Название: Geschichte Italiens
Автор: Wolfgang Altgeld
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Reclam Sachbuch premium
isbn: 9783159610733
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[108]Der Krieg der Sizilischen Vesper bis zum Frieden von Caltabellotta
Da im Jahr 1285 alle Protagonisten der Sizilischen Vesper gestorben waren, kam nun die zweite Generation zum Zuge. Auf Sizilien folgte Peters III. zweiter Sohn Jakob nach, während in Aragón der Erstgeborene Alfons die Regierung antrat, wodurch teilweise Interessenkonflikte entstanden. Als Papst wurde mit Honorius IV. ein Römer gewählt, der zwar die Anjou uneingeschränkt unterstützte, aber doch eine selbständigere Position einnahm als sein Vorgänger. Besonders schwierig war die Lage Karls II. von Anjou: Er war 1284 bei einer unbedachten Flottenaktion in die Gefangenschaft der Sizilianer geraten. Zwar wurde er nicht, wie einige forderten, als Vergeltung für den Tod Konradins hingerichtet, aber sein oberstes Ziel musste es sein, sich aus seiner misslichen Lage zu befreien.
In den folgenden Jahren gab es eine Serie von Militäraktionen, die immer wieder durch vertragliche Lösungsversuche unterbrochen wurden. Die ersten beiden Vertragsversuche sahen die Freilassung Karls II. als Gegenleistung für die Abtretung Siziliens an Jakob I. vor, wurden aber von der Kurie als Lehnsherrn nicht genehmigt. Durchgeführt wurde der Vertrag von Canfranc von 1288: Karl II. wurde (gegen Vergeiselung dreier Söhne) freigelassen und musste sich verpflichten, binnen drei Jahren einen allseitig anerkannten Friedensvertrag zustande zu bringen, andernfalls in die Haft zurückzukehren. Der Vertrag von Anagni von 1295 – inzwischen war Jakob I. von Sizilien als Nachfolger seines gestorbenen Bruders nach Aragón gewechselt und hatte seinen jüngeren Bruder Friedrich als Stellvertreter auf [109]Sizilien gelassen – sah ein großes Revirement vor: Jakob sollte Sizilien an den Papst zurückgeben, der es an Karl II. weiterzugeben hätte, dessen Tochter Jakob heiraten sollte; Friedrich sollte mit dem (noch zurückzuerobernden) lateinischen Kaiserreich Byzanz entschädigt werden, Jakob mit Sardinien und Korsika: Für Sizilien bedeutete dies praktisch eine Wiederherstellung des Zustandes vor 1282. Der Vertrag, dem auch der Papst zustimmte, löste auf Sizilien eine zweite »nationale« Revolte aus, durch die der Stellvertreter Friedrich 1296 zum König erhoben und Jakob de facto abgesetzt wurde. Erst 1302 brachte der Friede von Caltabellotta eine (wenigstens zeitweise) Lösung: König Friedrich, der eine Tochter Karls II. heiraten sollte, wurde auf Lebenszeit anerkannt; danach sollte Sizilien an die Anjou zurückfallen, eventuelle Kinder aus der Ehe anderweitig entschädigt werden.
Cölestin V
Nach dem Tode Papst Nikolaus’ IV. gelang über zwei Jahre keine Wahl eines Nachfolgers. Kam die lange Sedisvakanz 1268–1271 Karl I. gelegen, indem sie ihm freie Hand für die Vorbereitung seiner Expansionspläne ließ, so hing Karl II. 1292–1294 gewissermaßen in der Luft, da er einen Papst für die lehnsherrliche Bestätigung der auszuhandelnden Verträge brauchte. Dennoch ist nicht erwiesen, dass er seine Hände im Spiel hatte, als am 5. Juli 1294 die Kardinäle überraschend den Einsiedler Peter vom Murrone zum Papst erhoben. Die Person des Gewählten erschien wie die Erfüllung der damals weit verbreiteten Erwartung eines papa [110]angelicus, der die Kirche reformieren und ein vom Mönchtum gekennzeichnetes Zeitalter des Heiligen Geistes heraufführen sollte (gemäß den popularisierten und verflachten Vorstellungen des Joachim von Fiore). Es zeigte sich jedoch schnell, dass Cölestin mit seiner Aufgabe hoffnungslos überfordert war. Er geriet sofort in Abhängigkeit von Karl II., der ihn persönlich in seiner Zelle abholte, zur Krönung nach L’Aquila und anschließend nach Neapel führte; Rom hat er als Papst nie betreten. Sein Unvermögen wurde auch ihm selbst bald bewusst und belastete sein Gewissen, so dass er (nach Einholung juristischen Rates) am 13. Dezember 1294 zurücktrat.
Dass ein Papst zurücktreten könne, war durch das geltende Kirchenrecht eindeutig geklärt. Wenn die Rechtmäßigkeit von Cölestins Abdankung dennoch in Zweifel gezogen wurde, so spiegelte das zum einen die Enttäuschung jener Kreise, die in seiner Wahl die apokalyptischen Vorstellungen ihrer Zeit erfüllt sahen; zum andern lag es im Verhalten seines Nachfolgers begründet: Bonifaz VIII. befürchtete, sein Vorgänger könne zum Werkzeug seiner zahlreichen Feinde werden, und ließ ihn (nach einem gescheiterten Fluchtversuch) in Castel Fumone nahe Anagni internieren, wo er am 19. Mai 1296 eines natürlichen Todes starb. Die Zweifel, durch juristische (Schein-)Gutachten gestützt, waren also politische Propagandamittel, um Bonifaz’ eigene Rechtmäßigkeit als Papst ins Zwielicht zu rücken. Cölestin V. wurde 1313 als Peter vom Murrone heiliggesprochen.
Cölestins Nachfolger wurde am 24. Dezember 1294 Bonifaz VIII. (Benedikt Caetani). Er hatte u. a. in Bologna ein juristisches Studium absolviert, dann als Sekretär zweier künftiger Päpste an der Kurie Karriere gemacht und teils in [111]deren Begleitung, teils auf eigenen Legationen Frankreich, England und Deutschland kennengelernt. Insofern war er als Nachfolger seines weltabgewandten Vorgängers hervorragend geeignet. Jedoch wird seine Gestalt durch charakterliche Mängel verdunkelt: Eine Hauptaufgabe seines Pontifikates sah er in der Erhöhung seiner bisher wenig hervorgetretenen Familie in eine fürstliche Stellung; dabei war er schon vor seiner Wahl in wirtschaftliche Streitigkeiten mit den Colonna geraten.
Die Regierungszeit Bonifaz’ VIII. lässt sich in drei Abschnitte gliedern: den Konflikt mit den Colonna (bis 1299), das Heilige Jahr 1300 und die große Auseinandersetzung mit dem französischen König (ab 1301). Auslöser für den ersten Konflikt war ein Gewaltakt der Colonna gegen die Caetani, den der Papst zum Anlass einer Überreaktion mit dem Ziel der Vernichtung der konkurrierenden Familie nahm: Die beiden Kardinäle aus dem Hause Colonna wurden abgesetzt und exkommuniziert, ein förmlicher Kreuzzug gegen die Colonna endete ein Jahr später mit der Eroberung der Hauptorte der Familie. Die beiden Kardinäle und die Häupter der Familie flohen nach Frankreich, von wo aus sie die oben erwähnte Polemik gegen die Rechtmäßigkeit des Papstes betrieben.
Das Heilige Jahr 1300 entstand ohne Zutun der Kurie als Volksbewegung, die, unter Berufung auf ein angebliches Vorbild des Jahres 1200 (wofür es aber keinerlei historische Spuren gibt), für 1300 in Rom besondere Gnadenmittel erhoffte. Bonifaz VIII. stand dem Phänomen zunächst abwartend gegenüber, setzte sich dann aber an die Spitze der Bewegung und gewährte den Rompilgern den vollkommenen Ablass, der bislang nur Kreuzfahrern zugestanden worden [112]war. Politisch spielte das Heilige Jahr keine Rolle; es ist nur dadurch wichtig, dass es das Selbstbewusstsein des Papstes enorm steigerte.
Die große Auseinandersetzung mit dem französischen König Philipp IV. begann 1301 mit einem lokalen Konflikt um einen Abt, steigerte sich aber schnell zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über die Frage, ob die staatliche Gewalt generell der päpstlichen unterworfen sei (Bulle Unam sanctam vom 18. November 1302, in der der Papst in überzeitlicher, vorwiegend biblisch gestützter Argumentation seine Maximalposition zusammenfasste). Im Gegenzug erhob im Juni 1303 eine Versammlung im Louvre gegen Bonifaz nicht nur den Vorwurf, unrechtmäßig Papst zu sein (wegen der angeblich unzulässigen Abdankung Cölestins V.), sondern auch den der Ketzerei – im Mittelalter die einzige Möglichkeit, einen Papst abzusetzen. Daraufhin kündigte Bonifaz für den 8. September 1303 die Absetzung des Königs an. Dazu kam es aber nicht mehr, da am Tag zuvor der französische Vizekanzler Wilhelm Nogaret und Sciarra Colonna den Papst in Anagni überfielen, gefangen setzten und möglicherweise misshandelten. Infolge der erlittenen Behandlung starb Bonifaz am 11. Oktober 1303 als Märtyrer seiner Vorstellung von der Rolle des Papsttums.
Kaiser Heinrich VII
Sieben Jahre nach dem Tode Bonifaz’ СКАЧАТЬ