nutzen expliziter Instruktionen durch Sprachkurse (vgl. zu den etablierten Unterscheidungsmerkmalen Rösch 2011, 16).

      In den hier in aller Kürze dargestellten Begrifflichkeiten stecken, wie bereits angedeutet, verschiedene analytische Perspektiven auf ein potentiell mehrsprachiges Individuum. Eine zentrale Perspektive, die auch zur Kritik an Bezeichnungen wie den oben verwendeten führt, ist jedoch bisher unberücksichtigt. Dies ist die Perspektive der Sprechenden, der mehrsprachigen Individuen selbst, die eine Zuordnung und Markierung mit derartigen klassifizierenden Begriffen als unangemessene Zuschreibung und potentielle Diskriminierung erfahren können.

      Da der Begriff ‚Deutsch als Zweitsprache‘ als Bezeichnung für den persönlichen Sprachbesitz inferiorisierende Effekte für als DaZ-SprecherInnen geltende Personen nach sich ziehen kann, ist er mit Bedacht zu verwenden. Jenseits didaktischer und methodischer Notwendigkeiten der Verwendung des Begriffs ‚Deutsch als Zweitsprache‘ ist Deutsch Deutsch, unabhängig davon, ob jemand diese Sprache als Erst- oder Zweitsprache verwendet und in jeglicher Perspektive gleichermaßen wertvoll. (Dirim 2015b, 210)

      Eine Möglichkeit, sich weniger zuschreibend den sprachlichen Kompetenzen mehrsprachiger Kinder und Jugendlicher zuzuwenden, ist die weiter oben bereits erwähnte Verwendungsweise der Kürzel L1 = language one für Erstsprache, L2 = language two für Zweitsprache und L3 bis Ln für Dritt- und Folgesprachen. Die Mehrdeutigkeit des Begriffs Deutsch als Zweitsprache in seiner didaktischen Dimension, aber auch in seinem Gebrauch als zuschreibungsintensive Personencharakterisierung soll in der Diskussion über die in diesem Band dargestellten Konzepte und Methoden eine erweiterte, migrationspädagogisch orientierte Reflexion anregen, wie sie z.B. von Dirim (2015b), Dirim/Pokitsch (2017) und anderen Autor*innen gefordert wird. Die Frage, was das Fach Deutsch als Zweitsprache eigentlich sei, kann nur multiperspektivisch beantwortet werden (Wegner/Dirim 2018), wofür die fachgeschichtliche Beschäftigung besonders bedeutsam ist (ebd., darin besonders die Beiträge von Adams 2018; Altmayer 2018; Ballis et al. 2018).

      Konzepte zur Sprachförderung und sprachlich-fachlichen Bildung

      Um die derzeit vorliegenden und unter hoher gesellschaftlicher Aufmerksamkeit diskutierten Konzepte von Sprachförderung und sprachlich-fachlicher Bildung in heterogenen Schulen besser einordnen zu können, sei noch einmal daran erinnert, dass der wissenschaftliche Diskurs um die Bedeutung von Sprache im Unterricht bereits seit den 1980er Jahren aus dem Kontext von Deutsch als Zweitsprache bekannt ist, auch wenn er vor allem nach den Ergebnissen der ersten vergleichenden Schulleistungsstudien wie PISA und DESI an Dynamik gewonnen hat (Ahrenholz 2017).

      Für die inhaltliche Ausgestaltung von Förderkonzepten und Maßnahmen der sprachlich-fachlichen Bildung gelten die jeweilige intendierte Zielgruppe (Schüler*innen im DaZ-Erwerb oder alle Schüler*innen), das vorhandene oder das angestrebte Sprachniveau (Zertifizierung von Sprachkompetenzen oder Übergänge in den Regelunterricht) und die schulorganisatorischen Möglichkeiten (additive und integrative Maßnahmen) als Orientierungsmerkmale. Eine für Lehramtsstudierende, Fachdidaktiker*innen, Ausbilder*innen im Referendariat und praktizierende Lehrkräfte wichtige Frage ist stets die nach einer praktikablen Unterrichtsmethodik sprachlich-fachlichen Lernens für konkrete Lerngruppen, zu konkreten fachlichen Themen und mit spezifischen fachlichen Aufgabenstellungen. Während für den sprachsensiblen Fachunterricht sowie die Sprachbildung im Fach in jüngster Zeit zahlreiche Vorschläge erarbeitet wurden, deren (weitere) Evaluation und Implementierung nun ansteht (Ahrenholz/Hövelbrinks/Schmellentin 2017; Albus/Frank/Geier 2017; Beese et al. 2014; Budke/Kuckuck 2017b; Horváth/Peuschel 2017; Leisen 2016; Oleschko/Weinkauf/Wiemers 2016; Pertzel et al. 2016; Tajmel/Hägi-Mead 2017), stellt sich parallel dazu verstärkt die Frage nach Fachorientierung in der sprachlichen Vorbereitung von neu zugewanderten Schüler*innen und in der beruflichen Bildung.

      Die große Mehrheit der Methoden entstammt dem Repertoire der Fremd- und Zweitsprachdidaktik bzw. der allgemeinen Sprachdidaktik Deutsch, angereichert um die besonderen Bedarfe der Fächer. Innovatives Potential steckt in Konzeptionen der aktiven Förderung von Mehrsprachigkeit, die nicht allein die prestigereichen europäischen Fremd-, Zweit- und Drittsprachen umfassen, sondern auch die sprachlichen Ressourcen von Schüler*innen berücksichtigen, die bisher in Deutschland deutlich weniger Anerkennung erfahren. In der Verbindung von mehrsprachigkeits- und fachorientiertem Lehren und Lernen liegt hohes schulisches und gesellschaftliches Innovationspotential (Mehlhorn 2017) (siehe auch 2.4 in diesem Studienbuch).

      Die Passgenauigkeit und Effizienz spezifischer methodischer Herangehensweisen muss jedoch vor dem Hintergrund des Systems Schule bewertet werden, d.h. in der Verbindung von Bildungs(biographie)forschung, Schulentwicklung und Unterrichtsentwicklung für den Bereich sprachlich-fachlichen Lernens und sprachlicher Heterogenität in seiner oben angesprochenen Vielfalt. Insbesondere gilt es auch zu bedenken, dass Unterricht überwiegend als Fachunterricht organisiert ist und gerade für Sprachförderung und Sprachbildung in den Sekundarstufen die Perspektiven der Fächer und ihrer spezifischen Anforderungen berücksichtigt werden müssen. Erst in dieser Zusammenschau kann sich das Potential der bereits angewandten und noch zu entwickelnden Maßnahmen und Konzeptionen sprachlich-fachlicher Bildung für die Teilhabe und Leistungsentwicklung ein- und mehrsprachiger Kinder und Jugendlicher im Schulsystem entfalten. Im folgenden Abschnitt werden nun einige etablierte Konzepte kurz vorgestellt, die in unterschiedlichem Maße auf die Berücksichtigung fachspezifischer Anforderungen abzielen.

      Vorbereitender Sprachunterricht für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache

      Zur sprachlichen Erstausbildung von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen ohne bzw. mit geringen Deutschkenntnissen wird in den meisten Bundesländern Sprachunterricht angeboten. Dieser Unterricht findet in ‚Willkommensklassen‘ (Berlin), ‚Deutschklassen‘ (Bayern), ‚Vorbereitungsklassen‘ (Baden-Württemberg), ‚Seiteneinsteigerklassen‘ (NRW) etc. statt. Der Sprachunterricht folgt keinem bundeseinheitlichen Curriculum, hier haben die Bundesländer die Hoheit zur Verschriftlichung curricularer Anforderungen, zur Festlegung von Lern- und Kompetenzzielen und zur Festlegung von Übergangsregelungen aus der sprachlichen Vorbereitung in den Fachunterricht der jeweils altersentsprechenden Schulstufe. Während einige Bundesländer bereits seit mehreren Jahren in Lehrplänen СКАЧАТЬ