Название: Geschichte Italiens
Автор: Wolfgang Altgeld
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Reclam Sachbuch premium
isbn: 9783159610733
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[90]Friedrich II
Nunmehr rückte für Friedrich die Durchsetzung der kaiserlichen Rechte in Oberitalien in den Vordergrund des Interesses. Dabei verbanden sich das Vorbild seines Großvaters Friedrich Barbarossa und seine eigenen Erfahrungen vor allem mit Mailand zu einem emotionalen Komplex, der rationale Entscheidungen oft unmöglich machte. Der Kampf gegen die »guelfischen« Städte erschöpfte sich in einer Fülle von Einzelaktionen in einer sich ständig wandelnden Situation; ein längerfristiges politisches Konzept, etwa im Sinne einer Umgestaltung Reichsitaliens nach sizilischem Vorbild, dürfte Friedrich nicht gehabt haben. Die beiden spektakulärsten Ereignisse fanden in den Jahren 1237 und 1248 statt: 1237 besiegte der Kaiser die Mailänder in der Schlacht von Cortenuova; er konnte diesen Sieg jedoch nicht ausnutzen, da er in irrationalem Rachebedürfnis, aber auch in Überschätzung der Stärke seiner Position auf einer bedingungslosen Unterwerfung der Stadt bestand und deren Verhandlungsangebote zurückwies. Ein Triumphzug in Cremona in antik-heidnischer Manier und die Übersendung des Mailänder carroccio an die Kommune von Rom provozierten zugleich den Papst. Am 18. Februar 1248 erlitt Friedrich dagegen eine aufsehenerregende Niederlage vor Parma, das er seit Wochen belagerte, weil es unter päpstlichem Einfluss von ihm abgefallen war. Dazu hatte er sogar ein »Vittoria« benanntes befestigtes Lager errichtet. Während eines Jagdausfluges des Kaisers unternahmen die Belagerten einen Ausfall, zerstörten das Lager und zwangen Friedrich zu einer beschämenden Flucht unter [91]Zurücklassung des mitgeführten Staatsschatzes (wozu auch das Original seines Falkenbuches gehörte).
Als natürlicher Verbündeter der lombardischen Städte erwies sich das Papsttum, das bei einem Erfolg des Kaisers in Oberitalien die vollständige Einschnürung des Kirchenstaates befürchten musste. Dieses politische Interesse trat jetzt bei Gregor IX. und seinen Nachfolgern völlig in den Vordergrund, obwohl die norditalienischen Städte Zentren der häretischen Bewegungen waren, deren Bekämpfung in Zusammenarbeit mit dem Kaiser das Papsttum als seine Aufgabe hätte ansehen müssen. Um die lombardischen Städte zu unterstützen (obwohl offiziell andere Gründe genannt wurden), verhängte Gregor IX. 1239 erneut die Exkommunikation über den Kaiser. Zugleich begann ein Propagandakrieg, den beide Seiten mit schwersten apokalyptischen Verleumdungen führten. Friedrich belagerte daraufhin Rom, und eine Revolte seiner Anhänger in der Stadt gegen die päpstliche Herrschaft schien unmittelbar bevorzustehen. Jedoch gelang es Gregor, am Fest Petri Stuhlfeier 1240 in einem dramatischen Auftritt einen Stimmungsumschwung gegen den Kaiser herbeizuführen. Der Papst berief nun für 1241 ein Konzil nach Rom ein, um den Kaiser abzusetzen, doch dieser ließ die anreisenden Prälaten gefangen nehmen (Seeschlacht bei Montecristo). Diese Maßnahme gilt als schwerer Fehler Friedrichs: Er hatte zwar das Konzil verhindert, sich zugleich aber als Feind der Kirche insgesamt erwiesen und nicht nur, wie er bisher behauptet hatte, der unwürdigen Person Gregors IX. Während einer erneuten Belagerung Roms starb Gregor am 22. August 1241.
[92]Der »Endkampf« zwischen Papst und Kaiser
Der Tod Gregors IX. verhinderte eine Lösung des Konflikts. Friedrich II. musste daran gelegen sein, die Neuwahl in seinem Sinne zu beeinflussen, um eine Chance auf Lossprechung von der Exkommunikation zu erlangen. Zunächst ging aber der Senator von Rom, Matteo Orsini, mit äußerster Brutalität gegen die Kardinäle in Rom vor: Er ließ sie unter menschenunwürdigen Bedingungen einschließen und bewachen, was Ende September 1241 zum Tode eines Wählers führte. Trotzdem dauerte dieses »erste Konklave« der Papstgeschichte noch bis Ende Oktober, und der gewählte Papst, Cölestin IV., war eine Verlegenheitslösung, die nur den Zweck hatte, die Kardinäle aus der Gewalt des Orsini zu befreien und ihnen die Flucht aus der Stadt zu ermöglichen; Cölestin starb auch schon nach zwei Wochen. Danach scheiterten anderthalb Jahre lang alle Wahlversuche. Erst im Juni 1243 fand die Sedisvakanz mit der Wahl Innozenz’ IV. zu Anagni ein Ende.
Der neue Papst, dessen Wahl Friedrich II. in offenkundiger Selbsttäuschung begrüßte, begann im Juni 1244 in Civitacastellana Versöhnungsverhandlungen mit dem Kaiser, der zu weitgehenden Zugeständnissen bereit war. Dennoch verließ Innozenz am 28. Juni abends heimlich die Stadt und floh über Genua nach Lyon, wo er Anfang Dezember 1244 eintraf. Es spricht einiges dafür, dass diese Flucht von Anfang an geplant war, die Verhandlungen also nur zum Schein geführt wurden; jedoch kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass der Papst sich tatsächlich bedroht fühlte. Nach Lyon berief er Anfang 1245 ein Konzil ein, das im Juni zusammentrat, wobei an seiner ökumenischen [93]Zusammensetzung allerdings Zweifel angebracht sind. Hauptaufgabe der Versammlung war die Absetzung des Kaisers; es fand formal ein Prozess statt, zu dem Friedrich, wenngleich in rechtlich nicht einwandfreier Weise, auch vorgeladen wurde, aber das Urteil stand von vornherein fest. Die Absetzung wurde am 17. Juli 1245 verkündet. Der Text des Dekrets nennt in bewusst verzerrender Weise vier Gründe: 1. Meineid, 2. Bruch des Friedens von 1230, 3. Gefangennahme der Prälaten 1240, 4. Häresieverdacht, wobei der Papst eine tendenziöse Darstellung des fünften Kreuzzuges gibt. Den wahren Grund (die Unterstützung für die lombardischen Städte und der Wunsch, die Personalunion zwischen Deutschland und Sizilien zu beenden) verschweigt er.
Die Absetzung des Kaisers hatte keine direkten Folgen für seine tatsächliche Stellung in Italien. Die »apokalyptische Situation« Friedrichs verleitete ihn jedoch zu immer schärferen Maßnahmen gegen seine Gegner und gegen (teils vermeintliche) Verräter; prominentestes Opfer, dessen Schuld freilich bis heute ungeklärt ist, war des Kaisers engster politischer Berater, Petrus de Vinea, der seiner Hinrichtung durch Selbstmord zuvorkam. Dennoch war die Lage völlig offen, als Friedrich überraschend am 13. Dezember 1250 starb.
Die Zeit nach dem Tode Friedrichs II
Staufer und Anjou-Plantagenet
Mit dem Tode Friedrichs II. endete keineswegs die staufische Herrschaft in (Süd-)Italien; ein »Interregnum« wie in Deutschland trat nicht ein. Der Tod des Kaisers ließ es [94]Innozenz IV. allerdings wagen, nach Italien zurückzukehren: Er verließ Lyon am 19. April 1251 und kam nach längerem Aufenthalt in Perugia 1253 nach Rom. Inzwischen war auch Konrad IV., offenkundig in Reaktion auf die Abreise des Papstes, nach Italien aufgebrochen: Er verließ Augsburg im Oktober 1251 und gelangte über Verona und die istrische Küste auf dem Seeweg 1252 nach Siponto.
Konrad IV. fand die Staatsmaschinerie seines Vaters funktionsfähig vor; etwaigen Usurpationsversuchen seines Halbbruders Manfred, der als Konrads Baiulus amtiert hatte, konnte er vorbeugen. Wie sich das Verhältnis zur Kurie, das seit Oktober 1253 völlig offen war, entwickelt hätte, bleibt Spekulation, da Konrad am 21. Mai 1254 starb. Erneut wurde Manfred Herrscher Siziliens, nunmehr als Baiulus (Stellvertreter) Konradins, des zweijährigen Sohnes Konrads IV. Am 10. August 1258 übernahm er aus unbekannten Gründen selbst die Königswürde.
Über Manfreds (immerhin zwölf Jahre dauernde) selbständige Regierung ist wenig bekannt, da sein Nachfolger Karl von Anjou systematisch die Quellen vernichten ließ. Die Politik hielt sich in den Bahnen seines Vaters, nahm auf die ghibellinischen Städte in Mittel- und Norditalien Einfluss und knüpfte (in normannischer Tradition) Verbindungen in den griechischen Raum; der Hof blieb kulturelles Zentrum auf beträchtlichem Niveau. Wichtig wurde die Ehe seiner Tochter Konstanze mit dem aragonesischen Thronfolger. Manfreds Regierung endete mit seiner Niederlage und seinem Tod in der Schlacht bei Benevent gegen Karl von Anjou am 26. Februar 1266.
[96]Die Zeit der Herrschaft der Anjou in Süditalien