Land des Geldes. Oliver Bullough
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Land des Geldes - Oliver Bullough страница 12

Название: Land des Geldes

Автор: Oliver Bullough

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная деловая литература

Серия:

isbn: 9783956143762

isbn:

СКАЧАТЬ geheim bleibt. Damit hätte die Geschichte ja auch jede Glaubwürdigkeit verloren: Es handelte sich schließlich um die Schweiz, die das Bankgeheimnis seit 1934 gesetzlich garantierte. Das Geheimnis der Schweizer Nummernkonten war so gut gehütet, dass nur drei Personen die Eigentümer kannten: zwei Bankangestellte und der Eigentümer selbst. Wenn es schon zu Comicautoren durchgedrungen war, dass Steuerhinterzieher in der Schweiz gewaltige Mengen an Bargeld horteten, dann hatten ehrgeizige Londoner Banker erst recht davon gehört.

      »Die Reichen und die Berühmten, die Bösen und die Hässlichen, Geheimagenten und Mafiosi nutzten die Nummernkonten, um Geld vor Frauen, Ehemännern und Geschäftspartnern zu verbergen, kleine Kriege zu führen und Drogenkartelle zu finanzieren«, schrieb Bradley Birkenfeld, ein ehemaliger Schweizer Banker, von dem noch mehr zu hören sein wird. »Dass man den Schweizern für das Privileg, ein Nummernkonto zu besitzen, eine Pauschalgebühr bezahlen musste und auf das Geld keinen Cent Zinsen erhielt, war Nebensache. Das Guthaben war ganz allein den Träumen der Kontoinhaber vorbehalten, sicher verstaut unter Schweizer Stahlmatratzen.«

      Für einen Londoner Banker der frühen Sechziger war das verlockend: In der Schweiz lag dieses ganze Geld herum und tat nicht viel, und genau das brauchte man, um wieder Anleihen verkaufen zu können. Wenn Warburg an dieses Geld herankommen, es verpacken und verleihen konnte, dann war er im Geschäft. Diese Leute bezahlten Schweizer Banker, damit sie auf ihr Geld aufpassten – es konnte doch nicht schwer sein, sie davon zu überzeugen, dass sie es vermehren konnten, indem sie seine Anleihen kauften? Zumal dieses Einkommen steuerfrei wäre. Und es konnte doch nicht so schwer sein, europäische Unternehmen davon zu überzeugen, sich Geld bei ihm zu leihen, statt die teuren Gebühren zu zahlen, die in New York fällig wurden?

      Es gab allerdings ein Hindernis: das Nachkriegssystem, der Öltanker mit seinen separaten Tanks, die verhindern sollten, dass Geld zu Spekulationszwecken von einem europäischen Land ins andere floss. Wie konnte Warburg dieses Geld aus der Schweiz zu seinen Kunden in anderen Ländern bringen? Mit dieser Aufgabe beauftragte er zwei seiner besten Männer.

      Sie nahmen die Verhandlungen im Oktober 1962 auf. Im selben Monat sprangen die Beatles mit ihrer ersten Single »Love Me Do« in den britischen Charts auf Platz 17 – für ein Debüt ganz nett, aber nicht spektakulär. Die Banker unterzeichneten den Vertrag am 1. Juli des folgenden Jahres, dem Tag, an dem die Pilzköpfe ihre Single »She Loves You« aufnahmen und die weltweite Beatlemania ihren Anfang nahm. In diesen außergewöhnlichen neun Monaten wurde nicht nur die Popmusik auf den Kopf gestellt, sondern auch die Weltpolitik, denn in diese Zeit fiel die Kubakrise und John F. Kennedys Ausspruch »Ich bin ein Berliner«. Unter diesen Umständen ist es verzeihlich, wenn niemand mitbekam, dass nebenbei auch in der internationalen Finanzwelt ein neues Zeitalter angebrochen war.

      Warburgs neue Anleihen – die Eurobonds, wie sie in Anlehnung an die Eurodollars hießen – wurden unter Leitung von Ian Fraser ausgegeben, einem schottischen Kriegshelden, der erst Journalist, dann Banker geworden war. In seiner lesenswerten Autobiografie The High Road to England legt er in bemerkenswerten Einzelheiten dar, wie viele bürokratische Hürden er zu überwinden hatte, um die Vision seines Chefs zu verwirklichen. Er und sein Kollege Peter Spira mussten Möglichkeiten finden, den Steuern und Kontrollen den Zahn zu ziehen, die verhindern sollten, dass heißes Geld über die Grenzen floss. Außerdem mussten sie für ihr Produkt geschickt verschiedene Aspekte nationaler Regelwerke miteinander verbinden.

      Mit seinen juristischen Taschenspielereien schuf Fraser eine Anleihe, die gute Zinsen abwarf, auf die keine Steuern fällig wurden und die sich überall wieder zu Geld machen ließen. Das war Offshore in höchster Vollendung. »Das Geheimnis war, dass die Anleihen anonym waren, dass keine Steuern fällig wurden, und dass sie nach Fälligkeit ausgezahlt wurden, ohne dass jemand Fragen stellte«, schrieb er. Es handelte sich um sogenannte Inhaberschuldverschreibungen, das heißt, es war nicht auf einen Namen ausgestellt. Wer das Papier hatte, dem gehörte es, und der Eigentümer wurde nirgends namentlich registriert. Frasers Eurobonds waren reine Zauberei. Vor ihrer Erfindung konnte man mit den Guthaben auf Schweizer Nummernkonten nicht viel anfangen. Nun konnte man diese fantastischen Anleihen kaufen, und verdiente Geld, ohne Steuern dafür zahlen zu müssen.

      Ein derart ehrgeiziges Projekt hatte die Londoner City seit einem halben Jahrhundert nicht mehr gesehen, und einen Moment lang sah es so aus, als würde es an einer Lappalie scheitern: Niemand erinnerte sich, wie die komplizierten Platten gestochen wurden, mit denen Inhaberschuldverschreibungen gedruckt wurden. Zum Glück konnte man zwei Tschechen auftreiben, die das noch wussten, und dann mussten die Papiere nur noch von den Direktoren der Bank unterschrieben werden. »In Brüssel gab es eine Signiermaschine mit zwölf Federhaltern, mit der man zwölf Zertifikate auf einmal unterzeichnen konnte«, erinnerte sich Spira später. »Aber die Bank musste drei oder vier Leute eine Woche lang nach Luxemburg schicken, um die Papiere zu unterzeichnen. Da sehen Sie mal, wie bescheuert die Bürokratie damals war.«

      Und wer kaufte Frasers magische Erfindung? Das war ein Geheimnis, denn die Verkäufe wurden vor allem von Schweizer Banken abgewickelt, die die Namen ihrer Kunden nicht preisgaben. Fraser hatte jedoch eine ungefähre Vorstellung. »Die wichtigsten Käufer waren Einzelpersonen, vor allem aus Osteuropa, aber auch aus Lateinamerika, die einen Teil ihres Vermögens in transportabler Form anlegen wollten. Für den Fall, dass sie eilig wegmussten, wollten sie die Scheine in einem Köfferchen mitnehmen können«, schrieb er. »Damals wollten noch immer viele der überlebenden Juden aus Osteuropa nach Israel und in den Westen auswandern. Dazu kamen die üblichen gestürzten südamerikanischen Diktatoren. Sie alle hatten ihr Geld in der Schweiz.«

      Spätere Historiker versuchten, Frasers Darstellungen die Spitze zu nehmen, und behaupteten, die »gestürzten südamerikanischen Diktatoren« hätten lediglich ein knappes Fünftel der ersten Anleihen gekauft. Doch Fraser selbst hatte seine Darstellung schon verharmlost; die gestürzten Diktatoren mochten in Südamerika leben, doch das war nicht unbedingt ihre Heimat. Anfang der Sechzigerjahre lebten in Südamerika noch viele Menschen, die sich während des Zweiten Weltkriegs an der Plünderung Europas beteiligt, ihre Beute in der Schweiz versteckt und sich dann nach Argentinien abgeseilt hatten. Für die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher muss es schon frustrierend gewesen sein, ihr Raubgut in der Schweiz zu haben und keine Zinsen dafür zu bekommen. Dank Ian Fraser hatten sie nun die Möglichkeit, ihr Geld risikolos und steuerfrei für sich arbeiten zu lassen.

      Die verbleibenden vier Fünftel der Schuldverschreibungen wurden von den üblichen Steuerhinterziehern gekauft – den »belgischen Zahnärzten«, wie die Banker sie nannten: gut verdienende Freiberufler, die einen Teil ihres Einkommens nach Luxemburg oder Genf gebracht hatten und sich über diese hübsche Anlagemöglichkeit freuten. Fraser konnte nicht so tun, als verwundere ihn das. In seinen Memoiren erinnerte er sich daran, wie »Onkel Eric« – Eric Korner, einer von Warburgs leitenden Bankern – einen Broker in Zürich hatte, den er immer anrief, wenn ein Unternehmen bessere Nachrichten zu verkünden hatte als erwartet. Korner stieg ein, ehe der Rest des Marktes davon erfuhr, verdiente auf Kosten seiner Klienten steuerfreies Schwarzgeld und vergrößerte zugleich den Schweizer Topf, mit dem neue Anleihen gekauft werden konnten.

      Das СКАЧАТЬ