Название: Lehren und Lernen
Автор: Andreas Schubiger
Издательство: Bookwire
Жанр: Учебная литература
isbn: 9783035506471
isbn:
Abbildung 3 Dispositionales Kompetenzmodell
Im Kompetenzmodell gehen wir davon aus, dass über die Kombination und Verbindung verschiedener Ressourcen das Potenzial gebildet wird, eine bestimmte Anforderung zu erfüllen. Die Bewältigung der Anforderungssituation zeigt sich im Verhalten und Handeln, der sogenannten Performanz. Von aussen betrachtet gehen wir davon aus, dass sich hinter der Performanz eine bestimmte Kompetenz verbirgt.
Qualifikationen können im Gegensatz zu Ressourcen, Kompetenzen und Performanzen als extern anerkannte und legitimierte Sets derselben betrachtet werden. Qualifikationen beinhalten meist eine gemischte Anerkennung verschiedener Performanzen, Kompetenzen und Ressourcen. So setzt sich zum Beispiel das Qualifikationsverfahren am Schluss der Berufslehre aus einer praktischen Arbeit (Überprüfung von Kompetenzen mittels Messung der gezeigten Performanz) und schriftlichen Schulprüfungen (Messung der Ressourcen) zusammen.
Kompetenzentwicklung geschieht einerseits über bewusste Lernprozesse (formales, institutionalisiertes Lernen) und andererseits über eine eher unbewusste Sozialisation. Das folgende Kompetenzprozessmodell soll die vorwiegend beschreibenden Kompetenztheorien ergänzen. Es soll helfen, den Lernprozess mit entsprechenden Methoden zu optimieren und Lernveranstaltungen auf ihre Kompetenzorientierung hin zu prüfen.
3.1 Kompetenz = Wissen x Können x Wollen
Zuwachs an Kompetenz entwickelt sich nicht zufällig und unabhängig von den Ressourcen. Die Gleichung «Kompetenz = Wissen x Können x Wollen» veranschaulicht, dass die Ausbildung der Kompetenz von drei Dimensionen, nämlich dem Wissen, Können und Wollen abhängt. Wissen allein genügt genauso wenig wie das alleinige Wollen, um eine Kompetenz auszubilden. Die Gleichung zeigt, dass die Kompetenz aus dem Produkt aller drei Faktoren entsteht. Fehlt eine Ausprägung, führt dies zur ungenügenden Ausbildung der Kompetenz.
Abbildung 4 Kompetenzwürfel
3.1.1 Wissen
Wissen kann drei Auswirkungen auf unser Handeln haben. Im positiven Fall steuert und beeinflusst es unser Handeln, ja macht Handeln überhaupt möglich. Im neutralen Sinne beeinflusst neues Wissen unser Handeln nicht, es ist sogenannt träges Wissen. Es ist wohl in Prüfungen abrufbar, aber hat keinen Einfluss auf die Praxissituation. Im negativen Fall kann das neue Wissen unser Handeln sogar stören oder behindern.
Eine langjährige Ausbildung mit entsprechendem Wissenserwerb kann wenig bis keine Auswirkung auf das professionelle Handeln der Ausgebildeten haben. Dieses ernüchternde Bild zeigt sich in diversen empirischen Untersuchungen (Schubiger, 2010). Darin unterscheiden sich 14-jährige Schüler bei der Lösung eines pädagogischen Fallbeispiels weder signifikant von Studenten der Lehrerbildung im 1. Semester oder Prüfungskandidaten noch von Lehrpersonen mit mehrjähriger Erfahrung (Wahl, 2005).
Studierende der Wirtschaftswissenschaften schnitten in einer Computersimulation einer Jeansfabrik nicht besser oder gar schlechter ab als Studierende wirtschaftsfremder Fakultäten. Den Wirtschaftsstudenten gelang es also nicht, ihr umfangreiches ‚Expertenwissen‘ in einer realitätsnahen Simulation wirksam umzusetzen (Gruber, Mandl & Renkl, 2000).
Weitere Untersuchungen bei Lehrpersonen zeigen, dass trotz jahrelangen didaktischen Studiums alltägliches Planungshandeln in keiner Weise von didaktischen Prinzipien und Theorien geleitet wurde. Der Planungsprozess war meist routiniert und beschränkte sich im Wesentlichen auf die Stoffaufarbeitung und deren zeitliche Verteilung (Haas, 1998).
Selbst wenn problemlösende Veränderungen für die Praxis in Weiterbildungsveranstaltungen erarbeitet wurden, beobachteten andere Untersuchungen eine nur unbedeutende Umsetzung in konkretes Handeln. Anscheinend genügte dafür die alleinige Absicht nicht (Mutzeck, 1988).
Selbst in einer Domäne wie der schweizerischen Pflegeausbildung, wo dem Theorie-Praxis-Transfer besondere Beachtung geschenkt wird, stellte man fest, dass nach vierjähriger Ausbildung die erlernten theoretischen Konzepte in der Praxis nicht herangezogen wurden (Schwarz-Goevers, 2005).
Allen untersuchten Ausbildungen lag letztlich das alte Wissensmodell des Nürnberger Trichters zugrunde. Sie erzeugten lediglich träges Wissen, welches in der Hoffnung vermittelt wurde, dass daraus eine kompetente Handlung resultiert. Vieles deutet darauf hin, dass handlungswirksames Wissen nur dann entsteht, wenn dieses situiert und mit Übungen im Bereich der angestrebten Handlung vermittelt wird.
Damit neues Wissen einen wirkungsvollen Beitrag zur Ausprägung der Kompetenz leistet, sollte bei seinem Aufbau auf folgende Aspekte geachtet werden:
•Neues Wissen soll an vorhandenes Wissen und gesammelte Erfahrungen geknüpft werden.
•Es soll handlungsanleitend sein und Erklärungen geben, Voraussagen machen und klare Anweisungen (Methoden) für den Umgang mit der realen Praxis geben.
•Es soll auf unterschiedlichste Art erfahrbar gemacht werden (Visualisierung, Erleben, Erzählen, Konstruieren etc.).
•Es soll in unterschiedlichen Kontexten angewandt und reflektiert werden.
•Es soll anhand konkreter Situationen und Problemstellungen aufgebaut werden.
•Neues exemplarisches Wissen soll immer wieder verallgemeinert und damit in verschiedenen Situationen angewandt werden können.
•Neues Wissen soll durch häufiges Üben automatisiert werden.
3.1.2 Können
Unter Können verstehen wir das mehr oder weniger geplante Handeln in der Praxis. Das Sprichwort «Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen» sagt nichts anderes aus, als dass wir unser professionelles Können nur über den vielfach beschwerlichen Weg des Übens erlangen. Es wird heute davon ausgegangen, dass wir vom Anfänger bis zum Experten verschiedene Stufen durchlaufen.
Dreyfus und Dreyfus (1986) haben ein Stufenmodell des Kompetenzerwerbs bis zum Expertentum entwickelt, das für die Didaktik der Lehr-Lern-Prozesse fruchtbar genutzt werden kann.
•Die Lernenden durchlaufen im Lernprozess Stufe um Stufe, diese können nicht übersprungen werden.
•Die Stufen können nicht von allen Lernenden in jeder Domäne erreicht werden.
•Pro Stufe bestehen qualitative Unterschiede zwischen den Individuen mit unterschiedlichen Begabungen.
•Auf einer Stufe angelangt, können Lernende СКАЧАТЬ