Название: Land des Geldes
Автор: Oliver Bullough
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная деловая литература
isbn: 9783956143762
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Die Gesetze, die Neufeld und andere nach Nevis gebracht haben, machten aus der Insel eine Festung für alle, die ihr Vermögen in Sicherheit bringen wollen. Nevis erkennt keine ausländischen Gerichtsurteile an, sodass Gerichtsstand immer Nevis sein muss. Aber um einen Prozess anzustrengen, muss man vorab als Zeichen des guten Willens 100.000 Dollar hinterlegen. Liegt der Fall mehr als ein Jahr zurück, wird er automatisch abgewiesen. Und selbst wenn man durchkommt, stehen die Erfolgsaussichten schlecht: Die Unternehmen von Nevis müssen keine Unterlagen über ihre Finanztransaktionen vorhalten, und Bilanzvorschriften, Wirtschaftsprüfung oder Buchhaltung sind auf der Insel unbekannt. Ein ausländisches Unternehmen kann jederzeit nach Nevis umziehen, und ein Unternehmen von Nevis kann die Insel jederzeit verlassen. Es muss die Behörden der Insel nicht darüber informieren, wer der wahre Eigentümer ist: Das wissen nur die Aktionäre und der gesetzliche Vertreter, und um es herauszufinden, ist eine gerichtliche Verfügung erforderlich.
Die Anwälte haben mit dem Aufbau dieser juristischen Festung eine hübsche Stange Geld verdient und sind stolz auf ihre Erfindung. »Wir haben ein Team von gut zehn Leuten aus den gesamten Vereinigten Staaten zusammengestellt und uns alle zwei Wochen anderthalb Stunden getroffen. Wir haben das Gesetzbuch auf der ersten Seite aufgeschlaggen und sind es Wort für Wort durchgegangen«, erklärte mir Shawn Snyder, ein Treuhandexperte aus Florida, der die letzte Aktualisierung der Inselgesetze leitete. »Ich sage meinen Klienten immer, es gibt eine neue goldene Regel zum Anlagenschutz: Wer das Gold hat, gewinnt.«
Lobbyarbeit gibt es überall, doch auf Nevis wurde sie auf ihren nackten Kern reduziert. Amerikanische Anwälte schreiben die Gesetze, und das Parlament von Nevis winkt sie durch, damit die Anwälte Geld verdienen und Nevis Gebühren kassieren kann. Es ist eine reine Transaktionsbeziehung. Selbstverständlich verlangt Nevis keine Steuern von den hier ansässigen Unternehmen (es sei denn, man wünscht es; das kann unter Umständen sogar seine Vorteile haben), doch die Insel ist mehr als ein Steuerparadies. Sie ist ein Schutzraum für alles und einer von einigen Dutzend staatlichen Handlangern von Moneyland, die das Vermögen all jener schützen, die sich die Gebühren leisten können.
Heute stehen rund 18.000 Unternehmen im Handelsregister von Nevis – mehr als anderthalb für jeden Einwohner der Insel. Sie bringen jedes Jahr 5 Millionen Dollar an Einnahmen und weitere 5 Millionen Dollar an Gebühren für den Staat. Dazu kommen die Steuern, die Anwälte, Buchhalter und andere Mitarbeiter der Branche zahlen. Das klingt bescheiden, doch für eine Insel, die nicht mehr Bewohner als eine Kleinstadt hat, ist es ganz ordentlich. Kein Wunder, dass der ehemalige Premierminister Daniel stolz ist auf die Saat, die er gelegt hat. »Die Finanzdienstleister haben die wirtschaftlichen Ressourcen gebracht, die den Menschen auf Nevis Wohlstand bringen«, schrieb er.
Nevis verdient sein Geld mit der Verpachtung seiner Souveränität an Reiche, die fürchten, dass die Vereinigten Staaten zu prozessfreudig sind, Frauen bei Scheidungen zu viel Geld bekommen und überall Neider mit ihren Anwälten auf die Erfolgreichen lauern. Diese Sorgen sind unter Reichen verbreitet, und Moneyland gibt ihnen die Mittel an die Hand, sich dagegen zu wappnen.
Wenn wohlhabende Amerikaner früher glaubten, dass sie von den Gesetzen benachteiligt wurden, dann versuchten sie Einfluss auf die politischen Parteien zu nehmen, um diese Gesetze zu ändern. Wenn sie glaubten, dass ihre Frauen bei einer Scheidung zu großzügig abgefunden wurden, dann verlangten sie Gesetze, um das zu ändern. Das war langwierig und das Ergebnis war nicht perfekt, aber so funktioniert eben die Demokratie.
An die Stelle dieses unschönen Hin und Her tritt heute der Vermögensschutz. Die Reichen versuchen gar nicht mehr, auf Gesetze Einfluss zu nehmen, sondern sie entziehen sich ihnen ganz einfach. Normalbürger müssen immer noch mit Prozessen und teuren Scheidungen rechnen, wie sie das Gesetz ihres Landes vorsieht. Aber wer genug Geld hat, kann die heimische Rechtsprechung umgehen und sich nach Moneyland durchgraben, wo er sein Geld vor dem Rest der Welt verbergen kann.
»Das Wort ›verbergen‹ gefällt mir nicht. Es ist geschützt, nicht verborgen. Sehen Sie es sich mal andersherum an. Viele Frauen sind nur auf Geld aus. Sie heiraten einen Mann, den sie nicht lieben, nur weil er Geld hat. Diese Leute suchen einfach nach Möglichkeiten, ihr Vermögen zu schützen«, erklärt mir Laurie Lawrence, Finanzberater der Regierung von Nevis und zuvor zwei Jahrzehnte lang Finanzminister der Insel. »Wenn Sie als Arzt in den Vereinigten Staaten wegen eines Behandlungsfehlers verklagt werden, dann kann das Ihr finanzieller Ruin sein. Deswegen ergreifen Sie Maßnahmen, und wenn etwas passiert, dann führt das nicht zu Ihrem Bankrott.«
Die Anwälte, die die Gesetze von Nevis entworfen haben, sind begeistert von ihrer Arbeit, doch den anderen, die sich dem Bollwerk der Insel gegenübersehen, gefällt sie weniger. Im Jahr 2013 gewann eine Russin das bis dahin teuerste Scheidungsverfahren der britischen Geschichte (53 Millionen Pfund), nachdem es ihren Anwälten gelungen war, das komplizierte Geflecht der Offshore-Strukturen zu entwirren, das ihr Ehemann geknüpft hatte, um ihr den Zugang zu dem in siebzehn Ehejahren gescheffelten Vermögen zu verwehren.
Wie in Zivilprozessen in Großbritannien üblich, blieben die Namen des Paars vertraulich, doch die Einzelheiten des Offshore-Geflechts des Mannes drangen an die Öffentlichkeit. Unter anderem hatte er vier teure Immobilien in drei auf Nevis registrierten Unternehmen verborgen. »Der Fall war ein fantastisches Versteckspiel mit dem Ehemann und einem zwielichtigen Strippenzieher im Hintergrund. Zu märchenhaften Gebühren (bislang 1,4 Millionen Pfund) flogen die Anwälte der Frau rund um den Globus, um das Vermögen des Mannes aufzuspüren«, schrieb Richterin Eleanor King in ihrem Urteil. Am Ende gewann die Frau, aber kann man wirklich von Gerechtigkeit sprechen, wenn man dafür 1,4 Millionen Pfund hinblättern muss?
Noch teurer war eine Scheidung zwischen dem in Finnland geborenen Tech-Millionär Robert Oesterlund und seiner aus Wales stammenden Frau Sarah Pursglove, die 2017 in einem langen Artikel in der New York Times beschrieben wurde. Offenbar hatte Oesterlund einen großen Teil seines Vermögens in einem »weltumspannenden Finanzsystem verborgen, das seine Dienste ausschließlich den Reichen offeriert und nur einem einzigen Zweck dient: den Eindruck zu erwecken, als seien die Reichsten der Welt in Wirklichkeit arm«. Zum Glück für Pursglove verpflichtete sie den gewieften Scheidungsanwalt Jeffrey Fisher, der Oesterlunds Festung aus einer Richtung angriff, die nur ihm einfallen konnte. Der Artikel ist ein faszinierender Ausflug in die Realität des Vermögensschutzes, und natürlich spielten auch Briefkastenfirmen auf Nevis eine Rolle.
»Das hat vor gut zwölf Jahren angefangen, etwa 2005«, sagte er mir, als ich ihn anrief. »Ich mache das jetzt schon lange. Früher war ich Staatsanwalt, deswegen weiß ich, wie die Leute ihr Geld verstecken. Um an das Geld eines Vermögensschutzunternehmens wie einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf Nevis heranzukommen, fahren Sie natürlich nicht nach Nevis, das wäre nicht besonders geschickt. Die haben ihre Gesetze so strukturiert, dass wir da gar nichts erreichen, dass es Jahre dauert und möglichst teuer wird. Wir müssen kreativer vorgehen, damit sie das Geld ausspucken.«
Aber wer sich keinen Jeffrey Fisher leisten kann, der zu den besten Scheidungsanwälten in den Vereinigten Staaten zählt, der hat keine Chance. »Wenn man sich nicht auskennt, hat man schon verloren. Und wenn man nicht die Mittel hat, um die fiesen Strukturen zu knacken, dann hat man auch schon verloren«, erklärte er mir. »Sie müssen sich klarmachen, dass es beim Vermögensschutz nicht um Milliarden geht, sondern um Billionen. Im Grunde geht es darum, zu verhindern, dass rechtmäßige Gläubiger an ihr Geld kommen. Das ist das Geschäft dieser Leute, aber so nennen sie es natürlich nicht.«
Das alles wäre noch hinnehmbar, wenn die Kunden von Nevis ausschließlich reiche Amerikaner wären, die ihr Vermögen vor ihren Mitbürgern verbergen wollen. Aber wie Warburgs Eurobonds ist die Insel mit ihrem sonderbaren Geschäftsmodell ein Magnet für Ganoven und Tyrannen aus aller Welt. Wie immer mischen sich hier dreistes СКАЧАТЬ