Abb. 3.12 Der Pfad, der hier durch die rötliche Linie repräsentiert ist, kann näherungsweise bestimmt werden, indem wir uns entlang der Pfade bewegen, die die äußeren Grenzen der Carnot‐Prozesse A, B und C darstellen; für jeden einzelnen der drei gezeigten Kreisprozesse ist die Entropieänderung gleich null. Die Entropieänderung entlang der adiabatischen Pfade (wie z. B. a1−a4 und c2−c3) sind ebenfalls null; daraus folgt, dass sich die Entropieänderungen entlang der isothermen Pfade jedes dieser Kreisprozesse (wie z. B. a1−a2 und a3−a4) gegenseitig aufheben müssen. Da die Entropieänderung für einen vollständigen Umlauf jedes einzelnen Kreisprozesses gleich null ist, wird auch das Integral über die Entropie entlang der Peripherie null.
Im Grenzfall infinitesimaler Kreisprozesse fallen die verbleibenden Grenzen der Carnot‐Prozesse genau mit dem Umfang des Gesamtprozesses zusammen und die Summe wird zum Integral; Gl. (3.5) – die besagt, dass qrev/T entlang des Umfanges gleich null ist – folgt dann unmittelbar. Dieses Resultat bedeutet auch, dass dS ein totales Differenzial und folglich S eine Zustandsfunktion ist.
(b) Die thermodynamische Temperatur
Wir betrachten eine reversibel zwischen den Temperaturen Tw (Wärmequelle) und T (Wärmesenke) arbeitende Maschine. Aus Gl. (3.9) wissen wir, dass in diesem Fall
ist. Auf der Grundlage dieser Beziehung, also anhand des Wirkungsgrads einer Wärmekraftmaschine, definierte Kelvin die thermodynamische Temperaturskala. Wir stellen uns dazu eine Wärmekraftmaschine vor, bei der das warme Reservoir eine bekannte Temperatur besitzt, während das kalte Reservoir das Objekt ist, dessen Temperatur zu messen ist. Die gesuchte Temperatur ergibt sich dann aus einer Messung des Wirkungsgrads der Maschine. Die Kelvin‐Skala (die ein Spezialfall der thermodynamischen Temperaturskala ist) war bis 2019 so festgelegt, dass das warme Reservoir die Temperatur des Tripelpunkts von Wasser besitzt, die als exakt 273,16 K definiert wird. (Die seit 2019 gültige Definition des Kelvin basiert auf der Boltzmann‐Konstante k und ist somit materialunabhängig; siehe Liste der Naturkonstanten im Einband dieses Buchs).
(c) Die Clausius'sche Ungleichung
Wir wollen nun zeigen, dass die Definition der Entropie mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik vereinbar ist. Dazu erinnern wir uns zunächst daran, dass unter reversiblen Prozessbedingungen mehr Energie in Form von Arbeit übertragen wird als bei irreversiblen Prozessen, |dwrev|≥|dw|. Da dw und dwrev negativ sind, wenn das System Arbeit verrichtet, können wir das auch als −dwrev ≥ −dw oder dw−dwrev = 0 schreiben. Die Innere Energie ist eine Zustandsfunktion; ihre Änderung zwischen zwei Zuständen hängt folglich nicht davon ab, ob der Weg zwischen diesen Zuständen reversibel ist oder nicht. Es gilt also
Folglich ist dqrev−dq = dw−dwrev ≥ 0. Wegen dw−dwrev ≥ 0 folgt dqrev−dq ≥ 0 und somit dqrev ≥ dq. Nach Division durch T ergibt sich dqrev/T ≥ dq/T. Unter Verwendung der thermodynamischen Definition der Entropie (Gl. (3.1a), dS = dqrev/T) erhalten wir somit
Diesen Ausdruck nennt man Clausius'sche Ungleichung. Die zentrale Bedeutung dieser Ungleichung bei der Diskussion der Freiwilligkeit chemischer Reaktionen werden wir in Abschn. 3.4 erkennen.
Betrachten wir nun ein abgeschlossenes System, also dq = 0. Aus der Clausius'schen Ungleichung folgt dann
(3.12)
Wir können somit schließen, dass die Entropie eines abgeschlossenen Systems bei einer freiwilligen Zustandsänderung nicht abnehmen kann. Diese Feststellung entspricht inhaltlich dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.
Die Clausius'sche Ungleichung unterstellt, dass freiwillig ablaufende Prozesse notwendigerweise auch irreversible Prozesse sind. Um diese Annahme zu überprüfen, setzen wir die Ungleichung in den Ausdruck für die Gesamtänderung der Entropie ein, die mit einem Prozess einhergeht. Wir erhalten
wobei die Ungleichung einem irreversiblen Prozess und die Gleichung einem reversiblen Prozess entspricht. Dies bedeutet, dass ein freiwillig ablaufender Prozess (dSgesamt > 0) auch ein irreversibler Prozess sein muss. Ein reversibler Prozess, für den dSgesamt = 0 gilt, läuft in keiner Richtung freiwillig ab: das System befindet sich im Gleichgewicht.
Über ihre fundamentale Bedeutung bei der Verknüpfung der Definition der Entropie mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik hinaus lässt sich mithilfe der Clausius'schen Ungleichung außerdem zeigen, dass ein uns wohlbekannter Prozess, nämlich die Abkühlung eines Objekts auf die Temperatur seiner Umgebung, in der Tat spontan abläuft. Wir betrachten die Übertragung der Wärmemenge dq von einem wärmeren (Temperatur Tw) auf einem kälteren Körper (Temperatur Tk) (Abb. 3.13). Wenn dem wärmeren Körper die Wärmemenge |dq| entnommen wird (dqw < 0), so ändert sich die Entropie gemäß der Clausius'schen Ungleichung um dS ≥ dqw/Tw. Wird dagegen dem kälteren Körper die Wärmemenge |dq| zugeführt (dqk > 0), so ändert sich die Entropie um dS ≥ dqk/Tk.